Wie kulturelle Faktoren unseren Fleischkonsum beeinflussen
Zollikofen – Wie wir uns ernähren, beeinflusst unsere Gesundheit – und unsere Umwelt. Eine Möglichkeit, um unsere Ernährung nachhaltiger zu gestalten, ist die Reduktion des Fleischkonsums. Dies gelingt kaum nur mit freiwilligem Verzicht, wie Forschende der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL und der Vietnam National University of Agriculture in einer neuen Studie beschreiben.
Die Wissenschaft zeigt: Weniger Fleisch zu essen, ist einer der grössten Hebel, um unsere Ernährung nachhaltiger zu gestalten. Obwohl sich dieses Wissen langsam durchsetzt, fällt es vielen schwer, ihre Ernährung umzustellen. Warum das so ist, und welche Massnahmen helfen könnten, wollten Forschende der BFH-HAFL und der Vietnam National University of Agriculture im Projekt «Grün essen? Nachhaltiges Ernährungsverhalten in Vietnam und der Schweiz» herausfinden. Die Forscherinnen und Forscher der beiden Länder haben die Essgewohnheiten in Vietnam und der Schweiz untersucht. Das wichtigste Resultat vorweg: Egal in welchem Land, der freiwillige Verzicht wird kaum ausreichen, um eine Ernährung zu etablieren, die nachhaltig ist.
Gesellschaftlich verankert
Sowohl in Vietnam als auch in der Schweiz wird im internationalen Vergleich viel Fleisch gegessen; in ihren Traditionen und Kulturen unterscheiden sich beide Länder aber stark. Ein weiterer Unterschied: Während die Schweiz als entwickeltes Land gilt, zählt Vietnam zu den aufstrebenden. «Mit unserer länderübergreifenden Studie wollten wir die Konsummuster, Gemeinsamkeiten und Unterschiede identifizieren, um daraus Strategien und Massnahmen zu eruieren, wie man den Menschen hilft, weniger Fleisch zu konsumieren», erklärt Mathilde Delley, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BFH-HAFL und Hauptautorin der Studie.
Mittels Online-Umfragen erhoben die Forschenden in beiden Ländern, aus welchen Gründen Fleisch gegessen wird. Sie ermittelten dabei verschiedene Gruppen von Fleischessenden. Drei Gruppen gibt es sowohl in Vietnam als auch in der Schweiz: Fleischliebhaberinnen, beeinflussbare Konsumentinnen und die Proaktiven, die zwar Fleisch essen, gern aber auch fleischlose Alternativen wählen. Zwei Gruppen waren spezifisch: Typisch schweizerisch sind die traditionellen Esserinnen mit wenig Absichten, ihren Fleischkonsum zu reduzieren und die überzeugten Fleischesserinnen, die sich der Konsequenzen des Fleischkonsums nicht bewusst sind. Für Vietnam charakteristisch sind die sorglosen Verbraucher*innen, die am wenigsten Bedenken wegen der Gesundheitsrisiken ihres Fleischkonsums haben und die Ängstlichen, die besorgt über alle negativen Folgen einer schlechter Lebensmittelauswahl sind.
In einer anderen Studie stellten die Forscherinnen und Forscher fest: «In beiden Ländern wird Fleisch als Statussymbol angesehen. In Vietnam hat die Familie einen starken Einfluss auf den Konsum, wohingegen einige Schweizerinnen Fleisch nur in Gesellschaft von Freunden essen», resümiert Dr. Thomas Brunner, Dozent für Konsumentinnenverhalten und Verantwortlicher des Projekts. Auch die Gründe, weniger Fleisch zu essen, sind andere: Den Vietnamesinnen und Vietnamesen geht es hauptsächlich um ihre Gesundheit, während in der Schweiz die Nachhaltigkeit im Fokus steht.
Starke Massnahmen gefordert
«Essgewohnheiten sind tief verwurzelt. Um sie zu verändern, braucht es vielfältige Massnahmen, die gezielt auf die konkreten Konsummotive und -barrieren der einzelnen Gruppen abzielen. Es müssen also psychologische, soziale und kulturelle Variablen einbezogen werden, damit weniger Fleisch auf die Teller kommt», so Dr. Thomas Brunner.
Die Autoren und Autorinnen der Studie sind sich einig: Allein das Vertrauen auf den freiwilligen Verzicht wird nicht genug sein, um möglichst bald einen Wandel zu schaffen. Massnahmen wie Aufklärungskampagnen unterstreichen die Wichtigkeit des Themas, werden aber kaum ausreichen, um den Fleischkonsum auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen. Mathilde Delley: «Es braucht effektivere Methoden wie etwa die Förderung von Kochfertigkeiten an Schulen. Aber auch der Staat steht in der Verantwortung, in dem er etwa wichtige Stakeholder wie die Gemeinschaftsgastronomie ins Boot holt, um vegetarische Menüs zum Standard zu machen oder beim Fleisch kleinere Portionengrössen einzuführen.» (HAFL/mc/pg)