2016 wie 2015: Die Herausforderungen bleiben
Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Ende 2014 sollte die Untergrenze von 1.20 im Euro/Franken-Wechselkurs auch 2015 ein fixer Bestandteil der Schweizerischen Geldpolitik bleiben. Schon am 15. Januar 2015 war alles anders. Das andauernde Rätselraten um die erste US-Leitzinserhöhung prägte darüber hinaus das abgelaufene Jahr. Es hat zwar bei den US-Obligationen 2015 durchaus zu steigenden Renditen geführt, diesem Trend entzogen hatten sich jedoch die Zinsen in der Eurozone und der Schweiz. „Die Geldpolitik hat nicht nur die ökonomischen Rahmenbedingungen verschoben. Die Negativzinsen haben auch an den Zins- und Kapitalmärkten die Karten neu gemischt. Negativzinsen bei Obligationen mit Laufzeiten bis zu zehn Jahren sind leider zur neuen Normalität geworden“, sagte Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St. Galler Kantonalbank.
Die Aktienmärkte haben sich im abgelaufenen Jahr mehrheitlich von ihrer Sonnenseite gezeigt. Die US-Konjunkturentwicklung hat die Aktienmärkte immer wieder angetrieben und auch die Geldpolitik der Notenbanken war den Märkten insgesamt positiv gestimmt. Auch der Mangel an attraktiven Alternativen zu Aktien unterstützte die Markperformance. Aber ein starkes Nervenkostüm war von Nutzen. Immer wieder sorgten schlechte Nachrichten aus den Schwellenländern für eine holprige Fahrt an den globalen Aktienmärkten. Nicht zu vergessen sind auch die Schwierigkeiten rund um Griechenland.
Fünf Thesen für das Anlagejahr 2016:
These 1: Ä zächi Sach – der Schweizer Wirtschaftsmotor stottert
Die Schweizer Wirtschaft wächst, sie muss aber viele Hindernisse überwinden. Die Überbewertung des Frankens ist das bekannteste Hindernis und strahlt auf praktisch alle Bereiche des Wirtschaftslebens negativ aus. Die Grosswetterlage für die Schweiz bleibt darum bewölkt mit einzelnen Aufhellungen. Der Franken wird auch 2016 zur Stärke neigen, so dass er den Konjunkturgang dämpfen wird und der Schweizerischen Nationalbank ein Dorn im Auge bleibt. Darum bleiben auch die Schweizer Zinsen tief. Positive Impulse für die Schweizer Wirtschaft können von einer Wiederbelebung in der Eurozone kommen, was dem Exportsektor etwas Schwung verleihen sollte. Das gleiche gilt für die Nachfrage nach „Made in Switzerland“ aus den Schwellenländern.
These 2: ‚Umsichtige Geldpolitik‘ in den USA
Die US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen wird auch 2016 das Börsenparkett beherrschen. Der Zeitpunkt des ersten Zinsschritts ist dabei gar nicht die zentrale Frage. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Tempo die Fed die Zinserhöhungen vollziehen wird. Wird es ein zügiger Zinserhöhungszyklus mit einer Zinserhöhung pro Sitzung sein? Wird die Fed sogar die Bilanzsumme reduzieren und damit die Geldpolitik komplett umgestalten? „Die Fed wird so lange wie möglich ihrer expansiven Ausrichtung die Treue halten. Wir rechnen mit einem langsamen Zinserhöhungspfad und auch mit einer stabilen Bilanzsumme. Wir nennen das eine ‚umsichtige Geldpolitik‘. Sie lässt der US-Wirtschaft genügend Zeit, um sich an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, und strahlt so Ruhe auf die Finanzmarktteilnehmer aus“, prognostiziert Thomas Stucki die Politik der Fed. Die kommunikative Leistung von Notenbankpräsidentin Janet Yellen wird dabei das A und O bleiben. „Auch wir werden jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen“, ergänzt Thomas Stucki.
These 3: Dem US-Dollar werden die Flügel gestutzt
Mit der ersten Zinserhöhung wird der US-Dollar unter Abgabedruck geraten. Er kann zwar jeweils im Vorfeld einer möglichen US-Zinserhöhung zulegen. Aber mit jedem Zinsschritt wird sich dieser Effekt abschwächen. Darum wird sich der US-Dollar volatiler entwickeln und übers Jahr abwerten, vor allem wenn die Tapering-Diskussion in der Eurozone mehr Raum einnimmt. Dann dürfte die Stunde für den Euro schlagen und er wird sowohl zum US-Dollar als auch zum Franken stärker werden.
These 4: Öl bleibt günstig
Zum Jahresende sind die Öllager so gut gefüllt wie selten. Kein Wunder also, verharrt der Ölpreis auf einem extrem tiefen Niveau. Besserung ist nicht in Sicht. Mit einer angeschlagenen Nachfrage aus den Schwellenländern und mit rekordhohen Ölvorräten fehlen dem Preis die positiven Treiber.
These 5: Unsicherheit an den Aktienmärkten, ein Auf und Ab wie 2015
Mit den Zinserhöhungen in den USA wird sich das Umfeld an den globalen Aktienmärkten grundlegend verändern. Mit dem Ende der ultralockeren Geldpolitik geht den Finanzmärkten der dominante Taktgeber verloren und die Marktteilnehmer müssen sich auf einen neuen Orientierungspunkt einigen. Nachdem die expansive Geldpolitik den Weg nach Norden wies, muss sich das Navigationssystem neustarten und orientieren. Die Unsicherheit wird steigen, genauso wie die Kursausschläge. Dazu Thomas Stucki: „Das Must-have an den globalen Aktienmärkten? Ein dickes Nervenkostüm und eine durchdachte Anlagestrategie, welcher der Anleger auch in stürmischen Zeiten die Treue hält.“
Anlagestrategie für den Start ins Jahr 2016:
Obligationen: Das Untergewicht bei den Obligationen wird beibehalten, weil sie aktuell wegen der tiefen Renditen und der Aussicht auf eher steigende als fallende Zinsen nicht attraktiv sind.
Aktien: Aufgrund der soliden konjunkturellen Lage in den USA, der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone und der trotz Zinserhöhungen in den USA weiterhin expansiven Geldpolitik der Notenbanken bleiben Aktien die bevorzugte Anlageklasse. Am Übergewicht wird in der Anlagestrategie festgehalten. Auf Ebene Regionen werden US-Aktien weiterhin übergewichtet, weil dort die Konjunkturaussichten am besten sind. Als eher defensiver Markt sind US-Aktien auch ein schöner Ausgleich zum Übergewicht in den Schwellenländern. Sicher, die Situation in den Schwellenländern ist auf politischer und ökonomischer Ebene aktuell angespannt und die schwächeren Konjunkturdaten aus China sowie die Währungsabwertung lassen aufhorchen. Der Pessimismus dürfte aber übertrieben sein, weshalb dort das Gewicht erhöht wird. Zudem sind die Bewertungen der Aktien in den Schwellenländern im Vergleich zu anderen Märkten attraktiv.
Rohwaren: Der Goldpreis wird weiterhin unter Abwertungsdruck bleiben. Vor allem der Anstieg der US-Zinsen und die fehlende Sorge vor steigender Inflation nehmen dem Goldpreis die Preisfantasie. Die St. Galler Kantonalbank hält kein Gold in ihren Portfolios. Auch von anderen Rohstoffen wird mangels Preisphantasie nach oben Abstand gehalten. (SGKB/mc/ps)
St. Galler Kantonalbank
Die St.Galler Kantonalbank wurde 1868 gegründet und ist seit 2001 an der Börse SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kanton St. Gallen hält als Mehrheitsaktionär 54.8% des Aktienkapitals. Als Universalbank bietet sie den Kunden in ihrem Heimmarkt die gesamte Palette von Finanzdienstleistungen an. In Zürich ist sie mit einer auf Vermögensverwaltung spezialisierten Niederlassung präsent. Mit ihrer umfassenden Dienstleistungspalette betreut sie Privatkunden in der Deutschschweiz in allen Fragen der privaten Vermögensplanung und Vermögensverwaltung. Am 30. Juni 2015 beschäftigte die St.Galler Kantonalbank Gruppe insgesamt 1228 Mitarbeitende und verwaltete Kundenvermögen von CHF 35,6 Milliarden. Das Stammhaus besitzt Staatsgarantie und das Aa1-Rating von Moody’s.