Zürich – Wissenschaftler der ETH Zürich zeigen mit Hilfe von Satellitendaten, dass die niedere Bewölkung in den Tropen abnimmt, wenn es auf der Erde wärmer wird. Da diese Bewölkung auf das Klima einen kühlenden Effekt hat, könnte die Zwei-Grad-Marke der Klimaerwärmung früher erreicht werden als von vielen Modellen bisher vorhergesagt.
Es ist völlig unbestritten: In die Atmosphäre ausgestossene Treibhausgase erwärmen unseren Planeten. Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage nach der genauen Abhängigkeit von Treibhausgaskonzentration und Temperaturanstieg. Wissenschaftler nennen diese Abhängigkeit Klimasensitivität. Nehmen wir an, die Aktivitäten der Menschheit führen dazu, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre langfristig verdoppelt. Um wieviel Grad wird sich die Erde dann durchschnittlich erwärmen? 2013, im letzten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, lautete die differenzierte Antwort der Wissenschaft darauf: «wahrscheinlich um zwischen 1,5 und 4,5 Grad».
Die Klimasensitivität ist ein wesentlicher Parameter für Klimavorhersagen und die Festlegung von Klimazielen. Es wäre daher wünschenswert, man könnte die Klimasensitivität und damit die zu erwartende Temperaturzunahme genauer bestimmen. Tapio Schneider, Professor für Klimadynamik an der ETH Zürich, und Florent Brient, Postdoc in seiner Gruppe, ist dies nun mit neuen Berechnungen gelungen: «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Wert tiefer ist als 2,3 Grad», sagt Schneider. «Die Klimasensitivität liegt eher in der oberen Hälfte der bisherigen Schätzungen, wahrscheinlich im Bereich von 4 Grad.»
Satellitendaten aus 15 Jahren ausgewertet
Der Hauptgrund für die bisherigen grossen Unsicherheiten bei der Bemessung der Klimasensitivität sei, dass man bisher den Einfluss der Bewölkung – insbesondere der tiefliegenden Bewölkung in den Tropen – nur sehr ungenau habe einschätzen können, sagt Schneider. Wissenschaftler seien sich uneinig gewesen, ob und wie sich diese Bewölkung künftig – im Rahmen des Klimawandels – verändern wird.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werteten Brient und Schneider eine grosse Menge von Satellitendaten der vergangenen 15 Jahre aus. Es handelt sich dabei um Daten von Strahlungsmesseräten an Bord von Satelliten des Nasa-Programms Ceres. Die Geräte messen kontinuierlich, wie viel Sonnenlicht von der Erde reflektiert und in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Die ETH-Wissenschaftler konnten zeigen, dass es in der Vergangenheit in wärmeren Jahren in den Tropen weniger niedere Wolken in den Tropen gab, in kälteren Jahren mehr.
Erde erwärmt sich schneller als gedacht
Die neue Information nutzten die Forschenden, um die Qualität von knapp 30 existierenden Klimamodellen zu bewerten. Es zeigte sich: Fast alle Modelle, welche im Einklang mit den Beobachtungsdaten standen, sagen auch für eine langfristige globale Erwärmung weniger niedere Wolken voraus. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass diese Bewölkung im Rahmen der fortschreitenden Klimaerwärmung weiter abnehmen wird.
Ausserdem berechnen alle Klimamodelle, die mit den Beobachtungen übereinstimmen, eine Klimasensitivität von mindestens 2,3 Grad, bei den meisten liegt sie wesentlich höher.
Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass die im Pariser Abkommen beschlossene Marke der durchschnittlichen Erderwärmung um 2 Grad wohl früher erreicht wird als bisher vorausgesehen. Weil die Klimasensitivität eher im oberen Bereich des bisher Angenommenen liegt, bedarf es dazu einer geringeren Zunahme der CO2-Konzentration als bisher angenommen. (ETH/mc/pg)