Garmisch-Partenkirchen – Seit 4. Juli ist der mexikanische Vulkan Popocatépetl aktiv – mit Laser-Radar-Messungen untersuchen Wissenschaftler in Garmisch-Partenkirchen bereits seit mehr als 35 Jahren die Verweildauer vulkanischer Partikel in der Stratosphäre.
Nach massiven Vulkanausbrüchen bleiben kleinste Partikel (Aerosole) bis zu fünf Jahre in der Stratosphäre, also der zweiten Schicht der Erdatmosphäre. Dadurch wird die Sonneneinstrahlung abgeschwächt und vorübergehend sinken die Temperaturen. Die lange Verweildauer macht auch deutlich, dass Klimaschutzmassnahmen erst nach Jahren greifen. Dies verdeutlichen Untersuchungen von Wissenschaftlern am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung des KIT in Garmisch-Partenkirchen. Seit fast 40 Jahren untersuchen sie mit Laser-Radar-Messungen (Lidar) die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist nun im Fachjournal „Atmospheric Chemistry and Physics“ erschienen.
El Chicon- und Pinatubo-Ausbrüche gehören zu den spektakulärsten Ereignissen
Nach grossen Vulkanausbrüchen kann die Temperatur um 0,5 bis mehrere Grad Celsius zurückgehen. Zum Vergleich: Der mittlere globalen Temperaturanstieg betrug in den vergangenen 100 Jahren etwa 0,8 Grad Celsius. „Die spektakulärsten Ereignisse während der langen Beobachtungszeit waren die Explosionen der tropischen Vulkane El Chichon 1982 in Mexiko und Pinatubo 1991 auf den Philippinen“, sagt Thomas Trickl vom IMK-IFU. Mit 20 Millionen Tonnen ausgestossenen Materials gehören sie zu den drei grössten Ausbrüchen des 20. Jahrhunderts.
Klimaschutz-Massnahmen zeigen erst nach Jahrzehnten volle Wirkung
„Danach kam es jeweils fast fünf Jahre lang zu einer deutlichen Trübung der Stratosphäre – das konnte man auch an der auffälligen Violettfärbung des Morgen- und Abendhimmels sehen.“ Diese lange Verweilzeit zeige deutlich, wie langsam die Abläufe in der Stratosphäre sind und welche Folgen das für den Klimaschutz hat: „Die Erholung der Ozonschicht nach dem Verbot chlorhaltiger Kohlenwasserstoffe (FCKW) wird Jahrzehnte dauern. Auch Klimaschutz-Massnahmen müssen Verzögerungeszeiten von Jahrzehnten einrechnen – gerade deshalb ist ihr permanentes Verzögern nicht zu verantworten“, sagt Trickl.
Grund für die langen Verweildauern der Vulkanpartikel, so das Ergebnis der Wissenschaftler, ist die Bildung eines Partikel-Reservoirs in der tropischen Stratosphäre, das immer wieder Nachschub auch in mittlere Breiten liefert: Während die Luft in den Tropen aufsteigt, bewegt sie sich in höheren Breiten abwärts. Dort verlassen viele Partikel die Stratosphäre. Nach Vulkanausbrüchen in mittleren Breiten sei die Verweildauer der Partikel deutlich kürzer, so Trickl. „Nach dem Ausbruch des Mt. St. Helens 1981 in den USA etwa verschwanden sie innerhalb nur eines Jahres aus der Stratosphäre.“
Enorme wirtschaftliche Auswirkungen
Auch wirtschaftlich können selbst mittelgrosse Vulkanausbrüche schwerwiegende Folgen haben. So fielen 2010 beim Ausbruch des Eyjafjalljökull auf Island 100.000 Flüge aus, es entstand ein wirtschaftlicher Schaden von mehr als drei Milliarden Euro. Während der gesamten Eruptionsperiode fanden in ganz Europa koordinierte Messungen statt. An dieser Grossaktion des europäischen Lidarnetzes EARLINET (European Aerosol Research Lidar Network) war das IMK-IFU als ein zentraler Standort beteiligt. Mit Lidar-Messungen erfassten die Wissenschaftler die räumliche Verteilung der Partikel. Ein Ziel ist die Schaffung einer wissenschaftlich fundierten Grundlage für die Erteilung von Flugverboten bei derartigen Ereignissen.
Während die Hauptmasse der isländischen Aschewolke Mitteleuropa im Bereich unterhalb von fünf Kilometern erreichte, gelang es den KIT-Wissenschaftlern ihre Auswirkung auch bis in die untere Stratosphäre zu erforschen, also bis in eine Höhe von zehn bis 15 Kilometern,. Ein Ergebnis: Die Luftmassen bewegen sich in diesem Höhenbereich meist nahezu horizontal, die Partikel steigen nicht in grössere Höhen auf, sondern strömen gelegentlich nach unten aus und werden dort durch Niederschlag ausgewaschen. „Dies könnte letztlich auch erklären, warum der über die vergangenen Jahrzehnte stark angestiegene Luftverkehr im Bereich zwischen zehn und zwölf Kilometern Höhe keine nachweisbare Belastung der Stratosphäre mit Aerosolen verursacht hat“, sagt Thomas Trickl.
Auch von Waldbränden produziertes Aerosol verschwinde innerhalb relativ kurzer Zeit. (Karlsruher Institut für Technologie/mc/pg)