EZB: Wachstumsrisiken bleiben – Euro ein Thema
Vaduz – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik unverändert belassen. Das war auch so erwartet worden. Die Daten würden eine starke wirtschaftliche Erholung zeigen, allerdings blieben die Unsicherheiten hoch, sagte die EZB-Präsidentin Christine Lagarde an der Medienkonferenz. Es sei nach wie vor reichlich geldpolitische Unterstützung notwendig. Die Wachstumsrisiken blieben nach unten gerichtet.
Die erneuerten EZB-Projektionen sehen ein jährliches reales BIP-Wachstum von – 8.0 % im Jahr 2020 (Juni-Projektion: – 8.7 %) vor, 5.0 % im Jahr 2021 und 3.2 % im Jahr 2022. Die Inflationsprojektion blieb für das Jahr 2020 mit 0.3 % unverändert. Für das kommende Jahr erwartet die EZB nun eine geringfügig höhere Inflationsrate von 1.0 %.
Die Aufwertung des Euro war für einige Fragen seitens der Journalisten gut. Lagarde machte mehrmals deutlich, dass die EZB kein Inflationsziel habe. Die Euro-Entwicklung sei aber dennoch für den Teuerungsverlauf von Relevanz. Insofern habe der Euro einen Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen.
Lagarde musste natürlich auch die Frage beantworten, wie sich die EZB zur neuen geldpolitischen Strategie der US-Notenbank Fed stellt. Die Fed strebt zukünftig eine durchschnittliche Inflationsrate von 2 % an. Frau Lagarde machte deutlich, dass sich auch die europäischen Währungshüter im Rahmen der Überarbeitung der geldpolitischen Strategie dem Thema Inflation intensiv widmen würden. Dabei wiederholte die EZB-Chefin nochmals, dass jeder Stein umgedreht würde.
Lagarde zeigte sich heute gelassen. Die gewaltige Krisenreaktion der EZB ist noch immer in Kraft. Aktuell gibt es deshalb keine Notwendigkeit, etwas zu verändern. Soviel ist aber klar: Sollte sich der wirtschaftliche Ausblick nochmals eintrüben, stehen die europäischen Währungshüter bereit, erneut zu handeln.
An den Finanzmärkten waren derweil Aussagen zum Euro mit Spannung erwartet worden. Lagarde machte klar, dass die EZB kein Wechselkursziel verfolge. Die Entwicklung des Euro kann nur indirekt bewertet werden, also mit Blick auf die Konsequenzen für die Teuerung. Haben die Euro-Aufwertungen inflationsdämpfende Effekte, kann die EZB aber sehr wohl handeln. Allerdings ist der Euro gegenüber dem US-Dollar noch immer unterbewertet. Kursgewinne sind deshalb durchaus gerechtfertigt. Hinter verschlossenen Türen wird man dies bei der EZB wohl auch so diskutieren.
Die Überarbeitung der geldpolitischen Strategie ist derweil auch für die EZB eine Gelegenheit, sich dem Inflationsziel zu widmen. Es ist nicht auszuschliessen, dass sie dem Weg der Fed folgen wird. Eine tolerantere Handhabung des Inflationszieles scheint naheliegend. Die gewünschte Teuerungsrate von knapp 2 % war in den vergangenen Jahren ohnehin mehr Wunsch als Wirklichkeit. (VP Bank/mc/ps)