Zürich – Was führt dazu, dass manche jungen Männer straffällig werden und andere nicht? Eine internationale Studie zeigt, dass Präferenzen wie Risikobereitschaft, Ungeduld und Altruismus sowie die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung Delinquenz voraussagen.
Junge Männer mit höherer Risikobereitschaft und Ungeduld begehen eher Eigentumsdelikte, während Personen mit weniger Selbstkontrolle eher zu Gewalt, Drogen- und Sexualdelikten neigen. Die ökonomische Theorie besagt, dass weniger gebildete, risikofreudige, ungeduldige und egoistische Personen eher kriminell werden als gebildete, risikoscheue, geduldige und selbstlose Personen. Diese Hypothese wissenschaftlich zu überprüfen, ist aber nicht so einfach. Bildungsstand und sozioökonomische Faktoren von verurteilten Kriminellen lassen sich zwar relativ gut mit denen der nicht kriminell gewordenen Bevölkerung vergleichen. Bei Risikofreude, Geduld und Altruismus gestaltet sich die Erfassung aber schwieriger.
Bildung als Hauptprädiktor für Straffälligkeit
Ein internationales Team von Ökonomen hat nun in einer Studie Informationen über die Risiko-, Zeit- und sozialen Präferenzen von jungen Männern mit Faktoren wie Bildungsgrad, Einkommen, Selbstkontrolle und strafrechtlichen Verurteilungen zusammengeführt. Die Untersuchung bestätigt, dass Bildung ein Hauptprädiktor dafür ist, ob ein junger Mann straffällig wird. Risikofreude und Ungeduld sind weitere signifikante Prädiktoren. Beiden Präferenzen behalten ihren Einfluss auch dann, wenn weitere Faktoren wie Einkommen, Wohnort, Geburtsreihenfolge, Familienstatus oder Migrationshintergrund mitberücksichtigt werden. Die Kriminalitätsraten der risikofreudigsten Personen liegen um 8 bis 10 Prozentpunkte höher als jene der risikoscheusten.
Präferenzen beeinflussen Art der Straftat
«Der Einfluss, den Risikobereitschaft und Geduld auf die Kriminalitätsraten haben, sollte in Präventionsstrategien berücksichtigt werden», sagt UZH-Professor und Studienmitautor Ernst Fehr. «Denn diejenigen Personen, die am ehesten zu Straftaten neigen, sind auch jene, die am wenigsten auf eine strengere Strafverfolgung reagieren.»
Die Präferenzen beeinflussen zudem auch, welche Art von Delikten begangen werden. So lassen sich mittels Risikobereitschaft und Ungeduld signifikante Voraussagen zu Eigentumsdelikten wie Diebstahl treffen, während eine geringere Selbstkontrolle ein stärkerer Prädiktor für Gewalt-, Drogenund Sexualdelikte ist.
Umfrageexperiment mit 5‘400 jungen Dänen
Für die Studie nahmen knapp 5’400 dänische Männer im Alter zwischen 15 und 20 Jahren an einem Verhaltensexperiment teil, in dem sie umgerechnet zwischen 30 und 50 Franken verdienen konnten. Dabei beantworteten sie eine Reihe von Entscheidungsaufgaben, anhand derer ihre Risiko-, Zeit- und sozialen Präferenzen erhoben wurden. Risikopräferenzen sagen aus, ob wir einen sicheren aber kleinen Gewinn einem unsicheren aber grösseren Gewinn vorziehen. Zeitpräferenzen sind ein Mass für Geduld: Sie beschreiben die Bereitschaft heute auf eine kleinere Auszahlung zu verzichten, um dafür zu einem späteren Zeitpunkt eine grössere Auszahlung zu erhalten. Soziale Präferenzen drücken aus, wie neidisch oder altruistisch eine Person ist. Zusätzlich wurden die Studienteilnehmenden aufgefordert, sich bezüglich ihrer Selbstkontrolle selbst einzuschätzen. (UZH/mc/pg)