Zürich – Durch den Verlust von Lebensraum, illegaler Jagd, Überfischung und nicht nachhaltiger Landwirtschaft gibt es immer weniger Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische auf der Welt. Der Druck auf die Tierbestände durch menschliche Aktivitäten hat weiter zugenommen, wie neuste Zahlen des heute veröffentlichten Living Planet Report des WWF zeigen. Die Umweltorganisation ruft die globale Gemeinschaft auf, sich zu einem Abkommen für Natur und Menschen zusammenzuschliessen. Durch einen «Global Deal for Nature» lasse sich der Trend zum Verlust der biologischen Vielfalt umkehren.
Die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Tierwelt, Wälder, Ozeane, Flüsse und das Klima sind schwindelerregend. Laut neusten Zahlen des WWF-Reports hat der Bestand der Wirbeltiere in den letzten 50 Jahren global um 60 % abgenommen. Der Rückgang der Biodiversität ist in tropischen Regenwäldern, in Flüssen, Seen und Feuchtgebieten am grössten. Die Zahl der Süsswasser-Tiere ging sogar um 83 % zurück, am drastischsten zeigt sich der Rückgang der Süsswasserarten mit 94 % in Zentral- und Südamerika. 20 % des Amazonasgebiets sind verschwunden, in den letzten 30 Jahren hat die Erde etwa die Hälfte ihrer Korallen verloren. Die Umweltorganisation WWF stützt sich dabei auf Daten von 4’005 Wirbeltierarten, von Flussdelphinen über Elefanten bis hin zum Arktischen Ziesel. Hauptursachen des weiterhin zunehmenden Artenverlusts sind der Verlust von Lebensräumen, Überfischung, illegale Jagd und nicht nachhaltige Landwirtschaft, wobei der Klimawandel eine zusätzliche Bedrohung darstellt.
«Die Erde steht vor einem Burn-Out»
In den vergangenen 50 Jahren ist die Nachfrage nach Gütern aus der Natur enorm angestiegen. Derzeit nutzt die Menschheit die Ressourcen der Erde schneller als die Natur sie erneuern kann: Nach jüngsten Berechnungen verbraucht die moderne Gesellschaft jedes Jahr Waren und Dienstleistungen, die der jährlichen Regenerationskraft von 1,7 Erden entsprechen. Die Schweiz hat gar einen ökologischen Fussabdruck von drei Planeten.
Die Schweiz ist kein Vorbild, was den Erhalt von Natur und Biodiversität angeht. Der Anteil bedrohter Arten ist in keinem anderen Land der Welt so gross. Über ein Drittel der Pflanzen-, Tier- und Pilzarten gilt in der Schweiz als bedroht, 255 Arten sind bereits ausgestorben. Die Qualität der Natur der Lebensräume nimmt ab, und dies auch in geschützten Gebieten.
«Wir müssen dringend überdenken, wie wir die Natur nutzen und welchen Wert wir ihr beimessen – kulturell, wirtschaftlich und auf unserer politischen Agenda», sagt Thomas Vellacott, Geschäftsführer des WWF Schweiz. «Eine gesunde und nachhaltige Zukunft für alle ist nur auf einem Planeten möglich, auf dem die Natur gedeiht. In Wäldern, Ozeanen und Flüssen brauchen wir vielfältiges Leben mit gesunden Pflanzen und Tieren. Die Natur ist für die Menschheit unverzichtbar. Wir – und der Planet – brauchen jetzt einen neuen globalen Deal für Natur und Menschen», fasst Vellacott zusammen. Und dieser Deal soll mit internationalen politischen Vereinbarungen im Jahr 2020 manifestiert werden.
«Was für eine Zukunft wollen wir? Es liegt an uns»
Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten: Zum Beispiel hat sich die Anzahl der Buckelwale, Pandas und Tiger in den letzten Jahren erholt. «Diese guten Nachrichten müssen zur Norm werden. Doch dazu brauchen wir eine vollständige Kehrtwende statt weiter wie bisher», so Vellacott. Aktuell sind globale politische Prozesse im Gange, die eine einzigartige Gelegenheit bieten, den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen: 2020 ist ein entscheidendes Jahr, in dem die Staats- und Regierungschefs die Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG), dem Übereinkommen von Paris (UNFCCC) und dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) überprüfen werden.
«Deshalb rufen wir Menschen, Unternehmen und Regierungen dazu auf, zu mobilisieren und im Entscheidungsjahr 2020 einen umfassenden Deal für Natur und Menschen umzusetzen. Diesen braucht es, damit öffentliche und private Massnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der globalen Biodiversität und Natur aktiviert werden. Alle Akteure sollen an einem Strang ziehen: Staaten, Unternehmen, die Finanzwelt, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und Einzelpersonen.» (WWF/mc/pg)