Kassel – Linkshänder sind in interaktiven Sportarten überdurchschnittlich erfolgreich. Ob es daran liegt, dass Gegner die Motorik schlecht an Linkshänder anpassen können, erforschen Sportwissenschaftler der Universitäten Kassel und Münster.
Tennisstar Rafael Nadal bezwingt seine Gegner mit «links». Derzeit kämpft sich der Spanier nach langer Verletzungspause zurück an die Weltspitze. Bereits hat er wieder Turniere gewonnen und zuletzt auch Roger Federer geschlagen. Die Linkshändigkeit hat er sich antrainiert und profitiert dadurch vom strategischen Linkshändervorteil: Elf Mal siegte Nadal bereits bei einem Grand Slam-Turnier. Warum linkshändige Sportler so erfolgreich sind, erforscht der Kasseler Sportwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Hagemann.
Motorik stellt sich automatisch auf Rechtshänder ein
Während Hagemann bisher Vorteile von linkshändigen Sportlern im Entscheidungs- und Ballplatzierungsverhalten belegte, steht im Mittelpunkt der nächsten Projektphase der Aspekt der Motorik – mit überraschenden Erklärungsansätzen. „Wir vermuten, dass die meisten Menschen motorisch schlechter an Linkshänder als Gegner angepasst sind“, erklärt Hagemann, der sich an der Uni Kassel vor allem mit Sportpsychologie befasst. Möglicher Grund: Im Laufe des Lebens stellen die meisten Sportler ihre Motorik auf rechtshändige Gegner ein, da sie mehr Erfahrung mit Rechtshändern sammeln.
Wenn es leichter fällt, einen Ball nach rechts statt nach links zu schlagen
„So richtet sich neben der Wahrnehmung auch die Motorik entsprechend aus“, erklärt Hagemann. Die Wissenschaftler planen dazu einen Feldversuch mit 30 links- und rechtshändigen Badminton-Amateurspielern. „Wir vermuten, dass es den meisten Menschen leichter fällt, einen Ball nach rechts zu schlagen als nach links“, sagt Hagemann: „Davon profitieren beispielsweise im Badminton linkshändige Sportler, denn ihnen wird viel seltener auf die Rückhand gespielt.“ Per Videoanalyse werten die Wissenschaftler die Ballwechsel aus.
Der «Pseudoneglect»-Effekt
Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler den sogenannten „Pseudoneglect“-Effekt überprüfen; er besagt, dass die meisten Menschen Reize im linken visuellen Feld besser wahrnehmen. Das ist wahrscheinlich kulturell bedingt, vor allem dadurch, dass die Schrift in europäischen Sprachen von links nach rechts verläuft. Insofern könnte Nadals Erfolg im Tennis auch etwas mit der Schreib- und Leserichtung der Sprachen in unserem Kulturraum zu tun haben. Überprüft wird dies mit einem Experiment aus dem Boxsport.
„Wir vermuten, dass Sportler schlechter auf linkshändige Angreifer reagieren können. Denn deren Schlaghand liegt für sie im rechten visuellen Feld“, erklärt Professor Hagemann. Die Forscher zeigen Probanden Filmsequenzen von einem Boxer, der frontal in die Kamera schaut und dabei Schläge ausführt. Das Video wird an einigen Stellen gespiegelt, sodass der Boxer mal mit rechts, mal mit links schlägt. Per Tastendruck sollen die Testpersonen angeben, wann sie einen Angriff erwarten. Gleichzeitig wird ihr Blickverhalten aufgezeichnet. Die Forscher erwarteten, dass die Probanden Angriffe mit links deutlich schlechter antizipieren können.
Blick geht automatisch zur rechten Schulter
Die Kasseler Forscher vermuten zudem, dass der Blick der meisten Menschen automatisch zur rechten Schulter des Gegners zielt. Dies sei eine weitere Erklärung dafür, warum Würfe oder Schläge, die von einer linken Hand ausgehen, schlechter vorherzusagen sind. Denn wenn der Gegner Linkshänder ist, schaut er auf die falsche Seite. „Das nicht angepasste Blickverhalten könnte ein Grund dafür sein, warum gerade bei Sportarten, in denen sich die Gegner nahe gegenüber stehen und besonders schnell aufeinander reagieren müssen – wie beim Fechten, Boxen oder Tischtennis – überproportional viele linkshändige Spieler in den Weltranglisten oben stehen“, betont Dr. Florian Loffing, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt.
Das erweiterte Forschungsprojekt knüpft an die bisherigen Studien der Wissenschaftler aus Kassel und Münster an. Diese hatten bereits Belege dafür geliefert, dass Linkshänder einen gewöhnungsbedingten Vorteil im Sport haben, auch wenn dies im Spitzensport inzwischen durch individualisiertes Training und präzise Vorbereitung der Sportler auf ihren jeweils nächsten Gegner kompensiert wird. Labortests bestätigten, dass Tennisspieler beispielsweise die Schläge von linkshändigen Spielern schlechter einschätzen konnten als jene von Rechtshändern. Dabei machte es keinen Unterschied, ob sie selbst Links- oder Rechtshänder waren. Die Forscher aus Kassel und Münster gehören weltweit zu den bislang wenigen Sportwissenschaftlern, die sich intensiv mit der Lateralität im Sport, und hier besonders dem Linkshändervorteil im Sport, beschäftigen. (Universität Kassel/mc/pg)