WWF: Jahresrückblick – Verlierer und Gewinner 2011
Unter den Verlierern des Jahres: Südafrikanisches Nashorn (© Martin Harvey / WWF-Canon).
Zürich – Auch 2011 gelang es nicht, den dramatischen Artenschwund zu verlangsamen. Klimawandel, Wilderei oder extensive landwirtschaftliche Nutzung setzen vielen Arten stark zu. Rund ein Drittel aller untersuchten Arten sind gemäss der Weltnaturschutzunion IUCN gefährdet. Besonders hart getroffen hat es 2011 die südafrikanischen Nashörner. Dafür können die Bartgeier auf eine bessere Zukunft hoffen.
Der Artenschwund schritt auch 2011 weiter voran. Das zeigt die aktualisierte Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUCN. An vielen Orten kämpfen Tier- und Pflanzenarten ums Überleben. Die südafrikanischen Nashörner verzeichnen 2011 einen traurigen Rekord: Nie zuvor wurden mehr dieser beeindruckenden Tiere durch Wilderer getötet. Und dem Alpenschneehuhn wird die Klimaveränderung zum Verhängnis. Vereinzelt gibt es auch Grund zur Freude: Dank dem Einsatz des WWF dürfen sich die Berggorillas im Kongo vorläufig sicher fühlen. Ebenfalls erfolgreich ist die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Schweizer Alpen. Zum Jahresende zieht der WWF Schweiz Bilanz und zeigt Verlierer und Gewinner aus dem Jahr 2011:
Verlierer 2011
Biene
Bienen bestäuben 70 der 100 wichtigsten Nutzpflanzen der Erde. Die kleinen Insekten sind somit für die Sicherung unserer Nahrungsgrundlage enorm wichtig. Umso erschreckender ist das grosse Bienensterben, das seit einigen Jahren besonders in Europa und Nordamerika auftritt. Diesen Frühling stellte die Uno einen Umweltbericht vor, der mögliche Gründe für das mysteriöse Massensterben nennt. Es sind dies: Schädlinge, der Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft, das Verschwinden vieler Pflanzen, die Luftverschmutzung und der Klimawandel. Schafft es die Menschheit nicht, die Bewirtschaftung des Planeten nachhaltiger zu gestalten, so steht es gemäss Uno-Bericht schlecht um die wertvollen Bienen. Das wiederum könnte uns Menschen schwer zu schaffen machen.
Südafrikanische Nashörner
Trauriger Rekord für die südafrikanischen Nashörner: 2011 wurden über 400 Tiere von Wilderern getötet – so viele wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Der Kampf gegen die Nashornjäger wird immer schwieriger und gefährlicher. Mit Helikoptern, Nachtsichtgeräten und Schnellfeuer-gewehren wird Jagd auf das kostbare Horn gemacht. Auf dem asiatischen Schwarzmarkt bringt dieses zurzeit 30000 bis 50000 US-Dollar ein – pro Kilogramm. Besonders im wirtschaftlich aufsteigenden China wird den Hörnern nachgesagt, allerlei Krankheiten zu heilen. Ende dieses Jahres hat der WWF 19 südafrikanische Nashörner per Helikopter in ein stärker geschütztes Gebiet ausgeflogen. Auch durch die Ausbildung von Wildhütern und die Überwachung des Handels versucht der WWF, das Nashorn vor dem Aussterben zu bewahren.
Alpenschneehuhn
Manche mögen’s heiss – doch bestimmt nicht das Alpenschneehuhn. Laut einer aktuellen Studie der Schweizerischen Vogelwarte Sempach trifft die Klimaveränderung den wärmeempfindlichen Alpenvogel besonders hart. Mit steigender Temperatur weicht das Alpenschneehuhn auf höher gelegene, kühlere Zonen aus. Die Anpassung an den neuen Lebensraum kann nur mit genügend störungsarmen Rückzugsgebieten gelingen. Und ist der Gipfel einmal erreicht, kann es sein, dass der Vogel ganz verschwindet. Um den Fortbestand des Alpenschneehuhns zu sichern, braucht es effiziente Massnahmen gegen den Klimawandel. Die Entscheide, die im Dezember an der Klimakonferenz in Durban gefällt wurden, sind leider zu zögerlich, um den Fortbestand des Alpenschneehuhns zu gewährleisten.
Westpazifischer Grauwal
Für Wale soll es keine neuen Schutzgebiete geben. Dies ist das Resultat der diesjährigen Konferenz der Internationalen Walfangkommission IWC. Die Verhandlungspartner versäumten es, sich für einen griffigeren Schutz der Meeressäuger einzusetzen. Dabei sind mutige Entscheide dringend nötig, um die bedrohten Bestände zu erhalten. Besonders schlimm steht es um den Westpazifischen Grauwal. Die letzten Exemplare – rund 130 Tiere, davon weniger als 30 fortpflanzungsfähige Weibchen – leben vor der russischen Insel Sachalin. Genau dort sind gigantische Projekte geplant, um weitere Ölvorkommen aus der Tiefsee zu pumpen. Dieser massive Eingriff könnte das Ende der sensiblen Säuger sein. Der WWF wehrt sich deshalb gegen die Realisierung des Projekts und setzt sich für zusätzliche Walschutzgebiete ein.
Seychellen-Fledermaus
Für die Seychellen-Fledermaus sieht es schlecht aus: Sie ist gemäss der Weltnaturschutzunion IUCN akut vom Aussterben bedroht. Weniger als 250 der insektenfressenden Nachtschwärmer sind noch übrig. Und der Bestand nimmt weiter ab. Die fliegenden Säuger leben in gleichmässig kühlen Felshöhlen sowie in sumpfigen und waldigen Gebieten des Inselstaates Seychellen im Indischen Ozean. Die schlimmsten Verluste erlitt die Art vermutlich, als Anfang des 20. Jahrhunderts viel Wald gerodet wurde, um Kokosnussplantagen Platz zu machen. Die Fledermäuse finden auf den intensiv bewirtschafteten Feldern keine Nahrung mehr. Ausserdem überwuchern die Pflanzen von vernachlässigten Plantagen die Eingänge der als Schlafplätze dienenden Höhlen und ändern deren Innentemperatur. Ohne rasch umgesetzte Schutzmassnahmen hat die Seychellen-Fledermaus laut IUCN keine Chance.
Gewinner 2011
Bartgeier
Weil ihm fälschlicherweise nachgesagt wurde, dass er Lämmer und kleine Kinder fresse, wurde der Bartgeier vor rund 100 Jahren im ganzen Alpenraum ausgerottet. Heute können Wanderer den imposanten Greifvogel, der sich von den Knochen toter Tiere ernährt, wieder bewundern. Seit 1986 werden in einem aufwändigen Projekt Bartgeier in Österreich, der Schweiz, Italien und Frankreich wieder angesiedelt. 2010 hat die Stiftung Pro Bartgeier mit Unterstützung des WWF im St. Gallischen Calfeisental erstmals drei Jungvögel ausgewildert. Da sich diese gut einlebten, wurden dieses Jahr am selben Ort erneut drei junge, gezüchtete Bartgeier in die Freiheit entlassen. Zusammen mit den Jungtieren aus Wildbruten umfasst die Alpen-Population nun gegen 150 Individuen. Noch ist aber die genetische Vielfalt schmal, deshalb sind weitere Auswilderungen geplant.
Lachs
60 Jahre lang schwammen keine Lachse mehr in Schweizer Gewässern. Wegen der Kraftwerke konnten die Fische nicht zu ihren Laichgebieten aufsteigen, um sich fortzupflanzen. Mit Hilfe des WWF wird sich die Situation für die Lachse nun aber endlich verbessern: Im Januar trat das neue Gewässerschutzgesetz in Kraft. Dieses schreibt ökologische Umbauten der Kraftwerke vor und stellt die nötigen Mittel dafür bereit. So können unter anderem Fischtreppen für die Lachse gebaut werden, damit sie wieder ungehindert wandern können. Gemeinsam mit anderen Umweltschutzorganisationen erreichte der WWF auch, dass der niederländische Haringvliet-Damm für Fische geöffnet wird – die Voraussetzung dafür, dass die Lachse überhaupt vom Meer in den Rhein und zurück in die Schweiz finden.
Berggorilla
Vorsichtig aufatmen dürfen die Berggorillas im Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo: Dank intensiver Lobbyarbeit erreichte der WWF, dass ein Ölförderprogramm im Gebiet vorläufig suspendiert wird, bis dessen Auswirkungen auf die Umwelt geklärt sind. Dürften die ausländischen Firmen im geschützten Nationalpark ohne Einschränkung nach Öl bohren, wäre der Lebensraum der dort lebenden Berggorillas ernsthaft bedroht. Weltweit gibt es heute rund 780 Berggorillas. Das sind wenige, doch durch die langjährigen Bemühungen von Umweltschutzorganisationen konnte erreicht werden, dass die Population in den letzten 12 Jahren um einen Siebtel gestiegen ist. Die Berggorillas leiden vor allem unter der zunehmenden Wilderei und der Zerstörung ihres Lebensraumes.
Przewalski-Wildpferd
Die Wildpferde galten 1996 als in der Wildnis ausgestorben. Gründe dafür waren starke Bejagung und Lebensraumverlust. In der Mongolei stehen sie mittlerweile unter strengem Schutz. Der WWF engagiert sich seit 1998 für die Wiedereinführung des Przewalski-Wildpferds in der Mongolei. Durch Wiederansiedlungsmassnahmen konnte es sich in freier Wildbahn etablieren und verzeichnet mittlerweile über 300 Individuen. Deshalb wurde die Art auf der kürzlich aktualisierten Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN von der Kategorie „vom Aussterben bedroht“ auf „stark gefährdet“ zurückgestuft. Die Przewalski-Wildpferde gelten heute als die einzigen noch verbliebenen Wildpferde der Welt.
Homo sapiens
Nach Schätzungen der Uno erreichte die Menschheit am 31. Oktober 2011 die 7-Milliarden-Grenze. Und die Bevölkerung wächst weiter. Zwar geht die Zahl der Kinder pro Frau stetig zurück, doch wird es bis zur angestrebten Stabilisierung noch dauern. Der Homo sapiens hat sich auf der Erde erfolgreich durchgesetzt – was auch unerfreuliche Seiten hat. Denn noch stärker als die Bevölkerungszahl nimmt der Ressourcenverbrauch pro Kopf zu. Dieser ist besonders in den Industrienationen viel zu hoch und belastet die Erde übermässig. Will der Mensch auf der Gewinnerseite bleiben, so muss er künftig mit weniger Ressourcen auskommen und die Umweltbelastung senken. Der Weg zum Ziel führt über energieeffiziente Gebäude, sparsame Fahrzeuge, moderaten Konsum von Fleisch und eine griffige Klimapolitik.