Von Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Die Europäische Zentralbank (EZB) tritt weiter auf die Bremse. Die Inflationsaussichten seien weiterhin zu hoch, und dies über einen zu langen Zeitraum. Ein klares Bekenntnis zu weiteren Zinserhöhungen gibt es indes nicht, vielmehr bleiben die Währungshüter bei ihrem datenabhängigen Ansatz.
Da der Inflationsdruck aber nur langsam nachlässt, wird die EZB auf ihren kommenden Sitzungen weiter an der Zinsschraube drehen müssen. Das machte EZB-Chefin Christine Lagarde an der Medienkonferenz auch deutlich, indem sie betonte, dass die Notenbank noch einen weiten Weg vor sich habe. Dies lässt darauf schliessen, dass die EZB ihre Leitzinsen im Juni erneut um 25 Basispunkte erhöhen wird.
Ein Thema stand bei der EZB – aber auch bei der US-Notenbank Fed am Vortag – häufiger im Zentrum des Interesses: Die restriktivere Kreditvergabe der Banken. Die jüngste Umfrage unter Finanzinstituten in der Eurozone zeigt, dass die Bedingungen deutlich schwieriger werden. Dies wirkt wie ein Verstärker der Geldpolitik. Die Notenbank berücksichtigt dies in ihrer geldpolitischen Entscheidung, was einer der Hauptgründe gewesen sein dürfte, weshalb der Rat der EZB lediglich einen «kleinen» Zinsschritt um 25 Basispunkte beschloss.
Die europäischen Währungshüter können ihren Leitzinserhöhungszyklus noch nicht als beendet erklären. Die Inflationsraten sind noch zu hoch. Es gibt derzeit jedenfalls kaum Argumente, die gegen eine weitere geldpolitische Straffung sprechen. Ein Argument dagegen lautet häufig, die EZB könne aufgrund der hohen Schulden in den südeuropäischen Staaten die geldpolitischen Zügel nicht zu sehr anziehen. Doch die Schuldenstände sind in Relation zum Bruttoinlandprodukt im Jahr 2022 stellenweise sogar deutlich gefallen. Und die Risikoaufschläge der südeuropäischen Staaten gegenüber Deutschen Bundesanleihen haben sich seit Beginn des Zinsanhebungszyklus reduziert. Gerade deshalb rechnen wir mit zwei weiteren Zinsanhebungen um jeweils 25 Basispunkte. (VP Bank/mc/ps)