Von Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Hauptrefinanzierungssatz geht deutlich nach unten.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat wie erwartet die Leitzinsen gesenkt. Eine Besonderheit bringt der heutige Zinsbeschluss allerdings mit sich.
Während der Einlagesatz um 25 Basispunkte (von 3.75 % auf 3.50 %) reduziert wird, geht der Hauptrefinanzierungssatz um 60 Basispunkte (von 4.25 % auf 3.65 %) nach unten. Auch der Zinssatz für Spitzenrefinanzierungsfazilität wird um 60 Basispunkte (von 4.50 % auf 3.90 %) gesenkt. Die EZB betrachtet es auf der Grundlage der aktualisierten Beurteilung der Inflationsaussichten nun als angemessen, einen weiteren Schritt bei der Reduzierung des Grades der geldpolitischen Straffung zu gehen.
Die aktualisierten Projektionen der EZB-Volkswirte zeigen, dass sich die Inflation weiter abschwächen wird und zwar von durchschnittlich 2.5 % im Jahr 2024 auf 2.2 % im Jahr darauf und 1.9 % im Jahr 2026. Es wird erwartet, dass die Inflation im Laufe des Jahres wieder ansteigen wird, dann aber in den Folgejahren sukzessive fällt.
Die Projektionen für die Kerninflation wurden für die Jahre 2024 und 2025 geringfügig nach oben korrigiert, da die Teuerung bei den Dienstleistungen höher ausfiel als erwartet. Zugleich erwarten die EZB-Volkswirte weiterhin einen Rückgang der Kerninflation von 2.9 % in diesem Jahr auf 2.3 % im Jahr 2025 und 2.0 % im Jahr 2026.
Dass der Hauptrefinanzierungssatz um 60 Basispunkte reduziert wird, hat nichts mit überstürztem Handeln zu tun, sondern technische Gründe. Die EZB hatte im März bereits verlauten lassen, dass die Differenz zwischen dem Einlagensatz und Hauptrefinanzierungssatz auf 15 Basispunkte reduziert werden soll.
Da die geringere Differenz ab 18. September greifen soll, hat die EZB dies in ihrer heutigen Zinsentscheidung entsprechend berücksichtigt. Mit der deutlichen Reduktion wird das Hauptrefinanzierungsgeschäft einerseits wieder attraktiver, andererseits verringert sich die Differenz zum mittlerweile wichtigsten Leitzins, dem Einlagensatz, wodurch auch die Schwankungsanfälligkeit an den Geldmärkten reduziert wird.
Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde machte nochmals deutlich, dass die Zinsentscheide datenabhängig getroffen würden. Ob also bereits im Oktober die nächste Zinssenkung erfolgen wird, liess sie offen.
Da es bis zur nächsten Sitzung lediglich fünf Wochen sind, wird die EZB nicht allzu viel an neuen Erkenntnissen gewinnen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird deshalb die nächste Zinssenkung erst im Dezember erfolgen. In Anbetracht des anhaltend hohen Preisdrucks im Dienstleistungssektor ist eine lediglich quartalsweise Reduktion des Leitzinses eine adäquate Vorgehensweise.