VP Bank – Hinter der Schlagzeile: Keine Entwarnung

Bernd Hartmann

Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist) VP Bank. (Foto: VP Bank)

Von Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist) VP Bank

Vaduz – Die Kursverluste im ersten Halbjahr sowohl bei Aktien als auch bei Obligationen haben der Anlegerstimmung zugesetzt. Am US-Aktienmarkt waren die ersten sechs Monate das schwächste Halbjahr seit den 1970-er-Jahren. In solch einem Umfeld braucht es nicht viel, damit an den Märkten eine Gegenbewegung einsetzt, wie in den letzten Wochen.

Doch nicht jede Gegenbewegung ist kräftig genug, um weiterzugehen. Somit könnte sich die aktuelle Kurserholung als Bärenmarkt-Rallye entpuppen, also als Gewinnstrecke in einem insgesamt abwärts tendierenden Markt.

Besser als erwartet…
Auslöser für die Erholung der letzten beiden Monate war ein Mix aus positiven, oder besser gesagt weniger negativen Nachrichten:

Die Nachrichtenlage hat sich somit nicht weiter verschlechtert. So konnte der globale Aktienmarkt (MSCI Welt in USD) seit seinem Jahrestief Mitte Juni rund 12 % zulegen und die Hälfte seines zwischenzeitlichen Jahresverlustes aufholen. Parallel dazu konnten auch dank fallender Renditen Staatsanleihen wieder etwas Boden gut machen. Getrieben wurde die Kurserholung durch eine neue Erwartungshaltung der Investoren:

… aber auch gut genug?
Wir sind skeptisch, ob die optimistische Interpretation von vielen Marktteilnehmern überhandnimmt. Selbst wenn der Preisanstieg ausläuft, die Teuerung zehrt an den Haushaltseinkommen, es gibt für gleichviel Geld weniger zu kaufen.

Der Arbeitsmarkt ist äusserst robust, jedoch ein nachgelagerter Indikator. Darum stützt zwar die weiter zunehmende Anzahl Arbeitnehmer den Konsum, doch aus den Daten lässt sich keine Prognose ableiten. Denn die Verschlechterung der Stimmung bei den Unternehmen wirkt sich erst zeitverzögert auf Neueinstellungen aus.

Eindrücklich waren die Zahlen der Unternehmen zum zweiten Quartal. Die Berichtssaison zeigte eine starke Preisdurchsetzungsmacht der Unternehmen, doch in den kommenden Quartalen werden die negativen Effekte, wie steigende Lohnkosten sowie schwächere Nachfrage und Kaufkraft die Ergebnisse stärker beeinflussen. Im ersten Halbjahr haben die Unternehmen zudem von einem hohen Auftragsbestand profitiert.

Kurzum gehen wir davon aus, dass die US-Notenbank Fed gegen Jahresende eine Zinspause einlegen wird. Aber Zinssenkungen Anfang 2023 sehen wir nicht, weil die Teuerung sich nicht so schnell zurückbilden, sondern erhöht bleiben wird. Um hartnäckige Zweitrundeneffekte zu verhindern, wird die Fed im Zweifel der Bekämpfung der Inflation gegenüber konjunkturstützenden Massnahmen den Vorzug geben. Erst wenn dieser Kurs nachhaltigen Erfolg zeigt, dürfte die Geldpolitik wieder gelockert werden.

Die Hoffnung der Anleger, dass die Notenbanken zu Hilfe eilen, dürfte somit verfrüht sein. Die Liquiditätsversorgung an den Finanzmärkten wird weiter zurückgehen. Im September wird die Fed ihre Bilanz mit dem doppelten Betrag kürzen.

Somit glauben wir, dass es sich bei der Kurserholung der letzten Wochen um eine Bärenmarkt-Rallye handelt. Die Erholung dürfte daher nicht geradlinig weiter verlaufen. Weitere Rückschläge sind wahrscheinlich und die Kursschwankungen dürften zunehmen. Wir empfehlen Anlegern weiterhin defensiv positioniert zu bleiben. (VP Bank/mc/ps)

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