USA versetzen Irans Wirtschaft maximalen Schlag
Washington – Die USA haben nach ihrem Austritt aus dem Atomabkommen mit dem Iran das Land mit einer beispiellosen Flut von Wirtschaftssanktionen überzogen. Getroffen werde der Öl- und Bankensektor sowie die wichtige Schifffahrtsbranche. Insgesamt habe die Trump-Administration in weniger als zwei Jahren mehr als 900 Ziele im Iran und dessen Umfeld mit Sanktionen belegt, sagte Aussenminister Mike Pompeo am Montag in Washington. Bereits jetzt hätten sich mehr als 100 Firmen aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen. Allerdings wurden acht Haupt-Ölabnehmer vorübergehend ausgenommen.
Unter den Ländern, die vorerst weiterhin Öl aus dem Iran beziehen dürfen, sind auch die zwei EU-Staaten Italien und Griechenland. China inklusive Taiwan, Indien, Japan, Südkorea und die Türkei können ebenfalls zunächst weiter ungestraft iranisches Öl aufkaufen. Die Länder stehen für einen Grossteil der iranischen Öllieferungen. Auch das in Belgien ansässige Bankensystem Swift darf weiter in sehr begrenztem Umfang Geschäfte im Iran machen – allerdings nur mit den Banken, die nicht von den Sanktionen betroffen sind. Swift kündigte an, die Beziehungen zu «bestimmten» iranischen Banken zu kappen.
«Wir sind stolz, diese Sanktionen zu brechen»
Die iranische Führung reagierte mit harschen Worten. «Wir sind in einem Wirtschaftskrieg (…)», sagte Präsident Hassan Ruhani am Montag. «Wir sind stolz, diese Sanktionen zu brechen, denn diese Sanktionen sind illegal und unfair und widersprechen UN-Resolutionen.» Westliche Medien zeigten über das Wochenende Demonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern im Iran, die sich gegen die US-Politik wandten.
Offiziell wollen die USA ein neues Abkommen
Washington hofft dagegen darauf, dass das iranische Volk Druck auf die eigene Regierung macht. «Wir zielen auf das iranische Regime, nicht auf das iranische Volk», sagte Finanzminister Steven Mnuchin. Pompeos Angaben zufolge ist es weiterhin das Ziel, ein neues Abkommen mit dem Iran zu schliessen. Dazu müsste der im Mai vorgelegte Zwölf-Punkte-Forderungskatalog eingehalten werden. Die USA werfen dem Iran unter anderem die Förderung von Terrorismus vor, die Unterstützung der radikal-islamischen Hamas, der Hisbollah, der Hutu-Rebellen im Jemen sowie der Assad-Regierung in Syrien.
«Das iranische Regime hat die Wahl: dreht Euch um 180 Grad oder seht zu, wie Eure Volkswirtschaft zerbröselt.» Die USA setzten in den nächsten Wochen ihre Anstrengungen fort, «alle Nationen auf Null zu bekommen», sagte Pompeo. Am Sonntag hatte er in einem Interview erklärt: «Das wird ein paar Monate dauern.» Die befristeten Ausnahmen seien «besonderen Umständen» dieser Länder und dem Ölmarkt geschuldet.
2,5 Mrd Dollar an Öl-Umsätzen verloren
Mehr als 20 Staaten hätten ihre Öl-Importe aus dem Iran bereits beendet. «Das Regime hat heute seit Mai mehr als 2,5 Milliarden Dollar an Öl-Umsätzen verloren.» Täglich exportiere der Iran bereits rund eine Million Barrel (je 159 Liter) Öl weniger. Dennoch sei es gelungen, den Ölmarkt stabil zu halten – unter anderem durch höhere Exporte aus Saudi-Arabien und den USA selbst, wie Pompeo schon vor Tagen sagte.
Die USA begründen die Sanktionen mit dem Verhalten der iranischen Regierung. Teheran sei der entscheidende Faktor für Instabilität in der Nahost-Region, sagte Pompeo. Es gebe ein ganzes Bündel an Massnahmen gegen den Iran. «Aber im Zentrum steht eine bisher nicht da gewesene Kampagne des ökonomischen Drucks», betonte er. Die Regierung in Teheran müsse davon «überzeugt» werden, ihren revolutionären Kurs zu ändern.
Die Sanktionen gelten seit 6.00 Uhr MEZ am Montagmorgen. Betroffen sind 70 Banken und Finanzinstitute im Iran und ihre internationalen Töchter, die iranische Atomenergie-Organisation, zahlreiche Häfen, Werften, Schiffe, die staatliche iranische Fluglinie sowie 65 Flugzeuge. Pompeo sprach eine offene Drohung an weltweit alle Firmen aus, sollten sie diese Sanktionen nicht beachten. «Ich verspreche: Mit dem Iran Geschäfte zu machen und gegen einige unserer Sanktionen zu verstossen, ist eine ultimativ schmerzhaftere wirtschaftliche Entscheidung, als sich aus dem Iran zurückzuziehen.»
Zweckgesellschaft braucht Zeit
Deutschland und andere EU-Länder wollen eine Zweckgesellschaft gründen, mit deren Hilfe die US-Sanktionen unter Umständen umgangen werden könnten. Der Iran glaubt, dass die Gründung noch Zeit braucht. «Das ist eine neue Initiative mit sehr komplizierten Mechanismen, die viel Sorgfalt und dementsprechend auch Zeit braucht», zitierte die Nachrichtenagentur Isna am Montag Aussenamtssprecher Bahram Ghassemi.
Griechische Militärexperten werteten die Ausnahme ihres Landes als eine Art Anerkennung der finanziellen Probleme Griechenlands seitens der USA. Zudem arbeiteten die USA zunehmend eng mit Griechenland im Bereich Verteidigung zusammen – etwa steht den USA eine Luftwaffenbasis auf Kreta zur Verfügung. (awp/mc/pg)