von Patrick Gunti
In der Schweiz werden im Jahr etwa 87’000 Kinder geboren. Es gibt Eltern, die wollen vor der Geburt wissen, ob es ein Mädchen oder eine Junge wird, andere lassen sich überraschen. Die Chance einer Knaben-Geburt ist zwar etwas grösser, aber mit einer 50/50 liegt man sicher nicht weit von der statistischen Wahrheit entfernt. Die einen möchten lieber ein Mädchen, andere einen Knaben, die meisten aber sagen sich: «Hauptsache gesund».
Die Frage ob Mädchen oder Junge beschäftigt die Eltern. Vollkommen egal ist sie hingegen dem Spielzeughersteller Mattel. Denn die Amerikaner haben genügend Pfeile im Köcher, um die Spiellust der Kinder unabhängig vom Geschlecht zu befriedigen – und gleichzeitig den Geldbeutel von Familie und Freunden zu erleichtern.
58 Millionen Barbie-Puppen – jährlich
Wird es ein Mädchen, ist die Chance gross, dass es eher früher als später mit einer Barbie-Puppe spielen wird. 60 Jahre wird die Dame dieses Jahr und sie ist längst zur Globetrotterin geworden. Jährlich werden in 150 Ländern rund um den Planeten nicht weniger als 58 Millionen Barbie-Puppen verkauft. Und: Barbie hat nicht weniger als 14 Millionen Fans auf Facebook.
Heisse Räder
Was den Mädchen das Barbie, ist den Jungs das Spielzeugauto Marke Hot Wheels. Seit der Lancierung der ersten Modelle vor 50 Jahren gingen nicht weniger als 6 Milliarden der kleinen Flitzer über den Ladentisch. 10 werden jede Sekunde weltweit verkauft, mittlerweile umfasst die Flotte 20’000 verschiedene Modelle.
Das sind beeindruckende Zahlen, die zeigen, dass Mattel in den Kinderzimmern breit aufgestellt ist. Viel faszinierender finde ich ja aber, wie klar auch heute noch die Rollen verteilt sind: Mädchen fahren nicht mit Hot Wheels und Knaben frisieren keine Barbies. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.
Unser Kleiner ist keine dieser Ausnahmen. Vor etwas mehr als einem Jahr ging er erstmals in die Spielgruppe: Vor der Tür fünf Mädchen und fünf Jungs, die Tür öffnet sich und wie ferngesteuert rennen die Mädchen zum Puppenhaus und die Knaben zu den Spielzeugautos. Dass unser laufender Meter dabei am an vorderster Front mitmischte, erstaunte angesichts dessen, dass sein erstes Wort weder Mami noch Papi – sondern Auto – lautete, nur wenig.
Aber warum ist das so, dass die Stereotypen bereits in frühester Kindheit so gewissenhaft bedient werden? Nun, zu einem Teil wird ihnen das rollentypische Verhalten in die Wiege gelegt. Denn die Sexualhormone Testosteron und Östradiol beeinflussen neben der Geschlechtsentwicklung auch das Spielverhalten.
Die Erwachsenen als Vorbild
Aber natürlich haben auch die Eltern ihren Anteil. Denn spielt der Junge mit den Autos, finden sie das toll oder zumindest normal, frisiert er Puppen, wundern sie sich schon etwas. Es ist aber auch so, dass sich Kinder mit etwa eineinhalb Jahren ihres Geschlechts bewusst werden und beginnen, gleichgeschlechtliche Vorbilder zu imitieren. So startet ein der Norm entsprechendes Verhalten, dass ihnen im Umfeld wie auch in der Werbung vorgeführt wird. Oder haben Sie dort je einen Jungen eine Puppe frisieren gesehen oder ein Mädchen, das ein geräuschvolles «uuuäääääääämmmm» intonierend mit Autos spielt?
Es scheint, also könnten wir unseren Kindern noch so viel Offenheit und Flexibilität vermitteln – zumindest bei der Wahl des Spielzeugs ist der Rahmen eng gesteckt. Macht nichts. Auch hier gilt: Hauptsache gesund. Und Mattel ists eh egal.
Patrick Gunti ist seit über 25 Jahren für verschiedene Medien als Journalist und Redaktor tätig. Seit 2006 arbeitet er als freier Journalist für Moneycab und verschiedene andere Medien und Agenturen. medienundinfo.ch #Weshalb