VP Bank: China – Ein sinkender Stern?

VP Bank: China – Ein sinkender Stern?
(Adobe Stock)

China galt bisher als Wachstumsgarant. Doch die Aussichten haben sich verschlechtert.

Kernpunkte

  • Erstmals seit über 30 Jahren wächst China langsamer als die Weltwirtschaft
  • Drei Entwicklungen lasten auf dem mittel- und langfristigen Wachstumsausblick
  • Das Risiko China sollte im Portfolio überprüft werden

Vaduz – Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für China im laufenden Jahr ein Wachstum von nur 3.2 % nach 8.1 % im Vorjahr. Damit wächst die Volksrepublik erstmals seit über 30 Jahren langsamer als die Weltwirtschaft. Kurzfristig ist diese Entwicklung auch eine Auswirkung der Nulltoleranz-Politik bei der Bekämpfung des Coronavirus in Form von harten Lockdowns.

Doch lässt sich das historisch schwache Wachstum nicht nur auf die Covid-Politik reduzieren. Die Probleme stecken tiefer, und aus unserer Sicht sind es drei Entwicklungen, welche auf dem mittel- und langfristigen Wachstumsausblick lasten: der Immobilienmarkt, eine neue politische Agenda und die geopolitische Neuausrichtung. Es wird Zeit, das Risiko China im Portfolio zu überprüfen. 
Immobilienmarkt: Vom Rücken- zum Gegenwind

Der Immobilienmarkt war in den vergangenen Jahren eine wichtige Stütze des Wachstums. Schätzungen zufolge entfällt fast ein Drittel des Bruttoinlandprodukts auf diesen Sektor. Die explodierende Verschuldung und der Umstand, dass Wohneigentum für viele Chinesen unerschwinglich wurde, veranlasste Chinas Führung vor zwei Jahren zu einem Kurswechsel. Seither kühlt sich der Markt ab, die Immobilienpreise steigen nicht mehr, im Oktober wurden im Jahresvergleich 23 % weniger Immobilien verkauft und 38 % weniger gebaut. 

Konkurse von überschuldeten Immobilienentwicklern werden zugelassen und dürften weiter zunehmen. Die Ratingagentur S&P Global schätzt, dass sich rund 40 % der chinesischen Immobilienentwickler in finanzieller Schieflage befinden. Zwar versuchen die Behörden, den Markt mit verschiedensten Massnahmen zu stabilisieren, doch solange das Vertrauen potenzieller Investoren nicht zurückkehrt, dürfte sich die Korrektur fortsetzen und die Konjunktur belasten.
Politische Agenda

Das Eingreifen am Immobilienmarkt ist nicht das einzige Beispiel für einen weniger wirtschaftsfreundlichen Kurs. So wurden auch neue regulatorische Vorschriften eingeführt, um die Macht der grossen Technologie-Konzerne und ihrer Eigentümer zu beschneiden. Das prominenteste Beispiel dafür ist der von Regulatoren nicht erlaubte Börsengang von Ant Group, der Fintech-Tochter des Alibaba-Konzerns. Unter eine «Re-Priorisierung» litten auch der eLearning- und Gaming-Sektor (siehe diesen Artikel hier). 

Die jüngst am 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas beschlossene Umbildung der Führungsmannschaft dürfte daran wenig ändern. Im Gegenteil: Präsident Xi Jinping hat seine Macht zementiert, was sich in der Besetzung des Zentralkomitees zeigt. Dort sollen wirtschaftsfreundliche Kräfte gegenüber Xis Gefolgsleuten das Nachsehen gehabt haben.

Das Reich der Mitte dürfte zwar weiterhin grosses Interesse haben, ein wichtiger Teil der Weltwirtschaft zu sein. Doch es ist derzeit fraglich, ob die Reform- und Öffnungspolitik der letzten Jahrzehnte weiter verfolgt wird. Viel mehr dürfte Xi den Staat weiter stärken, und versuchen, ein weniger marktwirtschaftlich orientiertes Gegenmodell zum westlichen Kapitalismus zu bilden. 

Geopolitische Neuausrichtung
Nicht nur innerhalb Chinas zeigen sich Risse, auch im Aussenverhältnis bestehen Spannungen. Der vom früheren US-Präsidenten Donald Trump losgetretene Handelskrieg gegen China ist vielleicht etwas in den Hintergrund getreten, ist aber weiterhin in Gang. 

Der aktuelle Präsident Joe Biden mag andere Worte verwenden, in der Sache verfolgt er einen unverändert harten Kurs. Dies belegen die im Oktober von Washington erlassenen Exportrestriktionen für Hochleistungschips. Was die US-Halbleiterindustrie schützt, wirft Chinas Technologie-Unternehmen um Jahre zurück. China droht mit Vergeltungsmassnahmen. Das Beispiel zeigt, China stösst mit seiner in der Strategie «Made in China 2025» formulierten Ambition, in zehn Schlüsseltechnologien weltweit führend zu werden, auf Gegenwehr. Als Werkbank der Welt war China ein willkommener Partner des Westens, doch nicht als direkter Konkurrent. Gerade die USA verteidigt ihre Vormachtstellung mit aller Kraft.
Auswirkungen auf den Aktienmarkt

Nachdem der chinesische Aktienmarkt im ersten Jahr der Corona-Pandemie sowohl den globalen Aktienindex wie auch die anderen Schwellenländer-Börsen hinter sich gelassen hatte, verlor der Markt zunehmend den Anschluss. Während sich der Westen und viele Schwellenländer mit dem Coronavirus arrangiert haben, lastet Chinas Lockdown-Politik auf dem Aktienmarkt. Heute liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (auf Basis der Gewinne der kommenden zwölf Monate) knapp über 9. Der Bewertungsabschlag gegenüber dem globalen Aktienmarkt hat sich somit auf 38 % ausgeweitet, es ist also viel Negatives eingepreist.

Eine Lockerung der strikten Null-Covid-Politik würde sicher gut aufgenommen. Ein Paket mit 20 Lockerungsmassnahmen wurde zwar kürzlich verkündet, wie beispielsweise eine Verkürzung der Quarantäne, die Reduzierung der Massentests und die Abschaffung des Covid-Flugverbots. Weitere Lockerungen werden kolportiert. Auch von der Immobilienfront werden positive Nachrichten erwartet, nachdem in den Staatsmedien Pläne der Regierung, die Immobilien-Entwickler zu stabilisieren, durchgesickert sind.

Solche Nachrichten würden zu Kursavancen führen. Doch allzu stark dürfte die Erholung nicht ausfallen. Angesichts der aktuell rasch ansteigenden Covid-Fallzahlen ist eine Abkehr von der Nulltolleranz-Politik fraglich. Ebenso fraglich ist, ob eine Unterstützung der Immobilienentwickler ausreicht, das Vertrauen der Bürger in den Häusermarkt wiederherzustellen. Dies dürfte länger brauchen.

Handlungsbedarf für Anleger?
Anleger sind meist auf zwei unterschiedliche Arten gegenüber China exponiert. Indirekt mit Anlagen in Schwellenländern, und direkt, über Unternehmen in Europa oder in den USA, die ihre Produkte und Dienste in China verkaufen.

Schwellenländer-Investment: Während chinesische Emittenten in den internationalen Anleihen-Indizes kaum vertreten sind, dominiert China auf der Aktienseite mit einem Anteil von 28 % den Schwellenländer-Referenzindex MSCI Emerging Markets. Weil chinesische Aktien im internationalen Vergleich mit einem Bewertungsabschlag handeln, ist auch dieser Index betroffen. Mehr noch: wegen des hohen China-Anteils lassen Anleger die Hände von Schwellenländerinvestments. Jedoch dürften südostasiatische Staaten zumindest teilweise von den eingetrübten China-Aussichten profitieren. Aufgrund des bereits eingepreisten Pessimismus können Anleger an der Beimischung von Schwellenländer-Anlagen festhalten. Anleger, die ihre Schwellenländer-Quote einzig mit China abdecken, sollten jedoch breiter investieren.

China als Absatzmarkt: Der indirekte Bezug über westliche Unternehmen, welche in China oder nach China verkaufen, ist weniger offensichtlich. Europäische Unternehmen sind im Schnitt stärker exponiert als amerikanische. Aber auch in den USA finden sich Unternehmen mit grossem China-Geschäft. Aufgrund der hohen Wachstumsdynamik galt dies bisher als strategischer Vorteil, für den Anleger bereit waren, höhere Bewertungen zu bezahlen. Titel von Unternehmen mit grossem China-Geschäft, die trotz der diesjährigen Korrektur vergleichsweise hoch bewertet sind, drohen künftig hinter den Erwartungen zurückzubleiben. Anleger sollten darum den jeweiligen Investment Case prüfen und ein zu hohes Gewicht in diesen Titeln vermeiden. Eine Reduktion bietet sich vor allem an, wenn Aktien mit China-Bezug von einer stimmungsgetriebene Erholungsrallye profitieren.

Unternehmen mit bedeutendem China-Bezug
Bei der Analyse von China-Risiken von einzelnen Unternehmen gibt es zwischen den verschiedenen Sektoren grosse Unterschiede. Für die Rohstoff-Branche ist das Reich der Mitte einer der wichtigsten Absatz-Märkte. Ähnliches gilt für die Halbleiter-Industrie, wobei die Chips primär für Güter verbaut werden, die wiederum von China in andere Länder exportiert werden. Die US-Sanktionen in diesem Bereich dürften daher das Geschäft belasten, doch die Fertigung der betroffenen Güter könnte in andere Länder verlagert werden, was den negativen Effekt für die internationalen Unternehmen reduziert. 

Innerhalb des zyklischen Konsums weist das Luxusgüter-Segment einen hohen China-Absatz aus. Die meisten Unternehmen wie Hermes, Burberry, Pernod Ricard, Kering oder LVMH weisen allerdings ihren China-Umsatz nicht separat aus, sondern nur als Teil von Asien. Während sich die Situation der starken Marken im Luxus-Segment aktuell vergleichsweise stabil zeigt, bekunden Marken ohne Premium-Status, wie etwa die Sportartikelhersteller Nike und Adidas grosse Mühe. Für Chinas Mittelklasse gelten solche Produkte als erschwinglicher Luxus. Aber selbst in Sektoren, die im Schnitt einen niedrigen Teil des Umsatzes mit China erwirtschaften, finden sich Unternehmen mit erhöhter Exponierung. (VP Bank/mc/ps)

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