VP Bank Spotanalyse Deutschland: Inflationsrate im September – jetzt über 4 %
Deutschland: Inflationsrate – auf Niveaus des Jahres 1993
Die Inflationsrate steigt einer vorläufigen Schätzung zufolge im September von 3.9 % auf 4.1 %.
Man muss lange zurückblicken, ehe eine Inflationsrate von über 4 % auftaucht. Zuletzt wurden solche Niveaus im Jahr 1993 gemessen. Beim aktuellen Inflationsanstieg spielen nach wie vor die im Jahresvergleich deutlich höheren Energiepreise eine zentrale Rolle. Rund die Hälfte des Teuerungsanstieges entfällt auf den Faktor Energie. Doch auch im Dienstleistungsbereich kam es zu Preiserhöhungen. Die breitflächige Öffnung des Freizeit-und Gaststättensektors nach den Corona-Beschränkungen wurde auch zu Preisanpassungen genutzt. Auch die temporäre Senkung der Mehrwertsteuersätze im zweiten Halbjahr 2021 trägt zur Teuerung bei. Letztendlich spielt bei den höheren Verbraucherpreisen auch die Knappheit vieler Güter eine Rolle. Eine starke Nachfrage bei gleichzeitig knappem Angebot treibt viele Preise nach oben. Dies gilt derzeit beispielsweise für den Gebrauchtwagenmarkt. Da Neuwagen aufgrund von Lieferschwierigkeiten einzelner Komponenten fehlen, weichen Verbraucher jetzt vermehrt auf Gebrauchtwagen aus.
Die deutsche Inflationsrate wird in den verbleibenden Monaten diesen Jahres sogar die Schwelle von 5 % durchbrechen. Im kommenden Jahr werden dann jedoch die Teuerungsraten deutlich sinken. Es ist deshalb nicht die Frage, ob die Inflationsraten fallen werden, sondern vielmehr auf welchen Niveaus sich die Teuerungsraten im kommenden Jahr einpendeln werden. Hierbei kommt dem deutlich gestiegenen Gaspreis eine entscheidende Rolle zu. Anders als bei steigenden Ölpreisen machen sich höhere Gaspreise erst mit einer deutlichen Verzögerung in der Inflationsrate bemerkbar. Das liegt unter anderem an den Vertragsbindungen. Die gestiegenen Gaspreise schlagen sich also nicht unmittelbar, sondern erst im kommenden Jahr in der Inflationsrate nieder. Damit ist aber schon jetzt klar, dass sich die Inflationsrate im Jahr 2022 auf höheren Niveaus einpendeln wird als ursprünglich zu erwarten war. Erschwerend kommt hinzu, dass uns die Knappheitsproblematik ebenfalls noch länger länger als ursprünglich gedacht begleiten wird.
Die EZB fühlt sich in Anbetracht der Preisentwicklungen unwohl. Das wurde bereits bei der letzten Notenbanksitzung deutlich. EZB-Chefin Christine Lagarde benutzte während der Pressekonferenz ungewöhnlich häufig das Wort «Inflationsrisiken». Mit dem jüngsten Energiepreisanstieg ist der Ton für die nächste Zinssitzung bereits angestimmt. Lagarde wird ihre hawkishe Wortwahl wohl vermutlich noch verstärken. An eine Verlängerung des Pandemie Notfallankaufprogramms der EZB über den März 2022 hinaus ist derzeit wohl nicht zu denken. Die EZB muss klare Zeichen setzen, um frühzeitig gegen die steigende Inflationserwartungen anzugehen.