Von Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Einer ersten Schätzung zufolge schrumpft die deutsche Wirtschaft um 0.1% im zweiten Quartal gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres.
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Das reale Bruttoinlandsprodukt stagniert seit dem Jahr 2022. Im zweiten Quartal geht es nun erneut leicht in den Rückwärtsgang. Nach Angaben des Statistischen Bundesamt dämpften insbesondere rückläufige Ausrüstungsinvestitionen und die Bauwirtschaft den BIP-Zuwachs.
Es läuft bereits seit einiger Zeit nicht alles rund in der grössten Volkswirtschaft der Eurozone. Da sind zunächst externe Faktoren zu nennen. Der schwache Welthandel ist für die industrielastige deutsche Wirtschaft eine Bürde. Aber auch der Inflationsschock der vergangenen Jahre hinterlässt tiefe Narben beim privaten Konsum. Die Kaufkraft der privaten Haushalte wurde geschmälert. Und mehr noch, die Nach-Corona-Ära ist von einem hohen Reisebedürfnis geprägt. Profiteur sind die Reisedestinationen entlang des Mittelmeers. Die Deutschen tragen also ihren Konsum zu einem Teil ins Ausland.
Im Zuge der deutlich gestiegenen Zinsen kam schliesslich die Bauwirtschaft unter die Räder. Gleichzeitig macht sich mit dem demografischen Wandel ein struktureller Belastungsfaktor immer deutlicher bemerkbar. Gerade im Dienstleistungssektor müssen viele Betriebe aufgrund fehlender Arbeitskräfte schließen. Diese Effekte wiegen schwer. Eine schwache wirtschaftliche Entwicklung ist deshalb alles andere als abwegig.
Allerdings gelingt es derzeit auch nicht binnenwirtschaftliche Impulse dagegen zu halten. Grösstes Wachstumsprogramm wäre wohl der vielzitierte Bürokratieabbau, der trotz vieler Bekundungen nicht gelingen mag. Der Standort Deutschland leidet darunter. So sehr also externe Faktoren derzeit auf der deutschen Volkswirtschaft lasten, so groß sind die Möglichkeiten, um binnenwirtschaftliche Impulse zu liefern.
Der schwache Welthandel, die Folgen des Inflationsschocks und des demografischen Wandels werden so schnell nicht in Wohlgefallen auflösen. Wenn gleichzeitig Reformen ausbleiben, wird der gegenwärtige Zustand von leichtem Wachstum, Stagnation und rückläufigem BIP noch geraume Zeit andauern.