Wieso die Schweiz das grossartigste Land für Startups ist
Ich werde immer wieder gefragt, wie es eigentlich um die Startup-Szene Schweiz so steht, wieso man den Beteuerungen vieler Inkubatoren, Acceleratoren oder Hubs glauben sollte, dass die Schweiz das grossartigste Land für Startups sei. Meine Kurzantwort: Ist es gar nicht.
Von Helmuth Fuchs
Klar, man wäre es gerne, weil man viele Zutaten hat: Wir haben fantastische Hoch- und Fachhochschulen, ein weltweit einzigartiges, durchgängiges duales Bildungssystem, eine hohe Arbeitsleistung, motivierte und engagierte Mitarbeitende, ein hohes Einkommensniveau, praktisch keine Streiks. Die technische Infrastruktur und die Lebensqualität sind Weltklasse, Korruption eine vernachlässigbare Grösse. Geld ist prinzipiell im Überfluss vorhanden, ebenso Weltmarktführer in allen Sparten auf engstem Raum, die Kunden oder Entwicklungspartner sein könnten.
Weshalb also sind wir nicht das grossartigste Land für Startups?
Weil wir zu kleinräumig denken, zu mutlos agieren. Angefangen bei den Gründern selbst, die statt visionär grössenwahnsinnig das Universum erobern lieber ganz schnell von der nächsten Bank, dem nächsten Medien- oder Pharmaunternehmen übernommen werden wollen. Nach höchsten zwei Jahren einen mittelgrossen Deal landen und von da an dann Investor in der Brosamenliga spielen. Da dürfen sich die Gründer auch nicht wundern, dass sie nicht ernst und mitgenommen werden, wenn es um die Verteilung grosser Aufträge, zum Beispiel in China, geht.
Zu oft lösen Startups keine echten Probleme, beschäftigen sich nicht mit grossen Würfen, sondern begnügen sich mit minimalen Verbesserungen von Bestehendem, digitalisieren ein wenig, statt zu innovieren. Wenn ein Startup im Versicherungsbereich hochgejubelt wird, weil es sich ein wenig digitaler anstellt als die bestehenden Makler, aber genau dasselbe Geschäftsmodell verfolgt, darf der Absturz nicht verwundern. Wir konnten das schon einmal viel besser zu Zeiten von Escher, Boveri, Sulzer oder auch Hayek.
Dann tragen die Politiker ihr gerüttelt Mass zum fehlenden Erfolg bei. In dieser Woche schafften sie es in unglaublicher Effizienz sowohl einen inhaltlich wenig bestrittenen Vorstoss von Jacqueline Badran für Steuererleichterungen von Startups zu versenken, um der Zürcher SP-Politikerin ihr Engagement gegen die Unternehmenssteuerreform III heimzuzahlen, als auch eine Motion von Ruedi Noser (FDP) für ein Startup Visum, um mehr GründerInnen in die Schweiz zu holen.
Während die Finanzindustrie und die Landwirtschaft dank Lobbying von Unterstützungsmilliarden und Direktzahlungen profitieren, ohne viel zur Innovation beizutragen, gibt man sich bei den Startups ziemlich knausrig. Da nützt es auch wenig, wenn Bundesrat Johann Schneider-Ammann als delegierter politischer Posterboy an unzähligen Veranstaltungen die Wichtigkeit der Startup-Szene betont, in der politischen Umsetzung dann aber jegliche Unterstützung fehlt. Zudem werden bundesrätliche Empfehlungen oder Anordnungen in den kantonalen Umsetzungen zu oft bis zur Unkenntlichkeit und Wirkungslosigkeit “angepasst”.
Zuletzt müssen sich auch die Investoren fragen, weshalb sie die Schweizer Startups nicht mit gleichem Enthusiasmus unterstützen, wie die Mitbewerber aus Berlin, London, Tel Aviv oder dem Silicon Valley. An der Qualität der Startups oder der Erfolgsrate alleine kann es nicht liegen. Oft beklagen sie ein fehlendes professionelles Investitionsumfeld, wobei es mehrheitlich an ihnen liegen würde, dieses zu entwickeln und gestalten. Dabei geht es weniger um die Anfangsinvestition von einigen zehntausend bis wenigen hunderttausen Franken, sondern die Wachstumsfinanzierung von zehn bis fünfzig Millionen Franken. Hier müssen nicht nur die Gründer, sondern auch die Investoren grösser denken und mutiger handeln, wenn sie am Ende auch den Gewinn einfahren möchten. Dass es im Ausland geht, haben Schweizer Investoren wie Daniel Gutenberg mehrfach bewiesen.
Wie wir ein grossartiges Land für Startups werden können?
Ganz einfach, in dem wir das tun, was eigentlich unsere Erfolgsgeschichte begründete: Geografische Kleinheit mit weitsichtigem Unternehmertum kompensieren, brillante Köpfe aus dem Ausland holen, machen statt nur rechnen, den Wettbewerb annehmen statt falschen Heimatschutz betreiben, den langfristigen Erfolg anvisieren statt den schnellen Gewinn. Nicht jede halbwegs funktionierende App als genial abfeiern und dabei echte Innovationen aus dem Industriebereich ignorieren, weil sie komplexer und weniger marketingtauglich sind.
Fokus und harte Arbeit von Gründern, Politiker und Investoren sind gefordert. Sonst bleibt es beim gegenseitigen und lokalen medialen Schulterklopfen von “Shakern und Movern”, die aber weder die finanziellen Mittel haben oder investieren, noch die internationale Bedeutung aufweisen, um die Schweiz und ihre Startups im globalen Wettbewerb nach vorne zu bringen.