Zürich – Das Aberdeen Standard Investments Research Institute hat einen Gender Equality Index lanciert, der 29 Industrieländer anhand einer breiten Palette von wirtschaftlichen, politischen und „Empowerment“-Faktoren entsprechend einstuft und bewertet. Daraus ergeben sich teils überraschende Einblicke in Bezug auf die anhaltende Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern in den verschiedenen Ländern.
Der Index weist Ländern eine Bewertung von 0 – 100 auf Basis spezifischer Kennzahlen wie der aktuellen wirtschaftlichen Situation für Frauen und der bestehenden politischen Massnahmen zur Förderung der Gleichberechtigung sowie einer „Empowerment“-Bewertung zu, die angibt, welche Chancen und Beteiligungsmöglichkeiten für Frauen in der Geschäftswelt und auf politischer Ebene bestehen.
Der neue Index verfolgt gleich mehrere Ziele. So geben die makroökonomischen Informationen Einblick in die aktuelle Lage und mögliche Entwicklung eines Landes in Bezug auf die Gleichberechtigung. Der Index beleuchtet zudem die unterschiedlichen Gründe für Ungleichheit im Ländervergleich und legt für jedes Land angemessene Möglichkeiten zur Verbesserung der Chancengleichheit dar. Dies vereinfacht die Nachverfolgung von Verbesserungen oder Rückschritten in Folgejahren. Die spezifischen Kennzahlen erleichtern Anlegern auch die Beurteilung, was an welcher Stelle verbessert werden kann. Schlussendlich kann der Index zukünftig dabei helfen, Anlageentscheidungen auf Grundlage der Geschlechtergleichheit in einem Land und der Frage, ob sich diese verbessert oder nicht, zu treffen.
Im Ländervergleich hat der Index im Einzelnen folgendes gezeigt:
- Covid hat spürbare negative Auswirkungen auf die Geschlechtergleichheit. Während der Pandemie ist die Gleichberechtigung von Frauen in Bezug auf Bezahlung und Beschäftigung zurückgegangen. Auch die Zahl der Frauen in staatlichen und politischen Ämtern ist gesunken und ihr Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten hat abgenommen.
- Nach den skandinavischen Ländern weisen Deutschland und Estland die höchsten Gleichberechtigungsquoten auf. Beide Länder schneiden in Bezug auf sämtliche wirtschaftliche, politische und „Empowerment“-Indikatoren durchweg gut ab.
- Die Schweiz schneidet bei einzelnen Gleichberechtigungsquoten im Mittelfeld ab. In der Gesamtbeurteilung landet sie aufgrund der vergleichsweise weniger grosszügigen Elternzeit aber nur auf dem 20. Platz von 29 Ländern.
- Die USA könnten den „Brain drain“, den Rückzug ihrer extrem gut ausgebildeten weiblichen Erwerbsbevölkerung aus dem Arbeitsmarkt, durch gleichstellungsfördernde politische Massnahmen umkehren. Obschon Frauen aus den USA zu den am besten ausgebildeten weltweit zählen, sind sie in der US-Erwerbsbevölkerung nach wie vor unterrepräsentiert. Das Land positioniert sich auf Platz 27 von 29, was laut dem Bewertungssystem vor allem dem Mangel an politischen Massnahmen zur Förderung von Geschlechtergleichheit geschuldet ist. Missstände wie fehlende Elternzeitregelungen, teure Kinderbetreuung und die hohe steuerliche Belastung für Eltern und Alleinerziehende könnten durch entsprechende Gesetze behoben werden.
- Japan weist eine der grosszügigsten Elternzeitregelungen weltweit auf, doch Männer nehmen diese aus kulturellen Gründen nur selten in Anspruch. Das Land bildet aufgrund der geringen Bewertung in Bezug auf die Emanzipation von Frauen das Schlusslicht im Index.
- Grossbritannien rangiert auf Platz 23 von 29, noch hinter der Slowakei, Griechenland, Portugal, Irland und vielen anderen. Ähnlich wie in Japan bremst der Mangel an staatlichen Stellen, politischer Repräsentation und Geschäftsmöglichkeiten, der in einem niedrigen EmpowermentScore zum Ausdruck kommt, die Fortschritte für Frauen in Grossbritannien.
- Spanierinnen zählen in den Industrieländern zu den „emanzipiertesten“ Frauen. Spanische Frauen sind in der Politik und im öffentlichen Sektor gut vertreten, haben bessere Chancen in der Geschäftswelt und sind in geringerem Masse von Arbeits- und Lohnungleichheit betroffen als Frauen in den meisten anderen Industrieländern.
Stephanie Kelly, Deputy Head des Aberdeen Standard Investments Research Institute, kommentiert: „Mit dem Gender Equality Index wollen wir Volkswirtschaften ermitteln, die von einer höheren Geschlechtergleichheit profitieren würden, da sie dadurch bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen dürften und bessere Anlagegelegenheiten darstellen könnten. Der Index ist brandneu. Daher wird es interessant sein, zu sehen, inwiefern sich die Lage in den einzelnen Ländern verbessert oder ob beispielsweise die Pandemie für einen Rückschlag im Hinblick auf die Geschlechtergleichheit sorgt. Insgesamt möchten wir das Bewusstsein fördern, dass Geschlechtergleichheit ein wesentlicher Faktor für das Wachstum und die positive Entwicklung eines Landes ist.“ (Aberdeen/mc)
Zur Methodologie
Der Index berücksichtigt bei der Bewertung drei Bereiche: die makroökonomische fundamentale Situation in jedem Land, die politischen Massnahmen bezüglich Geschlechtergleichheit sowie ein „Empowerment“- Scoring-System. Bei den makroökonomischen Fundamentalfaktoren handelt es sich um sechs wesentliche Indikatoren, darunter die Erwerbsbeteiligung von Frauen, die Bildung von Frauen und die Lücken in den Bereichen Teilzeitarbeit, Arbeitslosigkeit und Selbstständigkeit. Zur Bewertung der politischen Massnahmen werden sieben Aspekte betrachtet. Dazu zählen Elternzeitregelungen, die steuerlichen Belastungen für Alleinerziehende und verheiratete Elternpaare, Beschäftigungsschutz und Kinderbetreuungskosten für Alleinerziehende und verheiratete Elternpaare. Im Hinblick auf das „Empowerment“, bei dem es sich um eine eher kulturelle Kennzahl handelt, werden vier Indikatoren beleuchtet: Beteiligung und Repräsentation in der Politik, Zugang zu staatlichen Arbeitsplatzangeboten sowie Chancen in der Geschäftswelt und die bestehenden Regelungen zum Schutz der Lohn- und Chancengleichheit am Arbeitsplatz.