Manuel Bernsau, CEO VentoStream, im Interview

Manuel Bernsau, CEO VentoStream, im Interview
Manuel Bernsau, CEO VentoStream. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Bernsau, im Juni hat das Schweizer Stimmvolk das Stromgesetz angenommen, das die Grundlagen schafft, damit in der Schweiz rasch mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert werden kann. Die Voten der Gegner zielten stark auf die Windkraft. Ganz grundsätzlich: Ist die Schweiz ein «Windland»?

Manuel Bernsau: Die Schweiz ist ein Land mit besonderen topografischen Herausforderungen für die Installation von Windkraftanlagen. Es gibt keine weitläufig-flachen Gebiete, die optimal für die Installation eines Windrads wären, dafür viele Hügel und Berge, wenig Platz für die riesigen Windräder mit gigantischen Rotorendurchmessern von gut mehr als 150 Metern und Nabenhöhen von über 100 Metern. Der Wind weht nur selten konstant, dafür gibt es viele Windböen, Luftverwirbelungen und Rückströmungen entstehen, die klassische Windräder beschädigen können und die Erträge buchstäblich zum Spiel des Windes machen. Die Schweiz ist mit der richtigen Technologie auf jeden Fall ein Windland und liefert ganzjährig und vor allem im Winter einen wichtigen Beitrag zum erneuerbaren Energiesystem, sei es in den Alpen, in der Fläche oder im industriell-urbanen Raum.

Die Bewilligungsverfahren für Windräder resp. Windparks sollen jetzt zwar vereinfacht werden – dennoch dürften Einsprachen von Privatpersonen und Organisationen die Bewilligungen verzögern. Landschaftsschutz, Naturschutz, Infraschall, Wirtschaftlichkeit, nicht-Rezyklierbarkeit – verstehen Sie die Argumente der Gegner?

Mein Maschinenbauer-Herz schlägt natürlich höher, wenn ich vor einem dieser Windkraftriesen stehe und denke dabei auch an die grosse technische und logistische Leistung, die hinter solchen Bauten steht. Als Einwohner dieses Landes kann ich die Argumente der Gegner nachvollziehen, wenn der Impact auf die Natur, die Landschaft und alle Lebewesen wirklich und nachweisbar gross ist. Und was geschieht am Ende ihres Lebenszyklus? Die glasfaserverstärkten Rotoren sind nicht so einfach zu rezyklieren und die Rückbaukosten werden oft unterschätzt. Die Riesen werden zudem immer grösser, um effizienter zu werden: Kleinere Anlagen sind im Markt praktisch nicht mehr erhältlich, denn sie lassen sich nicht mehr profitabel betreiben.

«Die Schweiz ist mit der richtigen Technologie auf jeden Fall ein Windland und liefert ganzjährig und vor allem im Winter einen wichtigen Beitrag zum erneuerbaren Energiesystem.»
Manuel Bernsau, CEO VentoStream

Und mit den Windturbinen von VentoStream nehmen Sie jetzt den Gegnern den Wind aus den Segeln?

Aufgrund ihrer Bauweise lassen sich die VentoStream-Turbinen flexibel einsetzen und skalieren, auch dort, wo bereits Produktionsanlagen stehen, etwa auf Staumauern. Sie verschaffen zudem Organisationen und Gemeinden einen einfacheren Zugang zur Windenergie für die Eigenverbrauchsproduktion – massgefertigte Windsysteme sind möglich. Technologisch haben wir viele Probleme klassischer Windräder gelöst. So gibt es bei uns keine sichtbaren, beweglichen Teile. Vogelschlag und Eiswurf sind gar nicht möglich. Die Musik spielt bei uns nur in den Turbinen: Sie können auf vorhandenen Masten und Aufhängungssystemen angebracht werden – eine ästhetische Frage, aber auch eine Leistungsfrage pro Produktionseinheit. Die Turbinen selbst werden mittels Simulationen und Messungen vor Ort auf die Windsituation am Standort ausgerichtet. Wir benötigen für eine bestimmte Leistung und Ertrag viel weniger Fläche und können mehrere Einheiten nahe beieinander platzieren. Small is beautyful und smart für Landschaft und Umwelt.

VentoStream-Windturbinen sind wesentlich kompakter in der Bauweise und verfügen über vergleichsweise niedrige Masten. Von welcher Höhe und Breite reden wir bei Ihren Anlagen?

Die Gesamtgrösse einer Produktionseinheit hängt davon ab, wie viele Turbinen man kombiniert. Eine Turbine ist 4,5 Meter lang mit einem Durchmesser von 3,2 Meter und verfügt über eine Peak-Leistung von 100 KW. Je nach Mastkonstruktion lassen sich mehrere Turbinen kombinieren, um eine bestimmte Leistung und Ertrag zu erzielen. Die auf unserer Website visualisierten Produktionseinheiten sind etwa 50 Meter hoch. Es sind auch andere Konstruktionen und Bauhöhen möglich, je nach Windenergie-Standort.

Wie viel Energie lässt sich mit einer Turbine erzeugen?

An einem optimalen Standort rechnen wir pro Turbine mit um die 560’000 kWh pro Jahr.

Und mit wie vielen Windturbinen wird die gleiche Leistung wie bei einem konventionellen Windrad erzeugt?

Die Leistung ist an sich irrelevant. Nach unseren Berechnungen können neun kleine VentoStream-Turbinen pro Jahr gleich viel Strom produzieren wie ein 3-MW-Windrad mit einem Durchmesser von knapp 140 Meter und einer Nabenhöhe von über 100 Meter.

Was können Sie uns über die Technologie resp. Funktionalität verraten?

Die VentoStream-Turbine ist kompakt und weniger anfällig auf Verwirbelungen. Sie arbeitet auch bei geringen Windgeschwindigkeiten und übersteht heftige Böen ohne Materialermüdung. Wie sie funktioniert? Man darf sie nicht mit einem Windrad vergleichen. Im Innern herrschen ganz andere Windverhältnisse als draussen in der Landschaft. Bildhaft gesagt: In der Turbine wird der natürliche Wind stark beschleunigt. Ein Windbooster sozusagen. Es handelt sich um eine Massenströmungsturbine, die bestehende Technologien etwa aus dem Turbinenbau mit Aerodynamik und Erkenntnissen aus der Strömungslehre kombiniert. Windenergieproduktion neu gedacht. Das Gesamtsystem ist die Innovation.

«Windenergieproduktion neu gedacht. Das Gesamtsystem ist die Innovation.»

Neben den deutlich niedrigeren Masten: Welche entscheidenden Vorteile bieten Ihre Windturbinen?

Nebst den bereits erwähnten Vorteilen wird die Infrastruktur kleiner, die Logistik einfacher, Baubewilligungen sollten sich verkürzen, ebenso wird die Bauzeit dank Vorfertigung in Hallen nur noch wenige Monate betragen. Und die Skalierbarkeit bietet eine grosse Zukunftssicherheit sowie planbare Kosten. Auch der Rückbau wird deutlich günstiger und alle Bauteile sind nahezu voll rezyklierbar.

Welche Einsatzorte und Zielgruppen sehen Sie vor?

Durch ihre kompakte Bauweise lassen sich die Turbinen flexibel nutzen, sowohl in hochalpiner Lage, im Alpenraum wie in urbaner Umgebung. Sie sind kombinierbar mit bestehenden Infrastrukturen. Im Gegensatz zu einer konventionellen Windkraftanlage lässt sich ein System auch für den Eigenverbrauch oder als Ergänzung zu einer Photovoltaikanlage designen, um auch im Winter genügend erneuerbare Energie zu produzieren, was das Verteilnetz entlastet. Somit weitet sich die Zielgruppe stark aus.

«Durch ihre kompakte Bauweise lassen sich die Turbinen flexibel nutzen, sowohl in hochalpiner Lage, im Alpenraum wie in urbaner Umgebung.»

Die Kosten für konventionelle Windräder gehen in die Millionen. Mit welchen Kosten ist für eine VentoStream-Turbine zu rechnen?

Bei einem Windrad fallen nicht nur die Anschaffungskosten ins Gewicht, sondern auch die Projektierung, der Bau, Betrieb und Wartung sowie Rückbau. Wie gehen davon aus, dass mit unseren Turbinen über die gesamte Lebenszeit Einsparungen von 30 bis 40 Prozent erzielt werden können.

Zurzeit konstruieren und bauen Sie die Betaversion des Vormarktmodels «VentoStream Typ T1». Wann rechnen Sie damit, die Serienproduktion starten zu können?

Derzeit bereiten wir ausführliche Messreihen für die künftige Regelung und Produktionssimulationen sowie Produktionstests in der Landschaft vor und können diese voraussichtlich bis Ende des zweiten Quartals 2025 abschliessen. Die Vorbereitung zur Serienproduktion startet parallel zur Inbetriebnahme der Beta-Version in den Monaten danach. Die Anlagen werden natürlich auf Bestellung nach Mass gefertigt.

VentoStream ist aus einer Familienidee entstanden. Was können Sie uns über die Entwicklung dieser Idee sagen?

Ich komme aus einer Maschinenbauer-Familie. Mein Grossvater hat sich bereits mit dem Thema Antriebsoptimierung und Energieeffizienz beschäftigt. Mein Vater hat sich intensiv mit seinen Arbeiten befasst, nachdem er von einer Anwohnerin eines geplanten Windrads aufgefordert wurde, er sei doch Ingenieur und solle etwas besseres entwickeln, hat ihn das Thema gepackt und er hat über fast ein Jahrzehnt eine neue Technologie entwickelt, zum Patent angemeldet und immer wieder optimiert. Ich bin stolz darauf, dass wir jetzt kurz vor dem Abschluss unserer Beta-Version stehen und zeitnah die Serienproduktion starten können. Aus dem Familienprojekt ist ein veritables Startup mit derzeit fünf Mitarbeitenden entstanden, die hart an dieser Alternative zu konventionellen Windkraftanlagen arbeiten.

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