Michel Schwery, CEO Naturenergie Holding, im Interview

Michel Schwery, CEO Naturenergie Holding, im Interview
Michel Schwery, CEO der naturenergie Holding. (Foto: zvg)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Schwery, trotz um 15 Millionen Euro höheren Investitionen hat sich der Betriebsgewinn EBIT um 117 Millionen auf 224 Millionen mehr als verdoppelt. Das trotz gesunkenem Strom- und Gasabsatz. Ich nehme an, Sie sind mit dem Zahlenkranz sehr zufrieden?

Marcel Schwery: Ja, wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Unser grosses Engagement, gute Grosshandelspreise und Erzeugung sind die Basis dieses Rekord-Ergebnisses. Es ermöglicht uns, weiterhin in die Energiewende zu investieren, vor allem in Netzausbau und Digitalisierung. Diese Ergebnisse bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wieso sind die langfristigen Rückstellungen für Konzessionsabgaben im letzten Jahr von Millionen 127,6 auf 193 Millionen Euro gestiegen?

Die langfristigen Rückstellungen für Konzessionsverpflichtungen sind gestiegen, weil wir bilanzpolitische Spielräume nach Obligationenrecht genutzt haben, um die Rückstellungen zu erhöhen.

Die Zahl der Mitarbeitenden der naturenergie Holding stieg um ein Zehntel. Welche Stellenprofile betrifft das am meisten?

Unsere Investitionen in die Energiewende spiegeln sich in den neu geschaffenen Stellen wider. Besonders im Bereich der Netzinfrastruktur haben wir unsere Kapazitäten erweitert und technische Fachkräfte eingestellt. Auch in den Bereichen Planung, Baukoordination, Architektur, IT und Projektleitung haben wir gezielt Personal aufgestockt.

Obwohl auch wir vom Fachkräftemangel betroffen sind, können wir als attraktive Arbeitgeberin punkten und qualifizierte Fachkräfte gewinnen und halten. Unsere Mitarbeitenden sind unser wichtigstes Kapital – besonders in der Energieversorgung, die zur kritischen Infrastruktur zählt und essenziell für das Funktionieren und die Sicherheit der Gesellschaft ist. Neben dieser Schlüsselposition bin ich besonders stolz auf die starke Identifikation und den Stolz jedes Mitarbeitenden, der täglich mit Herzblut seine Arbeit ausführt. Deshalb ist uns ihr Wohl wichtig. Attraktive Konditionen und Entwicklungsperspektiven fördern die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Ihr Engagement ist entscheidend für die Zukunft der naturenergie Gruppe.

Was wird weiterhin händeringend gesucht?

Wie erwähnt, spiegeln sich unsere Investitionen in die Energiewende und Digitalisierung auch in unseren offenen Stellenausschreibungen wider. Besonders im Bereich der Netzinfrastruktur geht es um elektrotechnische Fachkräfte. Zudem suchen wir Mitarbeitende im Bereich Energiewirtschaft und Ingenieurwesen, die innovative Energiekonzepte entwickeln und umsetzen, um kundennahe Lösungen mit nachhaltigen Vorteilen zu bieten. Die Digitalisierung ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende und Fokus unserer Unternehmensstrategie, in den wir intensiv investieren. Daher möchten wir auch unser IT-Team verstärken.

Ihre Tochtergesellschaft enalpin im Wallis betreibt seit zehn Jahren in Saas-Fee ein Wärmenetz, das nun seine maximale Kapazität erreicht hat. Daher setzten Sie zusammen mit der Gemeinde ein neues Hochtemperaturnetz um, das ab Winter 2025 fast 40 Prozent des Wärmebedarfs der Grossverbraucher im Gletscherdorf decken soll. Sind solche Neuprojekte einfacher zu realisieren als in Deutschland?

Ob neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in der Schweiz einfacher zu realisieren sind als in Deutschland, das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Beide Länder haben ihre eigenen regulatorischen und administrativen Herausforderungen. Der kontinuierliche Ausbau erneuerbarer Energien ist für uns ein zentrales Fokusthema, das wir konsequent sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz umsetzen.

Glauben Sie, dass die Energiewende gelingt?

Klar, und wir wollen sie mit unserem Engagement vorantreiben. Partnerschaften, insbesondere mit Gemeinden und Kommunen, sind uns wichtig, um gemeinsam neue Wege der nachhaltigen Energieversorgung zu erschliessen und Zukunft zu gestalten. Dies beinhaltet den kontinuierlichen Ausbau in innovative Wärme- und Stromproduktionen.

«Die Aufgabe vor allem der regionalen Stromnetze ist es, sowohl die Integration dezentraler Erzeugungssysteme, als auch nötige Regelungen möglich zu machen, ohne selbst der begrenzende Faktor zu sein.»
Michel Schwery, CEO Naturenergie Holding

Die naturenergie netze GmbH mit Standort Rheinfelden hat die schwierige Aufgabe, die Netzinfrastruktur zu meistern. Im letzten Jahr gab es doch in Deutschland besonders viel Stromschwankungen…

Die Stromerzeugung in Deutschland ist durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien in den vergangenen Jahren volatiler geworden. Hierfür sind im Gesamtsystem mehr Regelmechanismen notwendig. Die Aufgabe vor allem der regionalen Stromnetze ist es, sowohl die Integration dezentraler Erzeugungssysteme, als auch nötige Regelungen möglich zu machen, ohne selbst der begrenzende Faktor zu sein. Aus diesem Grund legen wir seit einigen Jahren einen verstärkten Fokus auf den vorausschauenden Ausbau unserer Verteilnetze.

Können Sie sich als Zwei-Milliarden Unternehmen eigentlich in der deutschen Politik Gehör verschaffen?

Wie andere Unternehmen in Deutschland auch sind wir durch den BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) sehr gut vertreten. Darüber hinaus sind wir insbesondere auf lokaler Ebene in einem guten Austausch mit kommunalen Entscheidungsträgern, gerade im Hinblick auf die Realisierung von Bauprojekten.

In der Produktion haben Sie nun 100% Ökostrom erreicht. Wie sieht es bei der naturenergie holding in der Beschaffung aus?

Seit über 125 Jahren steht unsere Unternehmensgruppe für nachhaltige Energieerzeugung – mit einem starken Fokus auf Wasserkraft am Hochrhein und in der Schweiz. Im Mittelpunkt steht für die naturenergie Gruppe eine nachhaltige Energieerzeugung – mit Ökostrom aus Wasserkraft, dezentraler Photovoltaik und intelligenten Lösungen für die Energiezukunft. Was einst Vision war, ist heute Realität: Mit eigener Wasserkraft vom Hochrhein, aus dem Südschwarzwald und dem Wallis sowie innovativen Wärmekonzepten treiben wir die klimafreundliche Versorgung voran. Unser südbadisch-schweizerisches Profil macht uns zu einer regional verwurzelten Energieversorgerin, die bereits seit 1999 Privatkunden ausschliesslich mit 100 Prozent Ökostrom der Marke naturenergie beliefert.

«Wir gestalten die Energiewende aktiv und setzen konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien.»

In Südbaden betreiben Sie auch Carsharing mit fast 500 Fahrzeugen. Tragen diese wesentlich zum Betriebsergebnis bei oder geht es in erster Linie um die erwähnte unternehmerische Umweltverantwortung?

Elektromobilität ist ein zentraler Bestandteil unserer klimafreundlichen Zukunft. Deshalb investieren wir konsequent in den Ausbau unseres E-CarSharing-Angebots und unserer Ladeinfrastruktur. Unsere Verantwortung endet nicht bei der Stromerzeugung – sie reicht bis zum Endverbrauch, sei es im Haushalt, im Gewerbe oder in der Kommune und prägt die Art und Weise, wie wir uns bewegen. Seit Mitte 2024 treten Stadtmobil Südbaden und my-e-car gemeinsam unter dem Namen naturenergie sharing GmbH auf, mit Sitz in Freiburg und einer gleichwertigen Beteiligung. Dadurch ermöglichen wir 14’000 Kunden an über 300 Standorten in 90 Kommunen nachhaltige Mobilität.

Mit fast 500 Fahrzeugen in Südbaden ist unser CarSharing-Angebot ein wesentlicher Baustein für eine zukunftsfähige Verkehrswende. Unser Ziel: umweltfreundliche Alternativen zum Individualverkehr schaffen und aktiv zur Reduzierung der CO₂-Emissionen beitragen. Wie jeden unserer Geschäftsbereiche wollen wir auch unsere E-Mobilität-Aktivitäten nachhaltig profitabel führen.

Ist denn diese Ladeinfrastruktur mit 2500 Stationen in Ihrem Einzugsgebiet genügend?

Auch im Verkehrssektor gestalten wir die Energiewende aktiv mit: Unser Ladesäulennetz im südbadischen Versorgungsgebiet wächst kontinuierlich. Mittlerweile betreiben wir rund 2500 Ladepunkte in Deutschland und der Schweiz, darunter 65 Schnelllader, von denen über 1100 öffentlich zugänglich sind. Unser Ziel: eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, sodass spätestens alle zehn Kilometer eine Lademöglichkeit besteht.

«Mittlerweile betreiben wir rund 2500 Ladepunkte in Deutschland und der Schweiz, darunter 65 Schnelllader, von denen über 1100 öffentlich zugänglich sind.»

2024 wurde naturenergie sharing mit dem renommierten Energiewende Award ausgezeichnet und zählt damit zu den zehn besten Energieversorgern Deutschlands in der Kategorie „Mobilität“…

Auch die enalpin engagiert sich seit 2017 im Bereich der Elektromobilität – einerseits, indem sie ihre eigene Flotte stetig um Elektrofahrzeuge ergänzt und andererseits, indem sie ihren Partnergemeinden ein öffentliches E-Carsharing anbietet. Zudem betreibt die enalpin gemeinsam mit ihren Partnergemeinden ein regionales Ladenetz für E-Autos.

In Ihrer strategischen Planung soll auch die Produktion von Wasserstoff aus Wasserkraft eine Rolle spielen. Lohnt sich das überhaupt vom Wirkungsgrad her?

Wir setzen konsequent auf die Erzeugung von grünem Wasserstoff, den wir mit Strom aus Wasserkraft herstellen. Bereits seit 2019 betreiben wir in Wyhlen eine Power-to-Gas-Anlage mit einem Megawatt Elektrolyseleistung. Bis 2026 erweitern wir die Produktion um fünf Megawatt. Die produzierte Energie kommt regionalen Projekten zugute, während die entstehende Abwärme drei Wohnquartiere in Grenzach-Wyhlen versorgt.

Mit dem Reallabor H2-Wyhlen, das 2020 gemeinsam mit EnBW gestartet wurde, erforschen sie auch den Einsatz von Wasserstoff in regionalen Energiesystemen. Mit welchem Endziel?

Den grünen Wasserstoff wirtschaftlich nutzbar zu machen. Ein bedeutender Schritt ist der Bau unserer zweiten Wasserstoffproduktionsanlage in Wyhlen, deren Spatenstich im Juni 2024 erfolgte. Sie soll 2026 in Betrieb gehen und als zusätzliche Wärmequelle in das Nahwärmenetz eingebunden werden. Neben der Anlagenerweiterung werden auch die Speicherkapazitäten vergrössert und vier neue Stellplätze für Wasserstofftankwagen geschaffen. Trotz technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen bleibt unser Unternehmen Vorreiter in der Wasserstoffproduktion – mit dem klaren Ziel, eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung aktiv mitzugestalten. Mit diesem Pioniergeist wollen wir dazu beitragen, dass Zukunftstechnologien wie Wasserstoff ökonomisch sinnvoll sind.

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