Wissenschaftler lenken Cyborg-Bakterien mit Licht
Zürich / Basel – Forscher der ETH Zürich haben Bakterien erschaffen, deren Wachstum sich vollautomatisch über einen Computer steuern lässt – quasi ein Mischwesen aus lebendem Organismus und Maschine. Die Schnittstelle zwischen Computer und Bakterien funktioniert mit rotem und grünem Licht. Der Ansatz könnte helfen, die biotechnologische Produktion von Molekülen zu optimieren.
Kolibakterium im Einsatz
Bei dem beteiligten Lebewesen handelt es sich um das Kolibakterium (Escherichia coli), das in der biologischen Forschung häufig verwendet wird, bei der Maschine um einen Computer mit modernster Steuerungstechnik, die das Wachstum der Bakterien regelt. Verbunden sind beide über zwei Schnittstellen: Rotes oder grünes Licht übernimmt die Ansprache. In der Gegenrichtung funktioniert die Kommunikation über eine optische Messung der Wachstumsrate der Bakterienkultur. Deren Ergebnis wird in Echtzeit in den Computer eingespeist.
«Wir regulieren jetzt erstmals das Wachstum von Mikroorganismen, und zwar auf sehr präzise und feinabstimmbare Weise», sagt Mustafa Khammash, Professor für Steuerungstheorie und Systembiologie in Zürich. Mithilfe der Computersteuerung lässt sich die Bakterienkultur so beeinflussen, dass sie genau nach einer vorgegebenen Kurve wächst. Das System ist zudem extrem zuverlässig und widerstandsfähig. Getestet wurde, wie die Cyborg-Bakterien auf plötzliche Störungen von aussen reagieren. Dazu haben die Forscher im Experiment die Nährstoffzusammensetzung der Bakterienkultur oder die Temperatur verändert.
Neue Feedback-Steuerung
Auf Störungen stellt sich das System gut ein. «Dies alles ist nur möglich, weil wir für die Steuerung modernste, Feedback-gesteuerte Regelungsalgorithmen benutzen, wie sie auch in Linienflugzeugen zum Einsatz kommen, etwa um die Flughöhe stabil zu halten», so Khammash. Damit sich die Kolibakterien über Licht steuern lassen, wurden die Mikroorganismen biotechnologisch modifiziert. Die Experten verwendeten einen Bakterienstamm, dessen Bauplan Gene von Cyanobakterien enthält. Cyanobakterien können ihren Stoffwechsel an Licht anpassen und – wie die Pflanzen – die Energie des Lichts nutzen.
In Kolibakterien koppelten die Experten die Lichtmesssysteme der Cyanobakterien mit der zellulären Regulation für ein Enzym, das die für das Bakterienwachstum unerlässliche Aminosäure Methionin herstellt. Lässt der Steuerungscomputer die Kolibakterienkultur mit rotem Licht beleuchten, führt das dazu, dass die Bakterien die Methionin-Produktion stoppen und dadurch weniger schnell wachsen. Beleuchtung mit grünem Licht hingegen regt die Methionin-Produktion und damit das Wachstum an. Therapeutische Anwendungen, beispielsweise die Zelltherapie, könnten vom neuen Ansatz profitieren, weiss Khammash. (pte/mc/ps)