Die Sicht des Raiffeisen-Chefökonomen: Wegelagerer Trump

Mit seiner Zollpolitik hat Donald Trump einen Handelskrieg vom Zaun gebrochen, der in der Geschichte der USA seinesgleichen sucht. Entgegen der ökonomischen Lehrmeinung und dem Rat nahezu aller Ökonomen setzt Trump die Zollwaffe nicht nur als Drohmittel ein, sondern glaubt allen Ernstes, Amerika damit wieder gross machen zu können. Gross ist allerdings der Schaden, den er anrichtet.
von Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen
Selbst das Wall Street Journal bezeichnete seine Zölle gegenüber den Nachbarstaaten Kanada und Mexiko als die «dümmsten» der Geschichte. In den vergangenen Tagen ist Trump angesichts der Gegenmassnahmen betroffener Länder und des Leidens amerikanischer Produzenten etwas zurückgekrebst und hat die Zölle für rund 50 Prozent der US-Importe aus Kanada und Mexiko bis zum 2. April aufgeschoben.
Lieferketten werden zerrissen
Das Chaos, das Trump mit seinen Strafzöllen anrichtet, ist immens. Über Jahrzehnte gewachsene und optimierte Lieferketten werden abrupt unterbrochen und möglicherweise zerstört. Kanada versorgt Amerika beispielsweise mit Lebendtieren, während Früchte und Gemüse in der umgekehrten Richtung die Grenzen passieren. Strafzölle in der Höhe, wie sie Trump vorschweben, zerreissen diese Lieferketten und zerstören etablierte Geschäftsmodelle. Das Finden neuer Absatzmärkte wird Jahre dauern und ist gerade bei verderblichen Lebensmitteln nicht gesichert.
Zölle: eine moderne Form der Wegelagerei
Im Mittelalter waren Wegzölle eine humanere Form der Wegelagerei. Da es kaum bindende Vorschriften gab, herrschte beim Erheben des Wegzolls oft Willkür. Der Übergang vom Zoll zum Raub war fliessend. Mit der Entrichtung des Zolls wurde sicheres Geleit abgegolten. Die zahlreichen Wegzölle verteuerten jedoch das Reisen und den Güterhandel und behinderten damit die Wirtschaft massiv. Die Schweiz hat deswegen ein Mautverbot, sprich ein Wegzollverbot, in der Verfassung verankert (Art. 82 Abs. 3 BV). Trump hingegen verweigert sich solch banalen Erkenntnissen, was einem kolossalen Rückschritt gleichkommt, dessen Ausmass sich noch nicht abschätzen lässt.
Zölle schaffen keine Stellen
Trump behauptet, durch seine protektionistische Politik Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Doch das ist ein Trugschluss. Die während seiner ersten Amtszeit eingeführten Zölle auf Stahl und Aluminium von 10 Prozent schützten zwar die US-Stahlindustrie vor Wettbewerb und ermöglichten es ihr, höhere Preise zu verlangen sowie auch geschätzt rund 1000 Arbeiter einzustellen. Gleichzeitig gab es jedoch einen vielfach höheren Stellenverlust bei US-Herstellern, die auf Stahl als Vorprodukt angewiesen waren – beispielsweise bei den Herstellern von Waschmaschinen. Deren Wettbewerbsfähigkeit sank aufgrund der Stahlzölle sowohl im Exportgeschäft als auch auf dem heimischen Markt. Trump ist jedoch hochgradig unbelehrbar. Ab dem 12. März 2025 gelten auf Stahl- und Aluminiumimporte Strafzölle von 25 Prozent.
Wie wirken Zölle?
Zölle sind nichts anderes als Steuern – die Trump ja eigentlich entschieden ablehnt. Die Zollsteuern bezahlen letztlich die Endkonsumenten, da Unternehmen die zusätzlichen Kosten in der Regel auf ihre Produktpreise schlagen. Bei den Strafzöllen handelt es sich mit anderen Worten um eine Steuererhöhung für die Amerikaner und Amerikanerinnen. Gleichzeitig will Trump die Steuersenkungen für Unternehmen verlängern. Es geht also um Umverteilung. Die in der Regel wohlhabenden Unternehmensbesitzer erhalten eine Steuerentlastung, wogegen der Durchschnittsamerikaner mehr bezahlt. Bislang haben die Amerikaner das noch nicht durchschaut. Mit den Zolleinnahmen will Trump die geringeren Steuern der Reichen finanzieren.
Konsumenten werden nervös
Die Zeche bzw. die Preiserhöhung zahlen zumeist die Konsumenten. Damit steigt das Risiko einer anhaltenden Inflation, was auch die Investoren nervös gemacht hat. Der Volatilitätsindex VIX, das Angstbarometer der Anleger, ist in den vergangenen Tagen deutlich angestiegen. Die Zölle machen jedoch nicht nur die Anleger nervös, sondern auch die amerikanischen Konsumenten. In den letzten Wochen konsumierten die Amerikaner auffällig weniger dauerhafte Güter wie Autos oder Möbel. Auch der Konsum von Basisgütern schwächelt. Die Aktienkurse der grossen amerikanischen Detailhändler wie Walmart & Co. sind deswegen seit Mitte Februar um 10 bis 15 Prozent gefallen. Da der Privatkonsum fast 70 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts ausmacht, muss Trump aufpassen, damit das Wachstum nicht einbricht. Spätestens dann würden seine Umfragewerte rapide sinken. Früher oder später werden sie das wohl sowieso, denn Zollkriege sind klassische Lose-lose-Situationen. Wie in jedem Krieg gibt es auch in einem Zollkrieg nur Verlierer.