Wohnungsmarkt: Leerstände wachsen weniger schnell
Zürich – In den vergangenen Wochen haben erste Kantone und Städte ihre Leerwohnungsbestände für 2019 veröffentlicht. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Anzahl leer stehender Wohnungen ist im laufenden Jahr weniger stark gewachsen als in den Vorjahren. Dies zeigt ein Bericht des CS Investment Strategy Departments.
In zwei der sieben Kantone (Aargau und Zürich), die ihre Zahlen bereits bekannt gegeben haben, sind die Leerstände sogar gesunken. In den Kantonen Waadt und Genf ist der Anstieg ausserdem nur sehr gering ausgefallen. Insgesamt sind die Leerstände in den sieben Kantonen um bloss 1.5% gestiegen (Vorjahr: 16.9%). Ein geringerer Anstieg war zuletzt 2012 beobachtet worden.
Anstieg der Leerwohnungsziffer auf gegen 1.7% erwartet
Die offizielle Publikation der Leerstände erfolgt im September. Die Leerwohnungsziffer ist eine Vollerhebung und daher eine etablierte Kenngrösse zur Beurteilung des Schweizer Wohnungsmarkts. Jährlich erfassen dabei die Gemeinden per Stichtag 1. Juni die leer stehenden Wohnungen. Wir erwarten gemäss unserer Hochrechnung gesamtschweizerisch eine stärkere Zunahme der Leerwohnungen als in den bereits publizierten Ergebnissen. Während in jenen sieben Kantonen die Nettozuwanderung gegenüber dem Vorjahr wieder etwas angestiegen ist (+6.6%), dürfte die Ausweitung des Wohnungsbestandes an Tempo verloren haben (–7.1%). Eine solche Annäherung von Angebot und Nachfrage konnte in den verbleibenden 19 Kantonen nicht beobachtet werden.
Das Plus von geschätzt 4000 Leerwohnungen dürfte aber klar unter dem Zuwachs des Vorjahres von 8000 Wohneinheiten bleiben. Der Leerwohnungsbestand würde dadurch auf über 76’000 Leerwohnungen anwachsen, und die Leerwohnungsziffer, welche die Anzahl leer stehender Wohnungen in Bezug zum Gesamtwohnungsbestand setzt, dürfte von 1.62% auf knapp 1.7% steigen – ein Wert, der zuletzt vor über 20 Jahren übertroffen wurde.
Stützendes Wirtschaftswachstum
Dass der Anstieg schwächer ausfällt als in den Jahren 2014 bis 2018, dürfte neben der leichten Beruhigung der Bautätigkeit insbesondere der guten Konjunktur des letzten Jahres (BIP-Wachstum: +2.8%) zu verdanken sein. Das Wirtschaftswachstum hat nicht nur zu einer Trendwende bei der Zuwanderung geführt, es dürfe auch die inländische Wohnungsnachfrage entscheidend gestützt haben.
Weiterhin regionale Überangebote bei Mietwohnungen
Von erhöhten Leerständen betroffen sind weiterhin vorwiegend Mietwohnungen. Trotz den zunehmenden Überangebotstendenzen auf dem Mietwohnungsmarkt sind Wohnrenditeliegenschaften als Anlageobjekte noch immer sehr gesucht. Dafür sorgt das anhaltende Negativzinsumfeld, das dazu führt, dass Immobilien im Vergleich zu Anleihen attraktive Cashflow-Renditen generieren. Auf der Suche nach Rendite und aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Bauland sind etliche Investoren auch in Agglomerationsgemeinden und ländliche Regionen ausgewichen – mitunter in solche, in denen das Nachfragepotenzial beschränkt ist. Mittlerweile dürfte die Leerwohnungsziffer bei Mietwohnungen bei rund 2.65% liegen (Vorjahr: 2.5%). Damit hat sie sich innerhalb von neun Jahren verdoppelt.
Eigentumsobjekte kaum betroffen
Auch der Wohneigentumsmarkt war über die letzten Jahre von einem rückläufigen Nachfragetrend betroffen, wenn auch nicht in erster Linie aufgrund der rückläufigen Zuwanderung. Vielmehr hat das hohe Preisniveau in Kombination mit der angezogenen Regulierungsschraube bei der Vergabe von Hypothekenkrediten den Kreis potenzieller Ersterwerber eingeschränkt. Anders als bei den Renditewohnliegenschaften ist das Angebot beim Wohneigentum jedoch der sinkenden Nachfrage gefolgt. Die Zahl der baubewilligten Wohneinheiten der vergangenen 12 Monate liegt mit gut 18’000 gut ein Drittel unter dem Mittelwert seit 2002. Entsprechend sind auf dem Wohneigentumsmarkt Überangebote praktisch ausschliesslich in von Abwanderung betroffenen peripheren Regionen, bei Zweitwohnungen und im Luxussegment ein Thema, während in vielen Regionen eher Knappheit herrscht. Davon zeugt auch das wieder solide Preiswachstum von 3.8% p.a. (2. Quartal 2019). Für die Anzahl leer stehender Eigentumsobjekte erwarten wir insgesamt eine Seitwärtsbewegung, sodass hier die Leerwohnungsziffer bei 0.6% verharren dürfte.
Keine Fortsetzung der Entspannungstendenz in Grosszentren
Die fünf Schweizer Grosszentren haben ihre Leerwohnungsziffern per 1. Juni 2019 bereits kommuniziert. In diesen kann von Überangeboten weiterhin keine Rede sein. Im Gegenteil: In der Tendenz herrscht eine Wohnungsknappheit, die sich in den letzten Jahren allerdings leicht entspannt hat. Diese Entspannung hat dieses Jahr jedoch keine Fortsetzung erfahren. Die Leerwohnungsziffer der Grosszentren liegt unverändert bei 0.46%. In den einzelnen Zentren präsentiert sich die Situation indes uneinheitlich: Am knappsten sind leere Wohnungen in Zürich (0.14%) und Lausanne (0.36%). In diesen Städten standen per 1. Juni 2019 deutlich weniger Wohnungen leer als im Vorjahr. Gestiegen ist die Anzahl Leerwohnungen hingegen in den Städten Bern (0.56%) und Basel (1.0%), während die Situation in der Stadt Genf nahezu unverändert bleibt (0.63%). Insgesamt nimmt das Stadt-Land-Gefälle auf dem Schweizer Wohnungsmarkt weiter zu. Ausserhalb der Grosszentren dürfte die Leerwohnungsziffer inzwischen gegen 1.9% betragen (2018: 1.79%). Auf mittlere Sicht versprechen zahlreiche Grossprojekte wieder eine gewisse Entspannung, etwa in Genf und Zürich. Angesichts des anhaltenden Reurbanisierungstrends dürfte jedoch auch die Wohnungsnachfrage in den Zentren hoch bleiben. (CS/mc/pg)