Stromleitungen sollen künftig grundsätzlich in der Luft hängen
Bern – Der Bundesrat will die Bewilligungsverfahren für den Um- und Ausbau der Stromnetze weiter beschleunigen. Deshalb will er unter anderem im Gesetz verankern, dass Übertragungsleitungen künftig prinzipiell als Freileitungen erstellt werden müssen.
Das schlägt der Bundesrat in einer Revision des Elektrizitätsgesetzes vor, für die er am Mittwoch die Vernehmlassung eröffnete. Wie er in den Erläuterungen zu dieser Vorlage schreibt, können derzeit in der Schweiz Leitungen des Übertragungsnetzes als Freileitung oder als Erdkabel ausgeführt werden.
In einer umfassenden Interessenabwägung sei zu ermitteln, welche Übertragungstechnologie im Einzelfall eingesetzt werden solle. Wenn nun im Gesetz Freileitungen prinzipiell der Vorrang gewährt werde, bestehe mehr Planungssicherheit.
Die Wahrscheinlichkeit für Differenzen unter den beteiligten Behörden werde reduziert, ebenso die Wahrscheinlichkeit einer gleichlautenden Beurteilung durch die gerichtlichen Beschwerdeinstanzen. Dies beschleunige den Planungsprozess und die Dauer von Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren.
Künftig soll eine Verkabelung einer Leitung nur noch dann geprüft werden müssen, wenn eine Freileitung den Schutz vor nichtionisierender Strahlung beeinträchtigen würde. Ebenfalls eine Prüfung würde nötig, wenn es um den Schutz von Objekten geht, die gemäss Natur- und Heimatschutz von nationaler Bedeutung sind.
Durch den Freileitungsgrundsatz sänken zudem die Kosten für den Netzausbau, schreibt der Bundesrat in einer Medienmitteilung. Das entlaste die Strombezügerinnen und -bezüger finanziell.
Kein Sachplan mehr bei Leitungsersatz
Laut dem Bundesrat erreicht in den nächsten Jahrzehnten ein Grossteil der Leitungen im Übertragungsnetz der Schweiz das Ende ihrer technischen Lebensdauer und muss deshalb erneuert werden. Die Bewilligungsverfahren dauerten oft zu lang. Das bremse den Netzausbau, der für die zunehmende Elektrifizierung der Schweizer Energieversorgung nötig ist.
Zur Beschleunigung der Verfahren sieht der Bundesrat nun auch vor, dass der Ersatz von bestehenden Leitungen auf dem bisherigen Trassee künftig ohne Sachplanverfahren erfolgen soll. Dies aber weiterhin unter Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung und Lärm, wie er schreibt.
Auch für Transformatorenstationen im Niederspannungsnetz soll neu ein vereinfachtes und damit rascheres Verfahren angewendet werden.
Die Landesregierung will auch festlegen, dass das Interesse an der Realisierung von neuen Anlagen des Übertragungsnetzes anderen nationalen Interessen grundsätzlich vorgehen soll. Ausserdem sollen die Kantone künftig zu Plangenehmigungsgesuchen innerhalb eines Monats Stellung nehmen.
Für Plangenehmigungsverfahren nach Elektrizitätsgesetz soll ausserdem künftig kein bundesinternes, formelles Differenzbereinigungsverfahren mehr stattfinden. Die betroffenen Stellen werden jedoch weiterhin angehört.
Eidgenössische Gerichte sollen künftig über Einsprachen gegen Plangenehmigungen für Netzprojekte im Übertragungsnetz oder für Leitungen, die Anlagen von nationalem Interesse erschliessen, innerhalb von 180 Tagen nach Abschluss des Schriftenwechsels entscheiden.
Elektrizitätsunternehmen sagen «Ja, aber. . .»
Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) begrüsste die Vorlage in einer Medienmitteilung vom Mittwoch. Es brauche nicht nur den sogenannten Beschleunigungserlass zur Straffung der Verfahren für den Bau von Produktionsanlagen in der Schweiz. Es brauche auch den Ausbau der Netze.
Der VSE merkt aber an, nicht nur für die Übertragungs-, sondern auch für die Verteilnetze brauche es Beschleunigungsmassnahmen. Die zunehmende Dezentralisierung, insbesondere die vielen dezentralen Foltovoltaik-Anlagen und die steigende Anzahl Elektroautos und Wärmepumpen, forderten die Verteilnetze ganz besonders.
Deshalb müsse der Bundesrat mit der Gesetzesvorlage «zwingend für die Netze aller Ebenen mehr Tempo bringen». (awp/mc/pg)