VP Bank Spotanalyse: Regierungskrise in Frankreich ist keine Euro-Krise
Von Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Premierminister verliert Vertrauensabstimmung.
In Frankreich ist die Minderheitsregierung von Premier Michel Barnier über das Budget 2025 gestolpert. Der Regierungschef wollte wegen der angespannten Haushaltslage 60 Mrd. Euro sparen. Die Oppositionsparteien forderten den Premier indes dazu auf, geplante Steuern wieder aufzugeben und Kostensenkungen zurückzunehmen. Die verfahrene Situation mündete in ein Misstrauensvotum in der französischen Nationalversammlung. Barnier bekam nicht die nötige Unterstützung.
Wie es nun weitergeht, ist offen. Medienberichten zufolge hält der französische Präsident Emmanuel Macron bereits Ausschau nach einem neuen Ministerpräsidenten. Die aktuelle Regierung könnte so lange geschäftsführend im Amt bleiben.
Grundsätzliches Problem ist die zersplitterte politische Landschaft. Weder das Linksbündnis noch die Mitte-Rechts-Kräfte um Macron oder die Rechtsnationalen von Marine Le Pen verfügen über eine regierungsfähige Mehrheit. Diese Situation erschwert die Bildung einer stabilen Regierung erheblich, selbst bei Neuwahlen.
Aktuellen Umfragen zufolge hat sich an der Stimmenverteilung seit den letzten Wahlen im Juni und Juli kaum etwas Nennenswertes verändert. Neuwahlen wären ohnehin erst kommenden Sommer möglich. Gemäss der französischen Verfassung muss der Abstand zwischen zwei Wahlen mindestens ein Jahr betragen.
An den Finanzmärkten ist man nervös. Die Renditeaufschläge französischer Staatstitel gegenüber deutschen Bundesanleihen liegen mit 85 Basispunkten auf Niveaus, die zuletzt im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise der Jahre 2011 und 2012 verzeichnet wurden.
Der öffentliche Haushalt wird im laufenden Jahr ein Defizit von 6 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) ausweisen, was die Staatsverschuldung auf über 110 % des BIP bringt. Die angespannte Finanzsituation macht eine Konsolidierung der Staatsausgaben erforderlich, was sich in Anbetracht der verfahrenen politischen Situation als schwierig erweist.
Alleine die Tatsache, dass die Europäischen Zentralbank (EZB) einschreiten kann, dürfte ein überschwappen auf andere Staaten verhindern und auch die französischen Renditeaufschläge nicht in jene Höhen treiben, die im Jahr 2011 verzeichnet wurden. Im November 2011 lagen die Renditen 10-jähriger französischer Staatstitel knapp 2 Prozentpunkte über den deutschen Pendants.
Im Gegensatz zur Euro-Staatsschuldenkrise der Jahre 2011 und 2012 hat die EZB mittlerweile mächtige Instrumente an der Hand. So können etwa mit dem Transmissionsschutz-Instrument (TPI) Anleihen einzelner Euro-Staaten in unbegrenztem Umfang gekauft werden, um unangemessen hohe Renditeaufschläge zu verhindern.
Die Nervosität dürfte vorerst hoch bleiben, aber es ist nicht mit einer neuerlichen Euro-Krise zu rechnen – die Schutzschilder der EZB sind inzwischen zu mächtig.