VP Bank Spotanalyse: EZB lockert die Geldpolitik
Von Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
EZB lanciert erste Zinssenkung seit September 2019.
Die EZB senkt heute ihre Schlüsselzinsen um 25 Basispunkte. Der Einlagensatz liegt neu bei 3.75 %, der Hauptrefinanzierungssatz neu bei 4.25 % und die Spitzenrefinanzierungsfazilität neu bei 4.50 %.
Heute spielt die EZB für die Finanzmärkte mit der geldpolitischen Polka auf. Dies ist die erste Zinssenkung seit September 2019 und damit auch die erste nach den rekordschnellen Zinsanhebungen in den Jahren 2022 und 2023. Tatsächlich haben die europäischen Währungshüter Raum für geldpolitische Lockerungen. Zwar liegt die Inflationsrate mit aktuell 2.6 % noch nicht auf dem EZB-Zielniveau von 2 %, andererseits gehören Inflationsniveaus von über 10 % der Vergangenheit an. Da der Einlagensatz mit 4 % deutlich über Teuerungsrate liegt, kann die EZB die Zinsen zumindest etwas nach unten adjustieren.
Von Seiten der EZB heisst es, dass auf Grundlage einer aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission es nun angemessen sei, den Grad der geldpolitischen Straffung zu reduzieren, nachdem die Leitzinsen neun Monate lang unverändert geblieben waren.
Zur geldpolitischen Choreografie mag hingegen wenig passen, dass mit der Leitzinssenkung gleichzeitig die Inflationsprognosen angehoben werden. Rechnete die EZB im März mit einer Inflationsrate von 2.3 % im laufenden Jahr, sind es nun 2.5 %. Für das kommende Jahr wird die Inflationsprognose von 2.0 % auf 2.2 % angehoben.
Gerade deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass nun ein ausgeprägter Zinssenkungszyklus auf der Agenda steht. Vielmehr passt die EZB ihr Zinsniveau an das (verglichen mit dem Jahr 2022 deutlich niedrigere Inflationsniveau) an. Die sehr relevante Inflationskernrate lag zuletzt bei 2.9 %. Gemessen daran, hätte die EZB auch für ihre kommenden Sitzungen Spielraum für weitere Zinssenkungen. Solange die Leitzinsen über der Inflationsrate liegen, ist die EZB restriktiv. Auch wenn die EZB keine klaren Vorgaben zum zukünftigen geldpolitischen Kurs macht, sie wird weiterhin datenabhängig agieren. So wird es voraussichtlich bereits im Juli zu einer weiteren Leitzinsreduktion um 25 Basispunkte kommen.