Von Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Die Inflationsrate klettert der ersten Schätzung zufolge im April von 6.9 % auf 7.0 %. Aber es gibt auch eine gute Nachricht.
Auf den ersten Blick sieht die Zahl nicht gut aus. Statt weiter zu fallen, steigt die Inflationsrate wieder an. Wenn es noch Argumente für deutliche Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) bedurfte, mit den April-Inflationsdaten werden sie geliefert.
Nach einem deutlichen Rückgang im März zeigt die Entwicklung, dass der Teuerungsdruck hoch bleibt. In Spanien steigt die Inflationsrate sogar deutlich von 3.3 % auf 4.1 % und auch in Frankreich geht es im April von 5.7 % auf 5.9 % leicht nach oben. Während im direkten Monatsvergleich die Energiepreise weiter gesunken sind, hat die Teuerung gegenüber dem Vorjahresmonat wieder zugenommen. Im April des vergangenen Jahres waren die Energiepreise kurzzeitig etwas rückläufig gewesen.
Erstmals seit Januar 2022 gibt derweil die Kerninflationsrate nach. Dies kann als erstes Anzeichen dafür gewertet werden, dass nun die Trendwende bei der Inflationsentwicklung unter Herausrechnung der volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise ins Haus steht. Auch bei der Kernteuerungsrate werden sich auf Sicht der kommenden Monate Basiseffekte bemerkbar machen. Dies ist trotz der gestiegenen Gesamt-Inflationsrate eine gute Nachricht.
Für die EZB gibt es kein Argument, nicht weiter an der Zinsschraube zu drehen. Die wirtschaftliche Entwicklung präsentiert sich zwar nicht dynamisch, aber immerhin besser als erwartet. Die grossen Staaten der Eurozone, mit Ausnahme Deutschlands, konnten zufriedenstellende Wachstumsraten im ersten Quartal ausweisen.
Und noch etwas gilt: Ein Argument gegen weitere Zinsanhebungen lautet häufig, die EZB könne aufgrund der hohen Schulden in den südeuropäischen Staaten die geldpolitischen Zügel nicht zu sehr anziehen. Doch die Schuldenstände sind in Relation zum Bruttoinlandprodukt im Jahr 2022 stellenweise sogar deutlich gefallen und die Risikoaufschläge der südeuropäischen Staaten gegenüber Deutschen Bundesanleihen haben sich seit Beginn des Zinsanhebungszyklus reduziert. Die EZB wird aus unserer Sicht weitere Zinserhöhungen im Umfang von 75 Basispunkte beschliessen müssen. (VP Bank/mc/ps)