Zürich – Sterne durchlaufen Lebenszyklen. Sie entstehen, wenn Gaswolken und Staub im All aufeinandertreffen, sich aufgrund der Schwerkraft verdichten und aufheizen. Sterne brennen dann über Jahrmillionen oder gar Milliarden Jahre, ehe sie sterben und dabei Staubpartikel ins All schleudern. Diese tragen wiederum zur Entstehung neuer Sterne, Planeten, Monde und Meteoriten bei.
In einem solchen Meteorit, der vor 50 Jahren in Australien niederging, entdeckten Forschende vom Field Museum, der Universität Chicago, der ETH Zürich und weiteren Hochschulen nun Sternenstaub, der vor fünf bis sieben Milliarden Jahren entstanden war – der älteste Feststoff, der bisher auf der Erde gefunden wurde. Die Resultate der Studie wurden soeben im Fachmagazin PNAS veröffentlicht.
Zeitkapsel Meteorit
Die Materialien, die Erstautor Philipp Heck vom Field Museum und von der Universität Chicago und seine Kollegen untersuchten, wurden vor der Geburt unserer Sonne gebildet und später, nach ihrer Geburt, in Meteoriten eingeschlossen. Auf diese Weise wurden sie über Milliarden von Jahren konserviert und macht sie zu Zeitkapseln, die Auskunft über die Zeit vor der Entstehung unseres Sonnensystems geben.
Die Staubpartikel, welche die Fachleute als präsolare Körner bezeichnen, sind allerdings nur sehr schwer zu finden. Einerseits sind sie sehr selten: Nur in jedem 20. Meteoriten, der auf die Erde fällt, sind welche verborgen. Und die Körner sind höchstens wenige Mikrometer gross.
Der sogenannte Murchison-Meteorit, der 1969 in Victoria, Australien, aufschlug, entpuppte sich als wahre Schatzkiste. Aus ihm konnten Wissenschaftler an der Universität von Chicago bereits vor 30 Jahren präsolare Körner isolieren. Diese wurde nun genauer auf ihr Alter und ihre Herkunft untersucht.
Kosmische Strahlung lässt Edelgase entstehen
Für die Altersbestimmung nutzten die Forscher den Umstand, dass der Meteorit auf seiner Reise durchs All kosmischer Strahlung ausgesetzt war. Diese interagiert mit der Materie und bildet neue Elemente, in dem Fall seltene und daher gut nachzuweisende Edelgase. Je länger der Meteorit der kosmischen Strahlung ausgesetzt ist, desto mehr dieser Elemente häufen sich in ihm an.
Anhand dieser Spurenelemente fanden die Forscher heraus, dass einige der isolierten präsolaren Körner 4,6 bis 4,9 Milliarden Jahre alt sein müssen, einige sogar älter als 5,5 Mia. Jahre. Damit sind die Körner älter als unsere Sonne, die ca. 4,6 Mia. Jahre alt ist. Die Erde ist «nur» 4,5 Mia. Jahre alt.
Die Körner geben zudem auch Auskunft über das Leben und Sterben von Sternen. So folgern die Forscher aus ihren Erkenntnissen, dass sich vor sieben Milliarden Jahren besonders viele neue Sterne gebildet haben mussten.
«Wir zählten mehr junge Körner als erwartet», erklärt Heck. Er vermutet deshalb, dass die Mehrzahl der Körner mit einem Alter von 4,6 bis 4,9 Mia. Jahren von Sternen stammen, die vor etwa 7 Milliarden Jahren in einer Periode verstärkter Sterngeburten entstanden und etwa 2 Milliarden Jahre später ihr Lebensende erreichten. Sterne mit einer solchen Lebensdauer haben etwa doppelt so viel Masse wie unsere Sonne und produzieren daher besonders viel Staub, wenn sie sterben. Dieser Staub wurde nach dem Tod ihrer – zahlreicher vorhandenen – Muttersterne ins All ausgestossen und dort von der kosmischen Strahlung getroffen.
Schwankt die Zahl neugebildeter Sterne?
Damit befeuern die Wissenschaftler eine alte Debatte, ob neue Sterne mit einer konstanten Rate entstehen oder ob die Zahl neugebildeter Sterne periodisch schwankt. «Dank der Körner haben wir einen direkten Beweis, dass die Neubildung von Sternen vor 7 Mia. Jahren überdurchschnittlich gross war», sagt der Forscher. «Die Geburtenrate von Sternen scheint also eher zu schwanken als konstant zu sein.»
Ihre Analysen an den präsolaren Körnern führten die amerikanischen Wissenschaftler zur Hauptsache an der ETH Zürich durch. Das Departement Erdwissenschaften verfügt über ein weltweit einzigartiges Messgerät, das Massenspektrometer «Tom Dooley». Es wurde spezifisch für die Messung von kleinsten Gasmengen konzipiert und ist das einzige Instrument, welches Edelgase in einzelnen präsolaren Körnern messen kann.
Heck doktorierte von 2002 bis 2005 an der ETH bei Professor Rainer Wieler und sammelte an diesem Gerät Erfahrung bei der Messung von Edelgasen in präsolaren Körnern. Dank einer langjährigen Zusammenarbeit mit Wieler und seit dessen Pensionierung mit Henner Busemann konnte Heck «Tom Dooley» für die Messungen nutzen.
Kommerziellen Unternehmen ist es bis heute nicht gelungen, ähnlich präzise Geräte zu entwickeln. «Kollege Heck kennt die Maschine und ihre Vorzüge von seiner Doktoratszeit her. Hätten die Amerikaner ein vergleichbar genaues Gerät, wären sie kaum nach Zürich gekommen für ihre Messungen», sagt Busemann schmunzelnd. (ETH/mc/pg)