Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker bleibt weiter im Amt.
Brüssel – Das krisengeschüttelte Spanien erhält schon bald die ersten milliardenschweren Notkredite und bekommt einen Zeitpuffer für seine Sparziele. Die EU erlaubt der Regierung in Madrid in diesem Jahr eine deutlich höhere Neuverschuldung von 6,3 statt 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Spanien bekommt zudem ein Jahr mehr Zeit, um sein Defizit unter die erlaubten drei Prozent zu drücken und muss dieses Ziel erst 2014 erreichen. Diese Zugeständnisse vereinbarten die Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen in Brüssel in der Nacht zum Dienstag, der Beschluss der 27 EU-Kassenhüter war nur noch Formsache.
Die Details des bis zu 100 Milliarden Euro schweren Hilfsprogramms wie Summe, Auflagen und Zinsraten sind noch offen. Dies wollen die Euro-Finanzminister bei einem Sondertreffen am 20. Juli festmachen. Zuvor muss der Bundestag nach Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) grünes Licht geben.
30 Mrd Euro für spanische Banken
In der Nacht hatten die Kassenhüter der 17 Euro-Länder beschlossen, den spanischen Krisenbanken noch im laufenden Monat erste Notkredite von 30 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Insgesamt soll Madrid bis zu 100 Milliarden Euro zur Sanierung seiner maroden Banken erhalten. Das Land leidet unter dem Einbruch des Immobilienmarktes, wodurch viele Kunden ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können, sowie einer anhaltenden Rezession.
Risikoaufschläge gesunken
An den Finanzmärkten machte sich Erleichterung breit. Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen sanken unter die kritische Sieben-Prozent-Marke.
Spanische Regierung zeigt sich zufrieden
Spanien zeigte sich zufrieden mit den Zusagen. «Ich denke, mit Blick auf die Rekapitalisierung [der Banken] ist das ehrlich eine gute Einigung», sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Er erwarte «sehr niedrige Zinsen» für die beantragten Notkredite aus dem Euro-Rettungsschirm. Im Gespräch sind Raten von drei bis vier Prozent, ähnlich wie für die anderen Hilfsempfänger Griechenland, Portugal und Irland. Das wäre halb so viel, wie Spanien derzeit Investoren für Staatsanleihen an Zinsen bieten muss. «Es könnte sogar noch niedriger sein», sagte de Guindos.
Als Gegenleistung muss Madrid Auflagen erfüllen und seinen Bankensektor reformieren. Nach Worten von Finanzminister Schäuble geht es dabei auch um Grenzen für die Gehälter von Bankmanagern. Seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter sagte, die Vereinbarung mit Spanien (Memorandum) enthalte «eine Fülle von Auflagen und Regularien, die Spanien einhalten muss».
«Reformen benötigen Zeit»
Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden verteidigte die Entscheidung, Spanien mehr Zeit einzuräumen. «Wir müssen versuchen, dass diese Staaten auch wieder auf die Beine kommen», sagte Frieden. Die verlangten Reformen benötigten Zeit. «Ich denke, dass ein Jahr länger (…) noch verträglich ist. Aber es kann natürlich nicht immer weiter hinausgeschoben werden.» Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager, der als Verfechter eines strikten Sparkurses gilt, zeigte sich zuversichtlich, dass Madrid sein Ziel erreichen werde. «Spanien wird Sparmassnahmen und wirtschaftliche Reformen umsetzen – genau so wie sehr rasche Bankenreformen», sagte er.
Kritik der SPD
Der SPD-Vorsitzende im Europaparlament, Udo Bullmann, kritisierte die direkte Finanzierung spanischer Banken mit europäischen Hilfsgeldern. Dies sei «bestenfalls eine Zwischenlösung». «Damit haben die Eurostaaten wieder nur Zeit gekauft, aber nicht einen Schritt aus der Krise getan. Der Flächenbrand in der Eurozone wird auch so nicht gelöscht werden können», sagte Bullmann.
Juncker bleibt zunächst an der Spitze der Eurogruppe
Die Euro-Finanzminister verständigten ausserdem darauf, dass der Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker (57) mindestens bis Jahresende Vorsitzender der Eurogruppe bleibt. Juncker wird damit etwa sechs Monate länger auf dem Prestigeposten verbleiben als ursprünglich vorgesehen. Sein bisheriges Mandat läuft am 17. Juli ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der lange als Nachfolgefavorit galt, ging damit leer aus.
Juncker bekam offiziell ein neues Mandat für zweieinhalb Jahre, das er jedoch vorher beenden will – entweder Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres, wie er sagte. Wie es im neuen Jahr an der Eurogruppenspitze weitergehen soll, blieb offen. (awp/mc/pg)