Vaduz – Es ist ein EU-Gipfel für die Geschichtsbücher. Es war eines der längsten Spitzentreffen und es gab neue Fronten. Darüber hinaus wurden das grösste Haushalts- und Finanzpaket in der Geschichte der Union verabschiedet. War Deutschland einst bekannt als Sparfuchs und zugeknöpft, haben sich die Fronten verschoben. Deutschland schlug sich auf die Seite der Südländer. Die «Sparsamen Vier» bildeten nun die harte Front gegenüber den übrigen EU-Mitgliedsländern.
Das Paket umfasst insgesamt EUR 1.8 Billionen. Davon entfallen EUR 1074 Billionen auf den Haushalt der kommenden sieben Jahre und EUR 750 Mrd. auf den Aufbaufonds. Letzterer stand vor allem im Zentrum der Streitigkeiten. Sollten dabei ursprünglich EUR 500 Mrd. auf nicht rückzahlbare Zuschüsse und EUR 250 Mrd. auf Kredite entfallen, wurden aufgrund des Widerstandes der «Sparsamen Vier» das Verhältnis auf EUR 390 Mrd. Zuschüsse und EUR 360 Mrd. Kredite verändert. Die Auszahlung der Gelder wird an die Einhaltung von gemeinsamen europäischen Werten gekoppelt sein. Hierbei wird anhand einer Formel die Rechtsstaatlichkeit überprüft.
Bedenken der «Sparsamen Vier» gerechtfertigt
Der Aufbaufonds steht also, doch die Bedenken der Niederlande, Österreichs, Schwedens und Dänemarks sind durchaus gerechtfertigt. Es besteht eigentlich ein Verschuldungsverbot der EU. Die Artikel 122 und 352 des EU-Vertrages lassen im Geiste der Solidarität zwar finanzielle Massnahmen zu, ob aber ein Wiederaufbaufonds in dieses Schema passt, muss unter Umständen der Europäische Gerichtshof klären.
Auch die Kreditaufnahme an den Kapitalmärkten ist mit Fragezeichen versehen. Bislang waren Anleihegeschäfte der EU als «Spiegelgeschäfte» vorgesehen. Dabei nimmt die EU Gelder an den Kapitalmärkten auf und reicht diese an hilfsbedürftige Länder weiter. Zinsen und Tilgungen sind dann wiederum von den Empfängerländer zu tragen. Letztlich geht es also darum, dass die EU als Leumund fungiert, denn die Staatengemeinschaft als gesamtes kommt an günstigere Kreditkonditionen als die wirtschaftlich gebeutelten Empfängerländer. Die EU verleiht dabei also lediglich ihren guten Namen. Nach diesem Prinzip funktionierten bereits die Hilfspakete im Zuge der europäischen Schuldenkrise und dieses Konstrukt wird nun auch beim Kreditteil des EU-Aufbaufonds zum Tragen kommen. Dagegen gibt es keine Einwände. Gerade deshalb plädierten die «Sparsamen Vier» für einen möglichst hohen Kreditanteil.
Wenn die EU nun aber nicht rückzahlbare Zuschüsse verteilt, fliessen auch keine Zins- und Tilgungszahlungen. Ein «Spiegelgeschäft» kann in diesem Fall nicht stattfinden. Die EU bleibt im schlimmsten Falle auf diesen Schulden sitzen. Das könnte dann der Eintritt in eine Schuldenunion sein. Die «Sparsamen Vier» legen also den Finger in die Wunde.
Jetzt müssen noch das Europäische Parlament und auch die nationalen Parlamente zustimmen. Noch ist also das Paket nicht in trockenen Tüchern.
An den Finanzmärkten dürften die Ergebnisse derweil positiv aufgenommen werden. Die EU erweist in einer schwierigen wirtschaftlichen Phase Handlungsfähigkeit. Der Euro dürfte davon profitieren. (VP Bank/mc/ps)