40% der internationalen Konzerne nutzen KI-Tools im Personalmanagement
Von Brice Prunas, Aktienfondsmanager für globale Themenstrategien bei ODDO BHF Asset Management
Algorithmic Management wird die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) zur Führung und Steuerung von Teams aus fest angestellten oder freien Mitarbeitern genannt. Folglich wird dabei auch der durchaus verstörenden Frage nachgegangen, ob künstliche Intelligenz bisher vom Menschen ausgeführte Managementaufgaben übernehmen kann.
Die Gig Economy als Wiege des Algorithmic Management
Die Gig Economy (d. h. der Bereich des Arbeitsmarkts, in dem kleine Aufträge und Gelegenheitsarbeiten kurzfristig an Selbständige vergeben werden) umfasst sämtliche Unternehmen, die gewisse Eigenschaften auszeichnen. Das ist einerseits die extrem flexible Gestaltung der Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (häufig ohne einen festen Arbeitsvertrag). Andererseits die Verwaltung der Mitarbeiterteams über elektronische oder algorithmische Plattformen, die auf Datenmodellen basieren.
Die künstliche Intelligenz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ermöglicht sie doch die Bewältigung mehrerer Herausforderungen, die nur schwer vom Menschen alleine zu lösen sind. Dazu gehört die Schaffung von Modellen zur optimierten Abstimmung von nachgefragten individuellen Arbeits- oder Lieferaufträgen einerseits und der Verfügbarkeit eines Teams aus unabhängigen Mitarbeitern andererseits. Hinzu kommt die Bewertung selbständiger Mitarbeiter, die ihre Leistungen ausserhalb des Unternehmens erbringen und sich daher weniger gut beaufsichtigen lassen.
Diese Unternehmen sind häufig im Bereich der Fahrtenvermittlung (Uber, Lyft, Yandex, Didi) oder der Essenslieferung (Doordash, Just Eat Take Away oder Deliveroo) tätig. Ihre Algorithmen sind die Quelle ihres Wettbewerbsvorteils. Dies macht sie entsprechend undurchsichtig, was Regulierungsfragen in Bezug auf ihre Geschäftsmodelle aufwirft.
Aber zu welchem Zweck?
Einer der irritierendsten Aspekte des Algorithmic Management ist, dass die Unternehmen es nicht als eine Ergänzung zu klassischen Methoden der Mitarbeiterführung einsetzen, sondern als Ersatz hierfür. Die Vorteile liegen auf der Hand – Senkung der Managementkosten, Optimierung der Produktivität bei der Schichtwechselplanung, objektive Entscheidungsfindungen auf der Grundlage von Datenmodellen anstelle von Intuition und die Abschaffung subjektiver Bewertungen und anderer Formen der Bevorzugung.
Nachstehend ein paar Beispiele aus der Praxis:
- Uber erhöht seine Fahrpreise während der Stosszeiten, um seinen Fahrern Arbeitsanreize zu bieten. Darüber hinaus existiert ein Bewertungssystem, das den Kunden eine objektive Bewertung der Fahrer, losgelöst von jeglicher Beaufsichtigung durch das Management, erlaubt.
- Deliveroo gibt seinen Fahrern für jede Fahrt eine Richtzeit vor, anhand derer ihre Leistung gemessen wird.
- Trip Advisor oder Yelp ermutigen Benutzer dazu, zusätzliche Bewertungen zu schreiben, indem sie sie mit einem höheren Status (z.B. Gold oder Platin) locken.
Was, wenn Algorithmic Management auch in klassischen Unternehmen Einzug hielte?
Das Algorithmic Management (und somit auch die Gig Economy) ist in letzter Zeit aus mehreren Gründen in die Kritik geraten. Die Vorwürfe lauten; es führe zu einer gewissen Entmenschlichung der Managementfunktion und eine mögliche Folge sei, dass sich die freien Mitarbeiter ständig bewertet oder auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen. Zudem schaffe es ein Ungleichgewicht zwischen den Daten, die über die Mitarbeiter erfasst werden, und den Informationen, die diese im Gegenzug erhalten.
Dennoch scheint die künstliche Intelligenz im Personalwesen traditionellerer Unternehmen immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Laut einer Studie haben 40% der grossen internationalen Konzerne bereits in KI-Tools investiert, um ihre Personalmanagementtechniken zu ergänzen.
Hierzu zählen u.a. folgende Unternehmen:
- Workday, der weltweit führende Anbieter cloudbasierter Lösungen für das Personalwesen, dessen KI-Module sich sowohl bei der Rekrutierung als auch bei der Identifizierung von kündigungswilligen Kandidaten einsetzen lassen.
- Hirevue, eine Video-Rekrutierungslösung, die mithilfe von Gesichtserkennungstechnologien die Mimik, den Tonfall und die Wortwahl analysiert.
- Amazon nutzt Algorithmen, um z.B. seine Logistikmitarbeiter zu instruieren, welche Pakete sie bearbeiten und versenden sollen. (ODDO BHF/mc)