(Illustration: Adlatus)
Adlatus-Reihe «Verwaltungsrat – ein Knochenjob?» – Folge 19/19:
Zürich – Das schweizerische Recht geht primär davon aus, dass der Verwaltungsrat (VR) die Geschäfte seiner Aktiengesellschaft selber führt (Art. 716 Abs. 2 OR). In einem solchen Fall braucht es kein Organisationsreglement.
Der Gesetzgeber hat aber auch explizit vorgesehen, dass der VR „die Geschäftsführung nach Massgabe eines Organisationsreglements ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder oder an Dritte“ übertragen kann, wenn die Statuten der Gesellschaft dies vorsehen (716b I OR). Letztlich ist es also die Generalversammlung (GV) der Aktionäre, die bestimmt, ob der VR seine Geschäftsführungskompetenzen delegieren kann. Tut er es, so ist zu beachten, dass er nicht alle seine Aufgaben delegieren darf. Das OR zählt in Art. 716 lit. a explizit alle unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben auf. Die unübertragbaren Aufgaben dürfen somit nicht an Dritte, sprich an eine eingesetzte Geschäftsleitung (GL), delegiert werden. Sie dürfen dem VR aber auch nicht (von der GV) entzogen werden.
Der VR ist somit alleine verantwortlich für die Oberleitung der Gesellschaft, die Festlegung der Organisation, die Gestaltung des Rechnungswesens, die Finanzkontrolle und die Finanzplanung. Zu den unübertragbaren Aufgaben zählen weiter die Ernennung und Abberufung der Mitglieder der GL, die Oberaufsicht über diese, die Erstellung des Geschäftsberichts, die Vorbereitung der GV und die Ausführung ihrer Beschlüsse. Letztlich ist es auch Sache des VR, den Richter im Falle einer Überschuldung zu benachrichtigen.
Zusammenarbeit zwischen VR und GL im Organisationsreglement definiert
In der Praxis wird der Buchstabe des Gesetzes kaum wortwörtlich angewendet. Besonders in grösseren Gesellschaften ist die Einsetzung einer GL üblich, und diese entlastet den VR massgeblich, indem sie über die erforderlichen Ressourcen verfügt. Sie unterbreitet dem VR Entwürfe und Anträge bezüglich der Aufgaben, für die der VR letztlich die Verantwortung trägt. Genau diese Zusammenarbeit zwischen VR und GL wird im Organisationsreglement beschrieben. (Dessen gesetzliche Definition findet sich in Art. 716b Abs. 2 OR). Es nennt die Aufgaben und Kompetenzen des VR, allenfalls der VR-Ausschüsse, der GL als Ganzes, des CEO, des CFO, der internen Kontrolle, des Risikomanagements und beschreibt die erforderliche Berichterstattung und die für einen reibungslosen Betrieb erforderlichen Prozesse.
Je grösser eine Gesellschaft ist, desto komplexer sind in der Regel die Interaktionen der Beteiligten und desto ausführlicher wird das Organisationsreglement. Die Organisationsreglemente der Publikumsgesellschaften sind auf den jeweiligen Websites öffentlich einsehbar und können als Muster dienen. Wer sich mit dem Thema vertieft befassen möchte, den verweisen wir auf das von Prof. Dr. Peter Forstmoser im Schulthess Verlag 2011 heraus gegebene rechtswissenschaftliche Buch „Organisation und Organisationsreglement der Aktiengesellschaft“. Darin finden sich drei Anhänge, nämlich eine Kurzversion eines Organisationsreglements, ein Musterreglement für eine kleinere bis mittlere Gesellschaft sowie ein Musterreglement für eine grössere (börsenkotierte) Konzernobergesellschaft. (Adlatus Fachgruppe Organisation + Führung /mc/ps)
Sie dürfen sich mit Ihren eigenen Fragen aber auch an uns wenden, z.B. per E-Mail an: vr@adlatus.ch