Wiederbelebung nach Herzstillstand: Die Chancen werden überschätzt

Nur jeder fünfte Wiederbelebungsversuch im Krankenhaus ist erfolgreich. (Bild: Adobe Stock / Unibas)

Basel – Bei einem Herzstillstand sinkt mit jeder Minute ohne Kreislauf die Chance aufs Überleben. Was viele nicht wissen: Schon nach wenigen Sekunden wird das Gehirn irreparabel geschädigt. Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel plädieren für mehr Aufklärung – und für eine klare Kommunikation, ob man überhaupt wiederbelebt werden will.

Etwa 8000 Personen in der Schweiz erleiden pro Jahr einen Herzkreislaufstillstand. Wenn das Herz stillsteht und keinen Sauerstoff in die lebenswichtigen Organe pumpt, werden diese geschädigt. Insbesondere das Gehirn ist auf den Sauerstoffmangel sehr empfindlich. «Schon in der ersten Minute ohne Kreislauf sterben im Gehirn Nervenzellen ab und die Chance auf ein Überleben ohne neurologische Defizite nimmt exponentiell ab», erklärt Prof. Dr. Sabina Hunziker.

Ein Herzkreislaufstillstand ist heute immer noch eine der häufigsten Todesursachen. Bei einem Herzkreislaufstillstand ausserhalb des Spitals liegen die Überlebenschancen bei etwa zehn Prozent. Passiert der Herzstillstand im Spital, überlebt etwa jede fünfte Person. «Von den Überlebenden haben etwa die Hälfte kognitive Einschränkungen und nur etwa 25 Prozent können wieder selbständig ohne Hilfe zu Hause leben», sagt Hunziker. Etwas, das vielen nicht bewusst sei.

Bessere Aufklärung nötig
In einer Studie, die in der Fachzeitschrift «Resuscitation Plus» erschienen ist, zeigen die Forschenden der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel, dass die Bevölkerung überschätzt, wie erfolgreich eine Wiederbelebung nach einem Herzkreislaufstillstand ist. «80 Prozent der Befragten präferierten, wiederbelebt zu werden, unabhängig von den Umständen. Der wichtigste Prädiktor für diesen Entscheid war die Einschätzung der Überlebenschance. Dabei wurde die Überlebenschance ohne neurologische Einschränkungen durchschnittlich auf 40 bis 60 Prozent geschätzt», sagt die Professorin für Psychosomatik und Medizinische Kommunikation.

Demzufolge basiert der Wunsch nach einer Wiederbelebung bei vielen auf einer Fehleinschätzung. «Wenn die Leute wüssten, dass ihre Überlebenschancen so gering sind und das Risiko von teilweise schweren Hirnschäden gross ist, würden sich wohl viele gegen eine Wiederbelebung entscheiden», so Hunziker.

«Es wichtig zu erklären, was eine Wiederbelebung im Falle eines Herzkreislaufstillstands bedeutet, damit die Patienten eine informierte und für sie sinnvolle Entscheidung treffen können.»

Prof. Dr. Sabina Hunziker, Professorin für Medizinische Kommunikation an der Universität Basel sowie Stv. Chefärztin Psychosomatik/Leitende Ärztin Medizinische Kommunikation am Universitätsspital Basel

Deshalb plädieren Hunziker und ihre Mitforschenden für bessere Aufklärung. Zum Beispiel bei den Hausärztinnen und Hausärzten, wo über Patientenverfügungen gesprochen wird. Oder im Spital, wenn die Patientinnen eintreten. «Wir führen beim Eintritt immer ein Gespräch, bei dem wir die Präferenzen für oder gegen eine Wiederbelebung besprechen und dann den Wunsch für oder gegen eine Reanimation in der Krankenakte dokumentieren. Hier ist es wichtig zu erklären, was eine Wiederbelebung im Falle eines Herzkreislaufstillstands bedeutet, damit die Patienten eine informierte und für sie sinnvolle Entscheidung treffen können», so Hunziker.

Angehörige und Personal entlasten
«Das Wissen, was Patienten für eine Entscheidung bezüglich Wiederbelebungsmassnahmen bevorzugen, ist wichtig, da wir diese bei Eintreten eines Herzkreislaufstillstands nicht mehr fragen können», so die Medizinerin. Auch wenn in einem Notfall oft nicht klar sei, ob die betroffene Person reanimiert werden möchte oder nicht: «Im Zweifelsfall wird der Patient wiederbelebt. Aber wenn über die nachfolgende Therapie und die weiteren Schritte entschieden werden muss, ist das Wissen, was die Patienten gewollt hätten, beispielsweise in Form einer Patientenverfügung enorm hilfreich», erklärt Hunziker. Ausserdem würde es oft auch die Angehörigen entlasten, die als Ansprechpartner und in Vertretung der Patienten mitentscheidend sind, insbesondere, wenn der Patientenwille unklar ist.

Dass die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht leicht ist, weiss auch Hunziker: «Es sind häufig anspruchsvolle Gespräche, die bei Patienten Angst oder Sorge auslösen können.» Es sei daher besonders wichtig, hier auf mögliche Fragen oder Unsicherheiten einzugehen und die individuellen Präferenzen zu erfahren, um so gemeinsam eine passende Entscheidung zu treffen. (Universität Basel/mc/ps)

Originalpublikation
Sebastian Gross et. al.
“Do-not-resuscitate” preferences of the general Swiss population: Results from a national survey
Resuscitation Plus (2023)
, doi: 10.1016/j.resplu.2023.100383
Universität Basel

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