Zürich – Klimawandel, industrielle Landwirtschaft oder die Wilderei von Tieren bedrohen unzählige Arten. Der WWF zieht Bilanz und hat auch 2019 Gewinner und Verlierer ausgemacht. Zu den Verlierern gehören der Zackenbarsch und der Eisbär, zu den Gewinnern der Goldschakal und der Wisent.
Gemäss dem Living Planet Report sind weltweit die Populationen von Fischen, Vögeln, Säugetieren, Amphibien und Reptilien in weniger als 50 Jahren (1970 bis 2014) durchschnittlich um 60 Prozent zurückgegangen. Und auch die Schweiz ist kein Vorbild: Sie gehört zu den schlimmsten Verursachern des Rückgangs der Artenvielfalt. Der Anteil bedrohter Arten ist in keinem anderen Land der Welt so gross wie hierzulande. Über ein Drittel der Pflanzen-, Tier- und Pilzarten gilt als bedroht. Um diesen Rückgang der Artenvielfalt ins Bewusstsein zu rücken, ernennt der WWF die Gewinner und Verlierer des vergangenen Jahres.
Verlierer 2019
Eisbär: Prognosen sagen, dass die Arktis bis 2050 im Sommer komplett eisfrei sein wird. Das Eis, auf dem Eisbären eigentlich leben und jagen, wird immer weniger. So halten sie sich vermehrt auf dem Festland auf und nähern sich, angelockt von Nahrungsabfällen, menschlichen Siedlungen. Bären, die sich in der Nähe von Menschen aufhalten, werden oft geschossen. So wird die Klimaerhitzung nicht nur wegen fehlendem Eis zum Überlebensproblem für Eisbären.
Zackenbarsch: Zackenbarschweibchen legen bis zu einer Millionen Eier. Doch selbst das ist nicht genug, um sie vor dem Verschwinden zu bewahren. In den meisten Gebieten sind die grossen Exemplare durch Überfischung bereits bedroht. 20 Zackenbarscharten gelten insgesamt als vom Aussterben bedroht. Anteil daran hat auch die globale Zerstörung der Korallenriffe durch die Klimakrise.
Schildhornvogel: Aus dem Stoff des Schnabels des Schildhornvogels (Rhinoplax vigil), auch Schildschnabel genannt, werden Perlen, Anhänger und kunstvoll geschnitzte Dekorationsobjekte gefertigt. Der Handel mit dem wertvollen Material erlebte in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom. Der hatte Folgen: Die in Südostasien lebenden Vögel landeten 2015 als „vom Aussterben bedroht“ auf der Roten Liste, wo sie auch heute noch stehen.
Wildbiene: Sie übernehmen einen Grossteil der Bestäubungsleistungen bei unseren Kultur- und Wildpflanzen. In der Schweiz gibt es über 600 Arten. Wegen der industriellen Landwirtschaft mit Pestiziden, Überdüngung sowie Monokulturen und der Zerstörung ihrer Nahrungsquellen und Nistplätze sind über die Hälfte davon bedroht. Verschwinden die Wildbienen, verschwinden mit ihnen viele Pflanzenarten. Die Schäden für unsere Ökosysteme wären riesig.
Gepard: Auf dem afrikanischen Kontinent hat der Gepard etwa 75 Prozent seines Lebensraumes verloren. Wegen der sehr geringen natürlichen Populationsdichte von nur zwei Individuen pro 100 Quadratkilometern sind ihm die meisten Schutzgebiete zu klein. Glücklicherweise passt sich der Gepard auch von Menschen veränderten Landschaften an. Das zieht jedoch eine weitere Gefahr nach sich: der Konflikt mit Viehzüchtern, der oft tödlich für die Raubkatzen endet. Geparde werden auch ihres Fells wegen gejagt. Oder landen versehentlich in Schlingfallen, welche für Tiere gelegt werden, die für den Verzehr bestimmt sind.
Gewinner 2019
Elefanten in Myanmar: Noch 2017 wurde in Myanmar fast wöchentlich ein Elefant wegen seiner Haut getötet, die in dem südostasiatischen Land zu Hautcremes verarbeitet wird. Deshalb hatte der WWF die Arbeit mit Rangern intensiviert und 22 Stationen errichtet, von denen aus 220 Ranger Tag und Nacht patrouillieren. Die abschreckende Wirkung ist frappierend: In den Regionen Bago und Yangon wurden überhaupt keine Elefanten mehr gewildert. In Irrawaddy hat sich die Zahl gewilderten Elefanten von 16 auf 7 mehr als halbiert.
Wisent: Die bis zu drei Meter lange Rinderart war in vielen Regionen Europas heimisch, bis sie fast ausgerottet wurde. 1996 startete der WWF im russischen Teil des Kaukasus ein Auswilderungsprojekt. Eine Zählung in der Republik Nordossetien-Alanien, die im Februar 2019 durchgeführt wurde, macht nun Hoffnung, dass die Art langfristig überleben kann: Die Wisente vermehren sich prächtig. Inzwischen streifen dort bereits wieder über 100 Tiere durch die Wälder.
Sehuencas-Wasserfrosch: Ein männlicher Sehuencas-Wasserfrosch lebte fast zehn Jahre alleine als letzter seiner Art in einem Aquarium im Naturhistorischen Museum „Alcide d’Orbigny“ in Bolivien. Eines Tages jedoch stiessen Biologen in den Nebelwäldern des Landes zufällig auf ein weibliches Pendant. Nun ruht auf dem Paar die Hoffnung, dass mit vielen Kindern und Kindeskindern die schwindende Art doch noch eine Zukunft erhält. Sehuencas-Wasserfröschen machten vor allem die Erderhitzung und fortschreitende Lebensraumzerstörung zu schaffen.
Goldschakal: Weil er eher wärmere Temperaturen bevorzugt, verlässt der Goldschakal seine angestammte Region im Südosten Europas und zieht ins zunehmend milder werdende Mitteleuropa. Sein Bestand übersteigt in Europa momentan den seines grössten Feindes – des Wolfes – um das Siebenfache. Auch in der Schweiz gibt es regelmässige Sichtungen, wobei bis jetzt lediglich Einzeltiere nachgewiesen wurden.
Borkenkäfer: Der braune, behaarte Buchdrucker (Ips typographicus) ist ein doppelter Gewinner des Klimawandels. In den trockenen und warmen Jahren kann er sich viel besser vermehren. Er findet einen reichgedeckten Tisch im Schweizer Mittelland, weil die Fichten, die in der Vergangenheit angepflanzt wurden, unter dem Klimawandel leiden und geschwächt sind. So kann der Käfer die Fichten besser angreifen, zwischen Rinde und Holz neue Nester anlegen und bringt damit den Baum zum Absterben. (awp/mc/pg)