VP Bank – Spotanalyse EZB: Arrivederci, Mario
In dieser Woche steht die letzte Notenbanksitzung unter dem Vorsitz von Mario Draghi an. Zeit also, um die denkwürdige Ära des Italieners zu würdigen.
Das Wichtigste zuerst: Ohne Draghi gäbe es den Euro vermutlich nicht mehr. Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt. Gerade in Deutschland wird gerne vergessen, dass Mario Draghi seine schützende Hand über den Währungsraum hielt. Nur zur Erinnerung: Selbst Kreditausfallprämien auf die Bundesrepublik Deutschland schossen in den Jahren 2011 und 2012 unangenehm in die Höhe.
Dem Grossmeister der geldpolitischen Rhetorik reichten drei Wörter, um im Jahr 2012 den Spekulationen um einen möglichen Kollaps der Eurozone ein Ende zu setzen. Das berühmte „Whatever it takes“ ist bereits jetzt schon fester Bestandteil der europäischen Wirtschaftsgeschichte. Mario Draghi benutzte diese vieldeutigen Wörter inmitten heftiger Turbulenzen um die europäischen Staatsfinanzen am 26. Juli 2012 auf einer Londoner Investorenkonferenz. Was in den Jahren danach passierte, wissen wir: Staatsanleiheaufkaufprogramme und Negativzinsen prägten fortan die Geldpolitik.
Zuletzt häufte sich die Kritik an Mario Draghi. Negativzinsen haben eben nicht nur Freunde sondern auch viele Feinde. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass die Kosten für Sparer im Falle eines Zusammenbruchs des gemeinsamen Währungsraumes deutlich höher ausgefallen werden. Null- oder Negativzinsen sind letztlich der Preis, den Anleger für einen vermiedenen Währungskollaps bezahlen müssen. Mario Draghi ergeht es vielleicht ein stückweit wie Joachim Löw. Auch der deutsche Bundestrainer musste zuletzt Schelte einstecken, vergessen wird oftmals dabei der Sieg der Weltmeisterschaft im Jahr 2014.
Man kann nun trefflich darüber streiten, ob die Wiederauflage des Wertpapieraufkaufprogramms und eine weitere Senkung des Negativzinsen auf der letzten Notenbanksitzung die adäquate Reaktionen auf die momentane Wachstumsabkühlung sind, doch Draghi handelt im Gegensatz zur Politik wenigstens. Gebetsmühlenartig wiederholte der Zentralbanker auf den Pressekonferenzen, dass andere Politikbereiche entschlossener dazu beitragen müssten, das längerfristige Wachstumspotenzial zu steigern, damit die geldpolitischen Massnahmen ihre volle Wirkung entfalten können. Die Politik legte zu gerne die Hände in den Schoss und überliess die Arbeit der EZB. Von breitflächigen Strukturreformen war nur im Einzelfall etwas zu sehen. Draghi stand über weite Strecken alleine im Regen. Das sollte bei vorgetragener Kritik berücksichtigt werden.
Eines steht fest: Mario Draghi war in der EZB-Historie der bislang prägendste Notenbankpräsident. Gäbe es eine Hall of Fame der EZB, das Porträt von Mario Draghi würde wohl einen zentralen Platz bekommen. (VP Bank/mc)