Zürich – Das laufende Jahr war für Anleger kein Zuckerschlecken. Und auch das kommende Jahr 2012 wird nach Einschätzung der Credit Suisse ähnlich anspruchsvoll. «Unterm Strich könnte es am Ende aber eher positiv ausfallen», sagte Stefan Keitel, Global Chief Investment Officer der Grossbank, am Mittwoch in Zürich. In den letzten Wochen des laufenden Jahres sei es gut möglich, dass sich viele schon für das neue Jahr repositionieren und den Märkten damit einen Schub geben.
Risiken gibt es Keitel zufolge aber nach wie vor genug. So wird die Eurokrise und deren mögliche Lösung weiter bestimmend sein, aber auch die USA mit ihrer Schuldenproblematik insbesondere im Hinblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen dürften verstärkt in den Fokus rücken. Der Bankensektor sei ebenfalls noch nicht aus dem Gröbsten heraus – hier könnten sich Finanzierungsprobleme auftun. Auch drohe eine Überhitzung in den Schwellenländern.
Viel Negatives vorweg genommen
Von der Bewertung her haben die Börsen allerdings schon viel Negatives vorweg genommen. In den vergangenen Wochen mehrten sich die Anzeichen, dass in den USA zwar eine anhaltende Phase mit niedrigem Wachstum bevorstehe, eine Rezession sieht Keitel aber nicht. «Auch Global erwarten wir keinen scharfen Abschwung», sagte der Experte. Zudem gebe es aus China Hinweise, dass eine weiche Landung gelinge. Nicht zuletzt verliefen die EU-Gipfel zwar zäh, gingen aber in die richtige Richtung. «Insgesamt kann man sagen, dass die Märkte vielleicht zu viel Negatives eingepreist haben.»
In der Eurozone muss die «Kuh vom Eis»
Wichtigster Punkt für die weitere Entwicklung ist Keitel zufolge nach wie vor eine Lösung der Eurokrise. «Die sprichwörtliche Kuh muss hier vom Eis.» Hierzu sei die EZB nun mit all ihren Möglichkeiten gefragt und sollte sich in dieser Sondersituation nicht nur ihrem Primärziel der Preisstabilität verschreiben.
Sein Hauptszenario sieht denn auch vor, dass eine Lösung für diese Krise gefunden wird. «Unsere Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei rund 70%. Es gibt aber ein hohes Risiko, dass es dennoch schief geht – und dann so richtig. Nebenszenarien gibt es derzeit fast nicht», so Keitel. Einem wirklichen Zerfall der Eurozone spricht der CS-Experte allerdings nur eine Wahrscheinlichkeit von 10% zu.
Italien von grosser Bedeutung
Eine grosse Bedeutung komme Italien zu, hier sei die Dimension eine ganz andere als in Griechenland. Vorteile habe Italien durch seine Gläubigerstruktur, denn ein grosser Teil der Verbindlichkeiten – anders als beispielsweise bei den USA – lägen im Land selbst und nicht bei ausländischen Anlegern. Nun sei die Politik gefragt, wobei es aber nichts nutze, sich «kaputt zu sparen».
An Anlagestrategie wird festgehalten
Trotz der vielfältigen Risiken hält die CS an ihrer grundlegenen langfristigen Strategie fest. «Wir sind derzeit für einen normalen Anleger bei Aktien mit 40% gewichtet», erklärt Keitel. Derzeit sei mit Staatsanleihen aus den etablierten Märkten wie der Schweiz oder den USA einfach kein Wert zu generieren. Daher sei auch weiterhin eine gewisse Beimischung alternativer Investments wie Immobilien, Hochzinsanleihen oder Rohstoffe nötig.
Industriewerte zunehmend attraktiv
Bei den Sektoren blieben Finanztitel weiterhin untergewichtet, hingegen seien Industriewerte zunehmend attraktiv. Besonders im Fokus stünden Unternehmen, die stark von der Entwicklung in den Schwellenländern profitieren. Regional bleibt die CS den USA gegenüber neutral eingestellt. Europa wird untergewichtet und auch die Schweiz bekommt durch den starken Franken ein derzeit geringes Gewicht.
Insgesamt müssten sich Anleger aber wohl auf niedrigere Renditen als in den starken Zyklen 1980 und 1990 einstellen. «Wir sehen derzeit keinen langfristigen Bullenmarkt.» Ein extrem risikoscheuer Investor könne bestenfalls mit einer Rendite von rund 4% rechnen, bei einer
«normalen» Ausrichtung mit Aktienanteil würden rund 6% angestrebt. Langfristige Investoren sollten aktuelle Rücksetzer zum Kauf nutzen. (awp/mc/pg)