Von Dieter Haas, Derivative Partners AG, www.payoff.ch
Zürich – «Unverhofft kommt oft» lautet ein bekanntes Sprichwort. Das bringt die bisherige Entwicklung an den Finanzmärkten auf den Punkt. Nach der lange erwarteten Zinserhöhung der US-Notenbank Mitte Dezember 2015 schien die Unsicherheit aus dem Markt gewichen zu sein. Nach einem ruhigen Jahresende rutschten die meisten Börsen bis zum 11. Februar tief in die roten Zahlen. Es war einmal mehr den Notenbanken zu verdanken, dass die Talfahrt zumindest einer vorübergehenden Erholung Platz machte.
Diese verlief allerdings sehr unterschiedlich. So festigten sich die europäischen Aktienmärkte bisher nur in geringem Ausmass. Dasselbe trifft auf Japan zu. Hier stösst die lockere Geldpolitik allmählich an ihre Grenzen. Der wider fundamentale Gegebenheiten stärker werdende Aussenwert des Yen belastet den dominanten Exportsektor. In abgeschwächter Form trifft der negative Währungseffekt auch unser Land. Hinzu kommt eine stark auf die Branche Gesundheit fokussierte Börse. Titel wie Novartis und Roche verloren an Anziehungskraft und Banken, ein weiteres Aushängeschild des Schweizer Aktienmarktes, blieben kursmässig, gelinde gesagt, blass. Unter den Industriestaaten schlugen sich die US-Börsen im neuen Jahr bisher am besten. Ihnen half eine weichere Haltung der Währungshüter. So signalisierte die Notenbankpräsidentin mit Blick auf das internationale Umfeld ein behutsameres Vorgehen in der Zinspolitik. Positiv in Szene setzen konnten sich einige Schwellenländerbörsen wie Brasilien, Russland oder die Türkei. Allerdings ist das Bild sehr heterogen.
Erstaunliches Comeback etlicher Rohstoffe
Die bisherigen Gewinner des Jahres stammen überraschenderweise fast ausschliesslich aus dem Sektor der Rohstoffe. Die negative Stimmung gegenüber der Anlageklasse hat gedreht und der Boden scheint erreicht, wie auch der April-Bericht des Financial Crisis Observatory der ETH Zürich (www.er.ethz.ch/financial-crisis-observatory.html) feststellte. So fand der Kurszerfall des Rohöls in der Woche drei sein vorläufiges Ende. Gold gab nach langer Zeit wieder einmal ein positives Lebenszeichen von sich.
«An der Börse wird nicht geklingelt.»
Der dem gelben Metall in der Regel vorauslaufende Minensektor glänzt seit Jahresbeginn mit einer spektakulären Avance. Die Ängste, dass es sich dabei lediglich um einen «Dead Cat Bounce» handelt, scheinen mittlerweile vom Tisch.
Ungeachtet der guten Performance seit Jahresbeginn spitzt sich die Lage im Anleihesektor zu und lässt in einigen Ländern eindeutige Signale einer Blasenbildung erkennen. Besonders dem japanischen Bondmarkt droht Gefahr. Laut William White, dem ehemaligen Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, befindet sich Japan angesichts seines hohen Verschuldungsgrades in gefährlichem Fahrwasser, auch wenn es bislang glücklicherweise noch zu keinem Vertrauensbruch gekommen ist.
Ein Megatrend in der Krise
Enttäuschend verlief bis dato die Kursentwicklung des Sektors Biotechnologie. Nach sechs Jahren überdurchschnittlicher Performance zum Weltaktienindex MSCI scheint die Luft fürs Erste draussen zu sein. Kritische Äusserungen vonseiten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zur Preispolitik sowie teils stattliche Bewertungen führten im neuen Jahr zu einem veritablen Fehlstart. Nach den erlittenen Kursverlusten notieren einige der dominantesten Vertreter inzwischen auf günstigen Kurs-/Gewinn-Verhältnissen. Ob dies ausreicht, um neuen Schwung auszulösen, bleibt fraglich. Markttechnisch betrachtet scheint der Boden noch nicht erreicht.
Es muss daher in den kommenden Monaten wohl mit einer Fortsetzung der Durststrecke gerechnet werden. Engagements in ETFs wie SBIO oder in Tracker-Zertifikate wie BTKOE bleiben somit risikobehaftet.
Bankaktien im Abseits
Investoren, die auf den Finanzsektor bauten, hatten im neuen Jahr bisher nichts zu lachen. Ständig neue Krisenherde, schwindendes Vertrauen und eine unterirdische Stimmung führten zu weiteren Kursrückgängen vor allem der europäischen Banken. Es verwundert nicht, dass etliche branchenspezifische ETPs wie die ETFs S7XE, CBBANK, ETBAN oder die Tracker-Zertifikate D1BANK, DEBOE, DJBOE, DJXBA und ETBAN das Ranglistenende der diesjährigen Performance in CHF zieren. Zwar reagiert die Branche jeweils sehr schnell, sofern sich die Lage an den Börsen stabilisiert. Aktuell braucht es jedoch viel Mut und eine gehörige Portion Widerstandskraft, um sich in diesen Sektor zu wagen.
Chinas Stern am Verblassen?
Auf Länderebene zählte China seit Mitte 2015 zu den Börsen mit den stärksten Verlusten. Kein Wunder gehörte der ETF CNAA zu den Indexfonds mit der schwächsten Kursentwicklung im neuen Jahr. Viktor Nossek, Leiter Research WisdomTree Europa, sieht die Ursache für den eingetretenen Preiszerfall in der Kombination der Faktoren sinkende Wachstumsraten in China, Überangebot an Rohöl und steigende US-Zinsen.
Laut Nicholas Yeo, Leiter des China/Hong Kong Aktien-Teams bei Aberdeen, bleibt die Investmentstory (wachsende Mittelschicht, hohe Sparquoten, Urbanisierung, steigende Nachfrage) jedoch weiterhin intakt. Für Michael Bolliger, Head Asset Allocation Emerging Markets UBS WM CIO, sieht die Bewertung chinesischer Aktien attraktiv aus, sowohl in Bezug auf deren Historie wie auch im Vergleich mit anderen Ländern oder Märkten. Nach dem Einbruch könnte es sich auf mittlere bis längere Sicht lohnen, schrittweise Engagements aufzubauen. Eine übertriebene Eile ist aber nicht geboten.
«Investoren, die auf den Finanzsektor bauten, hatten im neuen Jahr bisher nichts zu lachen.»
Schweiz im hinteren Ranglistendrittel
Abgesehen von Anlageprodukten auf Immobilienindizes bot unser Land 2016 wenig Erspriessliches. Die schwache Performance der Schwergewichte Novartis und Roche sowie die Kursverluste der beiden Grossbankenaktien bescherten den Gesamtmarktindizes SMI und SPI bislang herbe Verluste. Ein Griff ins Klo waren in den ersten vier Monaten besonders die auf dem MSCI Switzerland 20/35 100% hedged to GBP TR Net Index basierenden ETFs S2HGBD und S2HGBA. Ihnen wurde nicht nur die schwache Kursentwicklung der Schweizer Aktien zum Verhängnis, sondern zusätzlich die Schwäche des Britischen Pfundes. Bis zur richtungsweisenden Abstimmung über den Verbleib in der EU Ende Juni dürfte die Währung des Königreiches unter Druck bleiben. Bei einem Brexit müsste wohl, zumindest kurzfristig, mit weiteren Abgaben gerechnet werden.
Weitere Enttäuschungen
Aufnahme in die Liste der Verlierer fanden ferner die Tracker-Zertifikate SOLAR, DATAEU und NATUR. Das Erstgenannte basiert auf dem RBS Solar Energy TR Index, das Zweite auf den Solactive Big Data TR Index, und NATUR partizipiert am NYMEX Henry Hub Natural Gas Front Month Future. Im hinteren Teil der Rangliste tummeln sich des Weiteren gehebelte ETFs auf europäische Aktienindizes. Wegen der unterdurchschnittlichen Performance der Börsen Italiens und Japans erlitten ETFs und Tracker-Zertifikate auf diese Märkte bis April Kursverluste in Höhe von 20% und mehr.
Von Ladenhütern zu Börsenstars
Seit Herbst 2011 ging es mit Goldminen kursmässig talwärts. Nach einem letzten Sell-off im Juli/August des Vorjahres setzte von vielen unbemerkt eine Konsolidierung ein. Viele Minenbetreiber haben, nicht zuletzt wegen des eingetretenen Kurszerfalls, auf der Kostenseite grosse Anstrengungen unternommen. Fundamental betrachtet hat sich die Ausgangslage in vielen Unternehmen in den vergangenen Monaten deshalb markant verbessert. In Kombination mit der eingetretenen Stabilisierung des Goldpreises und zunehmend fehlenden Alternativen in den übrigen Sektoren des Aktienmarktes kam es im Januar zu einer Trendwende. Die zuvor teils auf Mehrjahrestief notierenden Kurse explodierten förmlich. Im Vergleich zu den einstigen Höchstkursen besitzen sie noch viel Luft nach oben. Das Momentum spricht für eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung. Die in der CHF-Performancerangliste führenden ETFs GGMUSY, CBGOLD, MAGB, GLDU, AUCO, GDX oder GDXJ sowie das Tracker-Zertifikat AURUM sind die Anlageprodukte mit den besten Erfolgschancen.
Übrige positive Überraschungen
Auf der Überholspur befinden sich nach langer Durststrecke endlich wieder einmal Anlageprodukte auf Silber. Die beste Platzierung in der CHF-Performancerangliste gelang den Tracker-Zertifikaten SILUD und SILCH auf den RBS Silver Mining TR Index. Getreu dem Motto «Acheter au son du canon» deckten sich viele Anleger mit Anlageprodukten auf Brasilien wie dem ETF XMBR oder den Tracker-Zertifikaten BRASI oder ETBRZ ein. Die steigenden Chancen auf vorgezogene Neuwahlen wurden hier zum Anlass genommen, sich vorzeitig in den Markt zu wagen. Ein kalkuliertes Risiko, welches in den letzten Wochen Früchte getragen hat. En vogue sind bis anhin auch Baisse-Produkte auf europäische Indizes wie der ETF LYDSD auf den ShortDAX oder LYSSL auf den SMI Daily Short Leverage.
Die Favoriten von morgen
So wie sich das Umfeld an den Finanzmärkten präsentiert, dürften die bisherigen Gewinner 2016 ihre führende Position im weiteren Jahresverlauf nicht nur halten, sondern vermutlich weiter ausbauen. Das labile Währungsumfeld, die schwächliche globale Konjunktur und die in vielen Ländern eingeführten Strafzinsen sprechen für eine Fortsetzung der Aufwärtstrends bei den Edelmetallen. Der Co-Founder und Leiter des Goldminenkonzerns Franco-Nevada Pierre Lassonde ist sich sicher, dass die fünfjährige Baisse bei Gold zu Ende ist. Er sieht das Ende der Hausse erst bei einer Parität zwischen Goldpreis und Dow Jones Industrial wie zu Beginn der 80er- und in den 30er-Jahren. Als minimales Kursziel nannte er Anfang April ein Preisziel von USD 8’000 je Unze. Aus Risikoüberlegungen empfehlen sich breit diversifizierte Goldminen-ETFs wie GDX oder GDXJ oder physisch gedeckte, währungsgesicherte ETFs wie ZGLDHC. Vielversprechend sind in den kommenden Monaten silberbezogene Anlageprodukte wie der physisch gedeckte, CHF-gehegte ETF JBSICA oder das Tracker-Zertifikat SILCH auf den RBS Silver Mining Index.
«Die negative Stimmung gegenüber der Anlageklasse Rohstoffe hat gedreht und der Boden scheint erreicht.»
Sie versprechen mittel- und längerfristig dank des im Vergleich zu Gold wesentlich engeren Marktes ein grösseres Ertragspotenzial. Nebst den Edelmetallen sollten Trader ein Auge auf kurzfristige Volatilitätsprodukte werfen. Hier eröffnen sich von Zeit zu Zeit lukrative Kaufmöglichkeiten, zumal die Schwankungen an den Finanzmärkten an Intensität zunehmen. Im Vordergrund stehen hierzulande die auf Swiss Dots in CHF gehandelten Constant Leverage-Zertifikate mit den Valorennummern 28895492 bzw. 29068732. Sie partizipieren 1:1 an steigenden Volatilitäten der Aktienmärkte Europa resp. USA. Sollten die Crash-Propheten, die bis Herbst mit einer Finanzkrise 2.0 rechnen, recht behalten, wären die angesprochenen Faktorzertifikate einer der wenigen Renner.
An der Börse wird nicht geklingelt
Der bisherige Verlauf an den Finanzmärkten erinnert an den Aphorismus von Carl Fürstenberg. Inzwischen haben sich die Anzeichen verdichtet, dass 2016 für viele Segmente eine Trendwende darstellt. Alte Lieblinge sind aus der Mode geraten und haben Platz gemacht für neue. Es empfiehlt sich daher, sein Portfolio besser auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Ein stures Festhalten an Altbewährtem könnte sehr kostspielig werden.