Basel – Zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat die Universität Basel die Forschung auf den Notbetrieb reduziert. Doch trotz dieser schwierigen Umstände steht die Wissenschaft keineswegs still. In den vergangenen Wochen sind zahlreiche neue Forschungsprojekte entstanden, darunter auch eine Umfrage zu «COVID-19 & Schlaf». Dr. Christine Blume, Schlafforscherin am Zentrum für Chronobiologie, spricht in einem Interview über die Interessen und Ziele ihrer aktuellen Studie.
Frau Blume, was bedeutet der Notbetrieb für Ihre wissenschaftliche Arbeit?
Es bedeutet, dass auch wir nicht weiterarbeiten können wie bisher. Unser Schlaflabor mit sechs Betten ist bereits seit dem 16. März geschlossen, denn die Arbeit mit Probanden ist aufgrund der strengen Auflagen nicht erlaubt. Ich war kurz vor Abschluss einer Studie, aber die ist vorerst auf Eis gelegt.
Sie haben nun eine Umfrage zu «COVID-19 & Schlaf» entwickelt – um was geht es genau?
Mit unserer Befragung wollen wir untersuchen, wie sich die Massnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie auf unseren Schlaf auswirken, also zum Beispiel auf den Schlafrhythmus und die Schlafqualität. Dahinter steht die Frage, wie sich der Schlaf unter den Einflüssen unserer modernen Gesellschaft verändert hat. Schlafstörungen haben in den vergangenen zwanzig Jahren merklich zugenommen und wir gehen davon aus, dass dies ein Resultat unseres modernen Lifestyles ist – also immer «on the go» sein, noch bis spät in die Nacht E-Mails schreiben und daneben noch der «Freizeitstress». Oft haben wir das Bedürfnis nach Entschleunigung, aber die gibt es in unserem Leben eher selten. Nun befinden wir uns in einer Situation, wo ganz zentrale Elemente unseres modernen Lebensstils plötzlich wegfallen.
In Ihrer Umfrage geht es auch um «sozialen Jetlag» – was ist damit gemeint?
Wir alle haben unseren eigenen biologischen Rhythmus, der genetisch bedingt ist und doch in vielen Fällen nicht mit unserem sozialen Rhythmus zusammenpasst. Wenn ich jeden Morgen um acht Uhr im Büro sein muss, aber meine innere Uhr mir eigentlich vorgibt, dass ich von Mitternacht bis acht Uhr schlafen sollte, dann haben wir zwangsläufig einen Konflikt. Ein solcher sozialer Jetlag kann oft Schlafprobleme verursachen. Da das Gerüst des sozialen Timings aufgrund der COVID-19 Massnahmen nun nicht mehr so rigide ist, zum Beispiel durch Homeoffice, würden wir erwarten, dass wir darüber zu einer besseren Passung von biologischen und sozialen Rhythmen kommen.
Schlafen Sie denn selber anders?
Sicher, aber das hat auch damit zu tun, dass ich normalerweise drei Nächte pro Woche im Schlaflabor verbringe und dort mehrmals in der Nacht aufstehe, um nach den Probanden zu schauen – insofern bemerke ich natürlich eine grosse Verbesserung. Ganz unabhängig davon stelle ich aber auch fest, dass mir das Homeoffice und die Absage von Veranstaltungen und Meetings die Möglichkeit bietet, meinen Tagesablauf viel flexibler zu gestalten. Dazu sind auch die Freizeitaktivitäten stark reduziert. Das soziale Timing ist also nicht mehr so fix. Bei mir persönlich wirkt das entschleunigend.
Könnte es auch sein, dass die derzeitige Situation Menschen schlechter schlafen lässt?
Ja, absolut. Für viele Menschen ist die Situation sicher sehr belastend, sei es durch finanzielle Sorgen, Kinderbetreuung oder familiäre Konflikte, weil plötzlich alle zu Hause sitzen. Und Stress ist einer der Hauptgründe für schlechten Schlaf.
Es schiessen gerade sehr viele Studien zu COVID-19 aus dem Boden. Könnte das auch negativ aufgenommen werden, etwa als Versuch, diese Situation auszuschlachten?
Diese Epidemie ist zweifellos ein Jahrhundertereignis und auch für uns Forschende ist die Situation einmalig. Daher möchten wir natürlich daraus lernen. Das sehen auch die offiziellen Stellen so. Beispielweise wurde unser Antrag von der Ethikkommission in Basel in kürzester Zeit bearbeitet und bewilligt. Weiterhin sind in den letzten Wochen viele neue Fördertöpfe und -programme bereitgestellt worden. Ich denke also, es wird von vielen Seiten wahrgenommen, dass wir in dieser Situation viel neues Wissen gewinnen können. Und wir hoffen natürlich, dass sich die Öffentlichkeit nun möglichst breit an den verschiedenen Projekten beteiligen wird. (Universität Basel/mc/ps)