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Zürich – Viele Menschen leben auch nach traumatischen Erlebnissen ohne psychisches Leid weiter. Denn es gelingt ihnen, das Erlebte trotz aller Schrecken für sich einzuordnen. Dieser Kohärenzsinn wurde erstmals in den 70-er Jahren beschrieben – seine Messung blieb jedoch bis heute problematisch. Nun haben Psychologen der Universität Zürich einen Fragebogen entwickelt, der den Kohärenzsinn für die Trauma-Bewältigung sachgerechter erfassbar macht.
In den 1970-er Jahren lieferte der israelische Medizinpsychologe Aron Antonovsky Belege für eine gedankliche – oder kognitive – Fähigkeit: Während viele Holocaust-Überlebende noch Jahrzehnte später psychisch und körperlich am Erlebten litten, blieben andere Verfolgte gesund oder gesundeten. Gewissen Menschen gelingt es offenbar, traumatische Erfahrungen gedanklich einzuordnen und zu verarbeiten, auch wenn sie noch so schrecklich für das eigene Leben sind. Antonovsky stellte diesen Kohärenzsinn als zentrale Eigenschaft für das heraus, was heute meist mit «Resilienz» – psychische Widerstandsfähigkeit – bezeichnet wird. Seitdem wird der Kohärenzsinn mit einem von Antonovsky entwickelten Fragebogen international in vielen Forschungsprogrammen untersucht. Dieser Fragebogen weist jedoch konzeptionelle und methodische Fehler auf, die der psychologischen Grundlagenforschung seit längerem bekannt sind.
Inhaltlich eindeutiger und verständlicher Fragebogen
Wissenschaftler des Psychologischen Instituts der Universität Zürich haben das ursprüngliche Konzept des Kohärenzsinns überarbeitet und eine neue Erfassungsmethode erstellt. «Wir haben das Konzept auf den wesentlichen Kern zurück geführt, das heisst auf das prinzipielle Einordnen-Können extrem belastender Lebensereignisse in das eigene Weltbild», erklärt Andreas Maercker, Professor für Psychopathologie. Die frühere Erfassungsmethode von Antonovsky bezog auch die Fähigkeit mit ein, aus Extremerfahrungen Sinn zu ziehen. Diese konzeptionelle Vermischung führte teilweise zu widersprüchlichen wissenschaftlichen Ergebnissen. «Denn für die individuelle Sinnfindung nach dem Erleben von Traumata liegen inzwischen neue und spezifische Erfassungsmethoden unter dem Begriff der <posttraumatischen Reifung> vor», so Andreas Maercker. Zudem haben die Psychologen der UZH den Fragebogen verständlicher und kürzer gestaltet, weil die Vorgängerversion auch hier Schwächen aufwies.
Zuverlässigere und objektivere Ergebnisse
Die Zürcher Wissenschaftler konnten den neuen Fragebogen bereits in wissenschaftlichen Studien anwenden. Sie befragten dazu über 300 Trauernde – die meisten von ihnen hatten ein Kind oder den Ehepartner verloren. Die betroffenen Personen zeigten – wie erwartet – in unterschiedlichem Ausmass Kohärenzgefühle. Diejenigen mit einer höheren psychischen Widerstandsfähigkeit hatten weniger Depressionen und ihre Trauer war weniger schmerzhaft. «Der neue Fragebogen zum Kohärenzsinn zeigt als Erfassungsmethode zuverlässigere und objektivere Ergebnisse als der frühere Fragebogen.» Damit ist für Andreas Maercker der Weg frei, in weiteren Studien über die Ursachen für den Kohärenzsinn zu forschen und Wege zu suchen, diese Fähigkeit bei Betroffenen zu stärken. (UZH/mc/pg)