Wie fliegen wir künftig klimaneutral?

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(Photo by Matt Artz on Unsplash)

Zürich – Eine klimaneutrale Luftfahrt ist möglich. Doch auch in Zukunft dürften Flugzeuge mit fossilen Treibstoffen betrieben werden. Das ausgestossene CO2 muss konsequent im Untergrund gespeichert werden. Dies ist der wirtschaftlichste von verschiedenen Ansätzen, welche ETH-Forschende im Detail miteinander verglichen haben.

Es ist politisch ausgemacht und aus Klimaschutzgründen notwendig, dass unsere ganze Volkswirtschaft in den kommenden Jahrzehnten klimaneutral wird. Das gilt auch für den Flugverkehr. Technisch machbar ist das, und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dies zu erreichen. ETH-Professor Marco Mazzotti und sein Team haben nun jene Möglichkeiten, deren Umsetzung kurz- und mittelfristig am einfachsten erscheint, miteinander verglichen und sie unter anderem nach ihrer Wirtschaftlichkeit bewertet.

Das Fazit der ETH-Forschenden: Am günstigsten ist es, für Flugzeuge auch in Zukunft fossile Treibstoffe zu verwenden, jedoch das ausgestossene CO2 in Abscheidungsanlagen der Atmosphäre zu entnehmen und dauerhaft im Untergrund zu speichern (engl. carbon capture and storage, CCS). «Die entsprechende Technologie ist schon bereit. Und in der Nordsee und anderswo sind seit Jahren unterirdische Lagerstätten in Betrieb», sagt Viola Becattini, Postdoc in Mazzottis Gruppe und Erstautorin der Studie.

«Der Ansatz kann zu einer kostengünstigen Lösung für eine klimaneutrale Luftfahrt werden, wenn zum Beispiel eine CO2-Lenkungsabgabe oder ein Handel mit Emissionszertifikaten auf fossilen Flugzeugtreibstoffen eingeführt wird, oder wenn Regierungen finanzielle Anreize für den Einsatz von CCS und das Erreichen von Klimazielen schaffen würden», sagt ETH-Professor Mazzotti.

Direkt oder indirekt aus der Luft
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, CO2 abzuscheiden: entweder direkt aus der Luft oder indirekt an einem Ort, an dem organisches Material verbrannt wird, zum Beispiel in einer Kehrrichtverbrennungsanlage. «Der Kohlenstoff des in einer Kehrrichtverbrennungsanlage verbrannten Mülls stammt grob gesagt zur Hälfte aus fossilen Quellen, wie zum Beispiel Plastik, der aus Erdöl produziert worden ist. Bei der anderen Hälfte handelt es sich um organisches Material wie Holz oder daraus produzierte Stoffe wie Papier und Karton», erklärt Mazzotti.

Für den Anteil des Kohlenstoffs aus fossilem Ursprung ist die Abscheidung und Lagerung aus Klimaschutzperspektive ein Nullsummenspiel: Kohlenstoff aus dem Untergrund wird dorthin zurücktransportiert, wo er herkommt. Für den Anteil aus organischen Quellen gilt: Pflanzen haben diesen Kohlenstoff ursprünglich aus der Luft als CO2 aufgenommen. Scheidet man diesen Kohlenstoff ab und lagert ihn, so hat man indirekt CO2 aus der Luft entfernt. CCS eignet sich daher, um Kohlenstoff aus fossilen Flugtreibstoffen wieder in den Untergrund zu verfrachten. Der Flugverkehr kann damit effektiv klimaneutral werden.

In ihrer Studie konnten die ETH-Wissenschaftler zeigen, dass die indirekte Kohlenstoffabscheidung aus Kehrichtverbrennungsabgasen bezüglich der Kosten deutlich besser abschneidet als die technisch ebenfalls bereits machbare direkte Abscheidung von Kohlenstoff aus der Luft.

Synthetischer Treibstoff teurer
Als weitere Option untersuchten die Wissenschaftler die synthetische Herstellung von Flugtreibstoff aus CO2, das direkt oder indirekt aus der Luft abgeschieden wird (engl. carbon capture and utilisation, CCU). Weil die chemische Synthese von Treibstoff aus CO2 energieintensiv und daher teurer ist, ist dieser Ansatz in jedem Fall weniger wirtschaftlich als die Verwendung von fossilem Treibstoff und CCS. Ungeachtet, ob CO2 direkt oder indirekt abgeschieden wird, ist CCU rund dreimal teurer als CCS.

ETH-Professor Mazzotti weist ausserdem auf einen Pferdefuss von CCU hin: Je nach Energiequelle ist dieser Ansatz aus Klimaschutzperspektive sogar kontraproduktiv, dann nämlich, wenn für die Produktion des Treibstoffs Elektrizität aus fossilen Kraftwerken verwendet wird. «Bereits mit dem heutigen Strommix der Schweiz oder mit jenem Frankreichs, der einen hohen Kernkraftanteil aufweist, ist das energieintensive CCU klimaschädlicher als der Status quo mit fossilen Flugtreibstoffen – mit dem derzeit im EU-Durchschnitt verwendeten Strommix mit höherem Fossilanteil erst recht», sagt Mazzotti. CCU sei aus Klimaschutzperspektive nur dann interessant, wenn praktisch ausschliesslich Strom aus klimaneutralen Quellen verwendet würde.

Je länger je lohnender
«Trotz dieser Einschränkung und den grundsätzlich hohen Kosten gibt es möglicherweise Weltregionen, in denen CCU sinnvoll ist. Zum Beispiel dort, wo sehr viel erneuerbarer Strom produziert wird und keine geeigneten CO2-Speicherstätten vorhanden sind», sagt Becattini.

Die ETH-Forschenden berechneten die Kosten der verschiedenen Möglichkeiten einer klimaneutralen Luftfahrt nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zeit bis ins Jahr 2050. Sie erwarten, dass die CCS- und CCU-Technologien mit dem technischen Fortschritt sowie Skaleneffekten günstiger wird. Der über Lenkungsabgaben erhobene Preis für CO2-Emissionen dürfte steigen. Wegen diesen beiden Entwicklungen rechnen die Forschenden damit, dass sich CCS und CCU je länger je mehr lohnen werden.

Infrastruktur nötig
Die Forschenden betonen, dass es noch weitere Möglichkeiten gibt, den Flugverkehr klimaneutral zu gestalten. So laufen beispielsweise Forschungsanstrengungen für Flugzeuge, die entweder mit Strom oder mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Anstrengungen seien ernstzunehmen, sagt Mazzotti. Die Ansätze hätten aber auch Nachteile. So dürften elektrisch betriebene Flugzeuge wegen des hohen Gewichts von Batterien für Langstrecken eher ungeeignet sein. Und für die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff müssen Flugzeuge und Versorgungsinfrastruktur von Grund auf neu entwickelt und aufgebaut werden. Weil diese Ansätze derzeit noch im Entwicklungsstadium sind und entsprechend noch viele Fragen offen sind, haben die ETH-Wissenschaftler diese nicht in ihre Analyse einbezogen und sich auf Flüssigtreibstoffe fokussiert.

Auch für CCS brauche es aber eine Infrastruktur, betonen die Forschenden. Die Orte, an denen CO2 effizient abgeschieden werden kann, und die Lagerorte für CO2 seien unter Umständen weit voneinander entfernt, weshalb es auch eine Transportinfrastruktur für CO2 brauche. Wissenschaft, Industrie und Politik müssten sich in den kommenden Jahren anstrengen, um diese Infrastruktur zu planen und aufzubauen – nicht nur für das CO2 der Luftfahrt, sondern auch für jenes anderer CO2-intensiver Branchen wie der chemischen Industrie oder der Zementindustrie. (ETH/mc/pg)

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