Viele Mitarbeiter sind sich finanzieller Manipulationen ihrer Unternehmen bewusst
Zürich – Die von Ernst & Young durchgeführte Umfrage «Europe, Middle East, India and Africa (EMEIA) Fraud Survey 2013: Navigating today’s complex business risks» unter mehr als 3’000 Angestellten in 36 Ländern verdeutlicht, dass sich einer von fünf Befragten einer finanziellen Manipulation innerhalb der letzten zwölf Monate in seinem Unternehmen bewusst ist. Auf Verwaltungsrats- und oberster Führungsebene ist dieses Verhältnis sogar noch höher. 42 Prozent der Befragten gaben an, dass die Umsatzzahlen oder Kosten in ihrem Unternehmen manipuliert wurden, während 57 Prozent annehmen, dass Bestechung und Korruption in ihrem jeweiligen Land weit verbreitet sind.
Fast die Hälfte der Befragten in wachstumsstarken Märkten stimmen zu, dass Unternehmen ihrer Länder die Finanzergebnisse oft falsch darstellen, im Vergleich zu 29 Prozent jener, deren Hauptsitz sich in Westeuropa befindet. Unter den Schweizer Befragten sind hingegen nur 16 Prozent der Auffassung, dass finanzielle Manipulation in der Schweiz verbreitet ist.
Michael Faske, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services von Ernst & Young Schweiz, bemerkt: «Im heutigen schwierigen Marktumfeld stehen die Unternehmen unter ständigem Druck, die Wachstums- und Gewinnerwartungen zu erfüllen. Einige davon werden unweigerlich zu unethischen Mitteln greifen, wenn nicht direkt im eigenen Unternehmen, dann möglicherweise bei der Zusammenarbeit mit externen Servicedienstleister im In- und Ausland. Die Erwartung der Aktionäre, dass das Management die Verantwortung übernimmt und Compliance-Programme implementiert, reicht nicht aus. Die Verwaltungsräte müssen die Geschäftsleitung herausfordern, um sicherzustellen, dass sie sich auf die richtigen Bereiche mit hohem Risikopotenzial konzentrieren.»
In allen Sektoren herrscht Bestechung und Korruption
Die Umfrage lässt erkennen, dass sich das Risiko einer Falschdarstellung der finanziellen Ergebnisse in einem unethischen Geschäftsumfeld noch erhöht. Während in der Schweiz nur 10 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass Bestechung und Korruption in ihrem Land weit verbreitet sind, geht ein alarmierender Anteil von 57 Prozent aller Befragten davon aus, dass Bestechung und Korruption im Geschäftsalltag ihrer Länder gang und gäbe ist. Dieser Anteil steigt in wachstumsstarken Märkten sogar auf 67 Prozent. Auf die Frage, ob es ihrer Meinung nach in ihrem Sektor üblich sei, Aufträge mithilfe von Bestechung zu gewinnen, antworteten jedoch nur 26 Prozent (7 Prozent in der Schweiz) mit «Ja».
Michael Faske betont: «Die Geschäftsleitung muss anerkennen, dass Betrug, Bestechung und Korruption auch in ihrem Unternehmen und in ihrem Berufsstand vorkommen kann. Nur so können die Risiken wirklich effektiv minimiert werden. Die Umfrageergebnisse lassen den besorgniserregenden Trend erkennen, dass Unternehmen diese Risiken entweder ignorieren oder die Augen davor verschliessen. Die Angestellten sehen das Risiko der Bestechung und Korruption zwar als weit verbreitet in ihrem Land, nehmen es jedoch in ihrem eigenen Unternehmen oder Sektor nicht wahr. Die Kernbotschaft der Ergebnisse scheint zu sein: ‹Alle anderen verhalten sich unethisch, nur ich oder mein Unternehmen nicht›.»
Wahrnehmungsunterschied zwischen Management und Mitarbeitenden in puncto Compliance
Obwohl die Befragten zum grössten Teil wussten, dass ihr Unternehmen über eine Richtlinie zur Bekämpfung von Bestechung und/oder Korruption verfügt, lässt die Umfrage in vielen Unternehmen eine deutliche Wahrnehmungskluft zwischen dem oberen Management und den Mitarbeitenden erkennen, wenn es um die Relevanz und die Effektivität dieser Richtlinie geht. 60 Prozent der Verwaltungsräte und oberen Führungskräfte gehen davon aus, dass ihr Unternehmen Mitarbeitende unterstützen würde, die Verdachtsfälle von Betrug, Bestechung oder Korruption melden. Aber nur 34 Prozent ihrer Mitarbeitenden stimmen dem zu.
Kritische Geschäftsfunktionen stellen die Bedeutung solcher Programme weiterhin infrage. So erachten knapp unter 50 Prozent der Befragten in einer Vertriebsfunktion das Programm ihres Unternehmens zur Bekämpfung von Bestechung und Korruption als nicht relevant für ihre Rolle oder sind sich nicht einmal bewusst, dass ein solches besteht.
Michael Faske bemerkt abschliessend: «Aufgrund des heutigen schwierigen Wirtschaftsumfelds ist die äusserste Effizienz der Compliance-Funktion unerlässlich. Viele Unternehmen gehen fälschlicherweise davon aus, dass das Bestehen eines Programms zur Bekämpfung von Bestechung ausreicht, um ihre Risiken zu mindern. Compliance-Programme müssen sehr fokussiert sein und die Unternehmen müssen ihre wichtigsten Risiken identifizieren und verstehen. Dann können sie zum Beispiel unter Anwendung forensischer Datenanalysen massgeschneiderte und effiziente Massnahmen ergreifen. Unabhängig vom Sektor spielt die Technologie eine zentrale Rolle bei der Ermittlung der Geschäftsrisiken.» (E&Y/mc/pg)
Über die Umfrage
Zwischen November und Dezember 2012 haben unsere Forscher des globalen Marktforschungsinstituts Ipsos per Telefon, Online oder persönlich 3’459 Interviews durchgeführt. Befragt wurden Mitarbeitende grosser Unternehmen in 36 Ländern Europas, des Nahen Ostens und Afrikas sowie in Indien, um ihre Ansichten zum Thema Betrug, Bestechung und Korruption zu erfahren.