Basel – Atomar dünne Schichten eines Halbmetalls namens Wolframditellurid leiten Strom verlustfrei entlang enger eindimensionaler Kanäle an den Rändern. Das Material ist damit ein topologischer Isolator zweiter Ordnung. Physiker der Universität Basel haben dies experimentell bewiesen und ergänzen damit den Materialfundus für topologische Supraleitung. Sie veröffentlichten diese Ergebnisse im Fachmagazin «Nano Letters».
Topologische Isolatoren stehen im Fokus des Forschungsinteresses, weil sie als mögliche Supraleiter in der Elektronik der Zukunft zum Einsatz kommen könnten. Sie verhalten sich in ihrem Inneren wie Isolatoren. Die Ränder dagegen haben metallische Eigenschaften und sind elektrisch leitend. Ein dreidimensionaler Kristall eines topologischen Isolators leitet den Strom also nur an seiner Oberfläche, während im Inneren kein Strom fliessen kann. Dabei ist die Leitfähigkeit an der Oberfläche aufgrund quantenmechanischer Phänomenen nahezu verlustfrei – der Strom wird über lange Strecken ohne Wärmebildung geleitet.
Daneben existieren auch topologische Zustände zweiter Ordnung. Das sind dreidimensionale Kristalle, die leitende, eindimensionale Kanäle nur an ausgewählten Kristallkanten besitzen. Diese bieten sich insbesondere für mögliche Anwendungen im Bereich des Quantencomputing an.
Theoretische Vorhersage
Für das Halbmetall Wismut nehmen Fachleute an, dass es Eigenschaften eines topologischen Materials zweiter Ordnung besitzt. Und auch für ein weiteres Halbmetall, Wolframditellurid (WTe2), haben Forschende theoretisch vorhergesagt, dass sich atomar dünne WTe2-Schichten wie topologische Isolatoren zweiter Ordnung verhalten – also an den Kanten verlustfrei Strom leiten, während der Rest der Schicht sich wie ein Isolator verhält.
Das Team um Prof. Dr. Christian Schönenberger vom Departement Physik und dem Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel hat nun winzige Wolframditellurid-Kristalle bestehend aus 1 bis 20 Schichten untersucht. Um das sauerstoffempfindliche Material elektrisch zu charakterisieren, arbeiteten die Wissenschaftler in einer speziellen sauerstoffarmen Box und bedeckten das Wolframditellurid mit einem anderen Kristall, das gegenüber Sauerstoff unempfindlich ist. Sie fügten supraleitende Kontakte hinzu und legten ein Magnetfeld an.
Charakteristische Schwingungen
Die Wissenschaftler analysierten den Stromfluss im Kristall und konnten viele langsam abklingende Schwingungen nachweisen. «Während eine gleichmässige Stromverteilung zu schnell abklingenden Schwingungen führt, erzeugen die extrem gut leitenden Randzustände stark oszillierende, langsam abklingende Schwingungen, wie wir sie gemessen haben», erklärt Dr. Artem Kononov, Erstautor der Studie und Georg H. Endress Stipendiant am Departement Physik. «Die einzig mögliche Erklärung unserer Ergebnisse ist, dass ein grosser Teil des Stroms entlang der schmalen Kanten fliesst.»
«Die Beobachtungen unterstützen die theoretischen Vorhersagen, dass Wolframditellurid ein topologisches Material höherer Ordnung sei. Es ergeben sich damit neue Möglichkeiten für die topologische Supraleitung, die beispielsweise im Quantencomputing eingesetzt werden könnte», kommentiert Christian Schönenberger, der in einem ERC-Projekt die topologischen Supraleitung in Stapeln bestimmter zweidimensionaler Materialien untersucht. (Universität Basel/mc/ps)
Originalarbeit
Artem Kononov, Gulibusitan Abulizi, Kejian Qu, Jiaqiang Yan, David Mandrus, Kenji Watanabe, Takashi Taniguchi, and Christian Schönenberger
One-dimensional edge transport in few-layer WTe2
Nano Letters (2020), doi: 10.1021/acs.nanolett.0c00658
Universität Basel