Von lokalen EU-Absatzmärkten zu globalen Wachstumsmärkten

Von lokalen EU-Absatzmärkten zu globalen Wachstumsmärkten

Michael Neubert.

Zürich – KMUs in Europa haben die Länderrisiken der einzelnen EU-Mitgliedsländer unterschätzt und leiden heute unter den Auswirkungen der Staatsschuldenkrise. Nur eine konsequente Neuausrichtung der Auslandsstrategie führt zurück in die Erfolgsspur.

Von Michael Neubert

Das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft – die Automobilindustrie – zeigt eindrucksvoll, dass Unternehmen mit einer starken Position in globalen Wachstumsmärkten Umsatzrekorde und Gewinnsteigerungen einfahren, während Unternehmen mit einem Fokus auf die nahen EU-Absatzmärkte unter nachhaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen leiden. Die Staatsschuldenkrise Europas wird somit besonders für KMUs, die vor allem in die EU exportieren zum Bumerang. Nur eine konsequente Neuausrichtung der Auslandsstrategie führt zurück in die Erfolgsspur. Entscheidend ist dabei eine professionelle Umsetzung mit bewährten Methoden, um nachhaltig neue Kunden in neuen internationalen Märkten mit vertretbaren Risiken und kontrolliertem Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen zu gewinnen.

Globalisierung statt Regionalisierung
KMUs expandieren meistens in Länder der Europäischen Union. Mittels Export, Lizenzvergabe oder auch einer eigenen Vertriebsorganisation eröffnete sich mit überschaubarem Aufwand ein riesiger, weitgehend homogener Wirtschafts- und Währungsraum. Die einzelnen Länderrisiken spielten abgesehen von kulturellen und sprachlichen Hürden gerade für (indirekte) Exporteure nur noch eine nachrangige Rolle. Mit der Staatsschuldenkrise rückt das Länderrisiko wieder stärker in den Fokus. Rückläufige Absatzzahlen, ein erhöhter Margen-, Steuer- und Abgabendruck sowie Abschreibungen auf Forderungen staatlicher und privater Schuldner reduzieren die Marktattraktivität nicht nur der GIPS in Südeuropa nachhaltig. So erreicht die rasant ansteigende Korruption in Griechenland mittlerweile das Niveau Kolumbiens und Dschibutis. Auch die Entwicklung des BIP geht genau in diese Richtung. KMUs müssen somit schnell handeln, um einen weiteren Verlust von Erträgen und Vermögenswerten zu vermeiden. Die nun notwendige Globalisierung statt Regionalisierung oder die Fokussierung auf globale Wachstumsmärkte statt lokale EU-Absatzmärkte erfordert eine deutliche Professionalisierung des internationalen Managements. Die zunehmende Komplexität können Auslandsmanager nur mittels erprobter und einfach zu verwendender Tools erfolgreich bewältigen.

Company2NewMarket® – professionelle Markterschliessung
Die Markterschliessungprozess company2newmarket® ist ein Beispiel für die zunehmende Professionalisierung des internationalen Managements. Durch seine Anwendung finden Unternehmen neue Kunden in neuen internationalen Märkten schneller, mit weniger Ressourcen und weniger Risiken. Der Prozess ist in vier logische Schritte (= Steps) unterteilt, die jeweils aus einer Vielzahl von Aufgaben (= Tasks) bestehen, die durch standardisierte Werkzeuge (= Tools) abgearbeitet werden. Erst mit der vollständigen Abarbeitung eines Steps und der Erreichung der jeweiligen Milestones und Ziele beginnt der Auslandsmanager mit dem nächsten Step. Damit ist die Führung und die Erschliessung einer Vielzahl unterschiedlicher Märkten einfacher, weil sie vergleichbarer, effizienter sowie transparenter ist und Komplexität reduziert wird.

Step 1: Marktbewertung und Marktauswahl
Ziel von Step 1 ist die Auswahl attraktiver Auslandsmärkte für das eigene Unternehmen. Basierend auf der eigenen Wettbewerbsstärke, den eigenen Kompetenzen, Ressourcen und Wettbewerbsvorteilen werden Ländermärkte in einem drei-stufigen Filter mit unternehmensspezifischen Kriterien untersucht. Ergebnis ist eine Länderliste der attraktivsten Zielmärkte.

Step 2: Marktvorbereitung
Ziel von Step 2 ist die Vorbereitung des Markteintritts der in Step 1 ausgewählten Zielmärkte. Dabei werden vor allem operative Fragen wie zum Beispiel nach Standorten, Mitarbeitern, Produkten, Prozessen und der Unternehmensgründung beantwortet. Ergebnis ist ein vollständiger und umsetzbarer Business und Finanzplan.

Step 3: Markteintritt
Ziel von Step 3 ist die praktische Umsetzung des Geschäftsmodells im Markt und der Nachweis der Effizienz und Profitabilität der Kernprozesse beziehungsweise für einen Exporteuer die Durchsetzung der eigenen Preisvorstellungen. Dabei helfen oftmals bestehende internationale Kunden, die man bereits im Heimatmarkt bedient und bestehende Mitarbeiter mit einer kulturellen Bindung an das neue Zielland.

Step 4: Marktentwicklung und Marktwachstum
Ziel von Step 4 ist Wachstum zur Erreichung der gewünschten Marktposition sowie der geplanten Umsatz- und Gewinnziele. Dafür stehen alle internen und externen Marktwachstumsformen zur Verfügung. Dies beinhaltet auch den Aufbau lokaler Organisationsstrukturen, die Lokalisierung des Managements sowie die Integration in die Führungs- und Kommunikationsstrukturen des Gesamtunternehmens.

Neuausrichtung der Auslandsstrategie
Die Neuausrichtung der Auslandsstrategie beruht auf drei Säulen. Zunächst wird in einem Assessment die aktuelle Situation der Auslandsgesellschaften analysiert. Hieraus wird eine marktspezifische Vorgehensweise abgeleitet und diese mit wissenschaftlich und praktisch erprobten Instrumenten wie dem oben beschriebenen Markterschliessungsprozess „company2newmarket®“ professionell umgesetzt.

Reduktion von Risiken und Schutz der Vermögenswerte
In Ländermärkten mit einer sinkenden Marktattraktivität (Bsp.: GIPS und Teile von MENA) steht die Sicherung von Vermögenswerten im Vordergrund. Eine Alternative ist der Verkauf der Tochtergesellschaft – mit oder ohne call-option – an das lokale Management (= MBO). Damit wird der Marktzugang weiterhin sichergestellt, werden Risiken reduziert und Ressourcen für Wachstumsmärkte frei. Weitere Alternativen sind die Auflösung von lokalen Lagern und Konten (= cash-pooling) oder der Kostenabbau durch Zentralisierung und den Einsatz innovativer Technologien.

Ausrichtung der Ressourcen auf globale Wachstumsmärkte
Die frei werdenden Ressourcen werden in die Erschliessung neuer globaler Wachstumsmärkte investiert. Diese unterscheiden sich in Abhängigkeit von Branche und Geschäftsmodell. Unter der Marke „Growth8“ werden die wachstumsstärksten Ländermärkte Brasilien, Russland, Indien, China, Südkorea, Indonesien, Mexiko, und die Türkei, die jeweils einen Anteil von mindestens eine Prozent am Welt-BSP aufweisen, zusammengefasst. Der Markteintritt sollte schrittweise erfolgen, beginnend mit risikoarmen Markteintrittsformen wie Export und Auftragsfertigung bis hin zur Gründung eigener Vertriebsgesellschaften und Fabriken. In der Markteintrittsphase empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern und den staatlichen Aussenhandelsorganisationen wie zum Beispiel der Schweizer OSEC oder den Deutschen AHKs.

Nutzung innovativer Technologien
Moderne Kommunikations- und Informationstechnologien sind ein wichtiger Treiber für den Zugang zu globalen Wachstumsmärkten. So genügt ein aussagekräftiger Internetauftritt bereits um den grundlegenden Informationsbedarf aller interessierten Anspruchsgruppen global zu befriedigen. Mit einem ergänzenden Webshop können Kunden sich weltweit über Produkte und Dienstleistungen inklusive deren Spezifikationen informieren und über soziale Medien mit den jeweiligen Ansprechpartnern vernetzen. Entscheidend ist die Integration der einzelnen Kommunikationsinstrumente zur optimalen Unterstützung des Auslandsmanagers, weil in den meisten Kulturen immer noch der persönliche Kontakt entscheidet.

Nutzung rechtlicher Gestaltungsspielräume
Die Sicherung der eigenen globalen IP Rechte und deren Zusammenfassung in einer Gesellschaft an einem geeigneten Standort eröffnet zusätzliche Erlöspotentiale durch Lizenzierung an eigene und fremde Unternehmen und schützt – zumindest ansatzweise – vor unkontrolliertem Kopieren. Daneben ist das aktive Management von Haftungsrisiken entscheidend für das Überleben eines Unternehmens. Falls es sich nicht durch geeignete Massnahmen wie zum Beispiel Versicherungen vermeiden lässt, darf es zumindest nie den Unternehmenskern gefährden.

Fazit
Die Musik spielt woanders. Das globale wirtschaftliche Gleichgewicht verschiebt sich. Das hat mittlerweile jedes Unternehmen erkannt. Ausharren im Heimatmarkt ist keine Alternative. Gefragt sind klare Entscheidungen sowie ein konsequentes und professionelles Handeln auf dem Weg zu globalen Wachstumsmärkten beziehungsweise zur Anpassung an die neuen Realitäten. Viele KMUs sind als „hidden champion“ zum weltweiten Marktführer in ihrer Nische geworden, weil es ihnen gelang, neue internationale Märkte schneller und effizienter zu erschliessen als ihre Mitbewerber. Internationale Markterschliessung wurde somit zu einer Kernkompetenz und einem nachhaltigem Wettbewerbsvorteil. Erfolgreiche Beispiele gibt es genug. Jetzt gilt es, diese Erfahrungen auf das eigene Unternehmen zu übertragen, um auch zu den Siegern dieser neuen Globalisierung zu gehören.

Fallstudie KMU Schweiz – von lokalen Absatzmärkten zu globalen Wachstumsmärkten
Ein Schweizer KMU mit knapp 300 Mitarbeitern aus der Chemieindustrie ist bereits erfolgreich im Ausland tätig. Die wichtigsten Zielmärkte sind immer noch Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich und England. Hier ist man mit lokalen Verkaufsniederlassungen präsent, die Verkauf, Service und auch Montage anbieten. In allen anderen EU-Märkten arbeitet man mit Importeuern zusammen (= indirekter Export). Seit der Staatsschuldenkrise gehen die Umsätze und Margen in den lateinischen Auslandsmärkten zurück. Die Zahlungsmoral der Kunden wird deutlich schlechter. Hinzu kommt der Liquiditätsbedarf der Auslandstöchter in diesen Märkten, die durch die Krise in die Verlustzone gerutscht sind.

Das Management hat sich nun entschieden, die jeweiligen Tochtergesellschaften an das lokale Management im Rahmen eines MBO zu verkaufen. In diesem Exitprozess wird zunächst die „Stand-alone“-Fähigkeit der Tochtergesellschaft verbessert, unter anderem durch einen langfristigen Zusammenarbeitsvertrag mit dem Mutterunternehmen. Damit wird einerseits der bestehende Umsatz gesichert, wertvolles Kapital zurückgeholt und die Risiken werden reduziert. Alternativ können Töchter auch an einen Importeur oder im Rahmen eines MBI verkauft werden. Falls ein Verkauf nicht möglich ist, empfiehlt sich der Wechsel zur Markteintrittsform Export oder eine Reduktion der Kostenstruktur. Das frei gewordene Kapital wird nun in die Erschliessung globaler Wachstumsmärkte investiert. Hier konnte bereits der Markteintritt nach Russland und in die Türkei realisiert werden sowie der Aufbau einer Tochtergesellschaft in Polen. Dabei waren vor allem bestehende internationale Kunden und Mitarbeiter mit kulturellen Wurzeln in den jeweiligen Zielmärkten eine grosse Unterstützung.

Michael Neubert
hat an internationalen Privatuniversitäten studiert und promoviert. Er ist Autor, Experte und Universitätsdozent im Bereich der internationalen Markterschliessung. In knapp 20 Jahren Berufserfahrung hat er eine Vielzahl von Unternehmen erfolgreich in mehr als zehn Auslandsmärkte geführt. Dabei hat er Funktionen vom Projektleiter über den CEO einer Auslandsgesellschaft bis zum Leiter der Auslandsabteilung / Aufsichtsrat von Auslands-Tochtergesellschaften ausgeübt. Michael Neubert spricht sechs Sprachen und hat in sieben Ländern gelebt. Sein Wissen und seine Erfahrungen hat er in seinem Buch „Internationale Markterschliessung“ zusammengefasst, welches 2011 in der 3. Auflage erschienen ist.

Symbolbild Buch Neubert

Internationale Markterschliessung
Vier Schritte zum Aufbau neuer Auslandsmärkte

3. aktualisierte und erweiterte Auflage 2011

368 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-86880-129-3
mi Wirtschaftsbuch (Münchner Verlagsgruppe),
EUR 49,95 / CHF 66,90

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