Luzern – Der Traum vom Eigenheim zerplatzt für viele Menschen am fehlenden Eigenkapital. Eine neue Eigentumsform, bei der Häuser und Wohnungen nur für eine befristete Zeit gekauft werden, könnte das Wohnen in den eigenen vier Wänden für breitere Bevölkerungskreise zugänglich machen. Ein Handbuch der Hochschule Luzern zeigt, wie sowohl Investorinnen als auch Eigentümer von Wohneigentum auf Zeit profitieren können.
Die Schweiz ist ein Volk von Mieterinnen und Mietern. Während der Grossteil der Bevölkerung in Mietwohnungen lebt, können nur knapp 40 Prozent ein Haus oder eine Wohnung als ihr Eigentum bezeichnen – das sind weniger als in jedem anderen Land in Westeuropa. Ein Grund dafür sind die im Vergleich zum Ausland hohen Baukosten und der hohe Bedarf an Eigenmitteln beim Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung.
Eigentum für 30 Jahre
Eine neuartige Eigentumsform könnte das bald ändern. Beim Modell «Wohneigentum auf Zeit» geht die Immobilie statt für immer nur für eine festgelegte Zeitdauer zum neuen Eigentümer oder zur neuen Eigentümerin über. Yvonne Seiler Zimmermann, Professorin für Finance an der Hochschule Luzern und Co-Autorin des Handbuchs für Wohneigentum auf Zeit, geht davon aus, dass die übliche Zeitdauer 30 Jahre betragen wird. «Das entspricht in der Regel der effektiv notwendigen Nutzungsdauer einer bestimmten Immobilie», so die Forscherin, sei es aus familiären Gründen oder wegen anderen mit dem Lebenszyklus verbundenen Umständen, wie beispielsweise, wenn die Eigentümerin oder der Eigentümer pensioniert wird. Nach dem Ablauf dieser Zeitperiode geht das Wohnobjekt wieder in das Eigentum der ursprünglichen Investorin oder des ursprünglichen Investors zurück.
Tiefere Hypotheken
Wohneigentum auf Zeit macht den Erwerb eines Eigenheims erschwinglicher. Der Kaufpreis bemisst sich nur auf einen beschränkten Teil der gesamten Nutzungsdauer im Vergleich zur ganzen Lebensdauer der Immobilie. Deshalb sind die entsprechenden Wohnobjekte mit einer tieferen Hypothek belegt. Das hat zur Folge, dass Wohneigentum plötzlich auch für breitere Bevölkerungskreise erschwinglich wird. «Besonders attraktiv ist diese neue Eigentumsform für Menschen, die sich sonst kein eigenes Zuhause leisten könnten», sagt Yvonne Seiler Zimmermann. Im Vergleich zur Miete fallen die Wohnkosten für Wohneigentum auf Zeit um rund fünfzehn Prozent tiefer aus, wie das Forschungsprojekt der Hochschule Luzern zeigt.
Aufwertung der Wohnobjekte in der Schweiz
Auch für die Investorinnen und Investoren hat das neue Modell Vorteile. Wenn das Wohnobjekt nach der festgelegten Zeitdauer zurück zum Investor geht und dieser wieder der alleinige Eigentümer ist, kann er die Immobilie marktfähig sanieren. «Wir haben in der Schweiz ein grosses Problem mit überalterten Immobilien, bei denen eine Totalsanierung längst überfällig wäre», erläutert Seiler Zimmermann. In der traditionellen Stockwerkeigentumsform könne die Substanz der Immobilie meist nicht optimal erhalten bleiben, da die Stockwerkeigentumsparteien unterschiedliche Interessen verfolgen und sich dadurch bei der Sanierung gegenseitig blockieren. Das Wohneigentum auf Zeit könne daher zu einer besseren Substanzerhaltung der Wohnobjekte beitragen.
Trotz hoher Akzeptanz: Kaum Objekte vorhanden
Die neue Eigentumsform stösst sowohl bei potenziellen Bewohnerinnen und Bewohnern als auch bei Investoren grundsätzlich auf eine hohe Akzeptanz. Das zeigt eine Erhebung der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2017. Trotzdem gibt es in ganz Europa erst ein einziges Objekt, bei dem Wohnungen mit dem Wohneigentum-auf-Zeit-Modell erworben werden können. Dabei handelt es sich um eine 14-stöckige Liegenschaft mit 42 Wohnungen in Bern. Das Projekt zeigt eindeutig, dass das Modell funktioniert. Trotzdem scheinen sich gerade Grossinvestoren wie Banken und Pensionskassen noch nicht mit der neuen Eigentumsform angefreundet zu haben. «Bei Neuerungen mit so viel Innovationsgehalt tut sich die Immobilienbranche naturgemäss etwas schwer», so Seiler Zimmermann. Deshalb fehle es momentan auch noch an entsprechenden Angeboten. Solange die neue Eigentumsform nicht eine gewisse Marktdurchdringung erreicht hat, bleibt für die Investoren ein Illiquiditätsrisiko.
Für Yvonne Seiler Zimmermann ist jedoch klar: Wohneigentum auf Zeit trifft den heutigen Zeitgeist. Weg von der Idee, alles ein Leben lang besitzen zu müssen, hin zum Denken in Lebensphasen. «In jeder Lebensphase ändern sich die Bedürfnisse, so auch beim Eigenheim», sagt die HSLU-Forscherin. Zudem trägt Wohneigentum auf Zeit auch dem Nachhaltigkeitsaspekt Rechnung. Durch die optimale Sanierung können Gebäude auch energetisch besser unterhalten und Bodenressourcen geschont werden.
So funktioniert Wohneigentum auf Zeit
Im Modell Wohneigentum auf Zeit sind zwei Parteien involviert: die Investorin oder der Investor und die Eigentümerin oder der Eigentümer des Wohnobjekts. Dabei kauft der Investor eine Immobilie, saniert sie falls nötig und verkauft die einzelnen Wohneinheiten an Wohneigentum-auf-Zeit-Eigentümerinnen. Da das Wohneigentum zeitlich begrenzt ist, zahlt die Käuferin bei Kaufabschluss auch nur den Preis für die vereinbarte Nutzungsdauer. Geht man von einer Lebensdauer der Immobilie von 100 Jahren aus und ist Wohneigentum auf Zeit auf 30 Jahre beschränkt, zahlt die Käuferin oder der Käufer nur 30 Prozent des totalen Wertes der Immobilie bzw. der Wohneinheit an den Investor. Nach dem Abschluss des Vertrags ist die Käuferin vollumfängliche Eigentümerin ihrer Wohneinheit. Wie beim traditionellen Wohneigentum kann sie über ihr Objekt verfügen, wie sie möchte. Erst wenn die festgelegte Laufzeit des Eigentums auf Zeit abgelaufen ist, geht das Eigentum des Hauses oder der Wohnung wieder zu hundert Prozent an die Investorin oder den Investor zurück. Im Anschluss nimmt die Investorin oder der Investor bei Bedarf eine Teil- oder Totalsanierung vor und der Zyklus beginnt von vorne.