VP Bank-Statement: Befreiungsschlag der EZB?
Bernd Hartmann, Leiter Investment Research der VP Bank.
«Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die vagen Aussagen aus der letzten Notenbanksitzung konkretisiert. Die EZB kauft Staatsanleihen angeschlagener Staaten in unlimitierten Umfang, um die Risikoaufschläge zu reduzieren – sofern die Voraussetzungen dazu erfüllt werden.
EZB-Präsident Mario Draghi hat den Spekulationen, welche die Märkte in den vergangen Wochen deutlich beeinflusst hatten, nun endlich ein Ende gesetzt. Überraschungen blieben jedoch weitestgehend aus. Die EZB wird zukünftig Anleihen angeschlagener Staaten unter dem Programm «OMT» (Outright Monetary Transactions) kaufen. Allerdings ist die Teilenahme an den Programmen des EFSF respektive des ESM Voraussetzung. Dazu gehört ein voller Unterschlupf unter den Rettungsschirm oder die Teilnahme am erweiterten Kreditprogramm (Enhanced Conditions Credit Line) des EFSF. In beiden Fällen sind Reform- und Sparauflagen zu erfüllen. Verletzt ein Land die Kriterien, wird die EZB die Anleihenkäufe umgehend einstellen. Dies soll gewährleisten, dass trotz EZB-Schützenhilfe notwendige Reformen umgesetzt werden. Mit sogenannten Sterilisationsmassnahmen will die EZB das zusätzlich geschaffene Geld darüber hinaus an anderer Stelle wieder abschöpfen. Damit soll die Preisstabilität gewahrt bleiben.
Kein Befreiungsschlag
Unmittelbare Wirkungen gehen vom EZB-Entscheid zunächst nicht aus. Fakt ist, dass nur diejenigen Länder in den Genuss von EZB-Käufen kommen, die sich unter einem Rettungsschirm befinden. Für die im Fokus der Märkte stehenden Länder Spanien und Italien bleibt zunächst der Status Quo erhalten. Darüber hinaus werden die unlimitierten Anleihenkäufe der EZB das fundamentale Problem der Schuldenmisere nicht lösen, verschaffen jedoch zusätzliche Zeit die notwendigen Reformen voranzutreiben. Tatsächlich haben die Staaten bereits erste Massnahmen eingeleitet, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu erhöhen und die Haushaltsdefizite zu senken. Erfolge sind bislang aber nur wenige sichtbar. Eine fundamentale Erholung des Euros ist entsprechend kaum zu erwarten, zumal die expansivere Geldpolitik letztlich gegen die Einheitswährung spricht.
Vieles dürfte in den Tagen vor dem EZB-Entscheid schon eingepreist gewesen sein, weshalb deutlichere Zugewinne vorerst nicht zu erwarten sind. Die aktuelle Euphorie kann aber kurzfristig noch für etwas höhere Notierungen in EUR/USD sorgen, ehe der Wechselkurs wieder in Richtung 1.20 tendiert. Zwar steht auch in den USA eine wichtige Notenbanksitzung bevor, in Europa drohen mit dem Entscheid über die Rechtskonformität des ESM und dem Trojkabericht aus Griechenland aber noch einiges Enttäuschungspotenzial.»
Bernd Hartmann, Leiter Investment Research der VP Bank.