Viele Investoren bedienen sich bei der Zusammenstellung ihrer langfristigen Portfolios eines Strategischen Asset-Allokation(SAA)-Prozesses. Welchen Stellenwert sollten ökologische, soziale und Governance-Aspekte (ESG-Aspekte) im SAA-Prozess einnehmen?
SAA und ESG sind eng miteinander verbunden. Ökologische und soziale Veränderungen könnten die Art und Weise beeinflussen, wie Investoren ihr Kapital anlegen, um langfristige Erträge zu erwirtschaften. Die Beziehung wirkt aber auch in die andere Richtung: Die SAA kann privates Kapital dort hinleiten, wo es am ehesten benötigt wird, um die dringlichsten sozialen und ökologischen Probleme anzugehen.
Wie sich ESG auf die SAA auswirkt
Bezüglich der ökologischen Komponente: Umweltprobleme stellen ein zunehmendes Risiko für Anleger dar. Die globale Erwärmung birgt sowohl langfristige reale Risiken als auch kurzfristigere Gefahren, da der Energiesektor von fossilen Brennstoffen auf emissionsarme Alternativen umschwenkt. Diese Risiken wirken sich unterschiedlich auf die Wertentwicklung bestimmter Anlageklassen aus. Beispielsweise sind die Immobilien und Infrastrukturanlagen in Gebieten, die anfällig für Überschwemmungen, Stürme und Waldbrände sind, besonders gefährdet. Reale Klimarisiken haben überdies Auswirkungen auf die Versicherungsbranche. Indes sind die Segmente Stromversorger, Öl und Gas, Transport sowie einige Industriebereiche Risiken infolge der Abkehr von fossilen Brennstoffen ausgesetzt.
Dann wäre da die soziale Dimension von ESG. Die grösste Herausforderung für die SAA besteht derzeit möglicherweise in den anhaltend niedrigen Zinsen, die sich deutlich auf die langfristigen Erträge von Staatsanleihen auswirken. Viele Ökonomen sind der Ansicht, dass dies die Folge einer chronischen „Sparschwemme“ ist. Im Wesentlichen wird weltweit zu viel gespart und bieten sich zu wenig Anlagegelegenheiten – in der Folge sinken die Zinsen. Die Sparschwemme hat verschiedene Ursachen, von denen zwei soziale Faktoren zu den wichtigsten zählen: alternde Bevölkerungen und Einkommensungleichheit.
Die Corporate Governance – das G in ESG – ist für die SAA ebenfalls von Bedeutung. Das grösste Ereignis in Bezug auf die Vermögenspreise in den letzten 80 Jahren, d.h. die globale Finanzkrise, ging weitgehend auf systemische Governance-Verfehlungen in der globalen Bankenbranche zurück. Eine Lehre, die sich aus der Krise ziehen lässt, besteht darin, dass langfristige Vermögensverwalter den systemischen Governance-Risiken mehr Beachtung schenken müssen.
Wie sich die SAA auf ESG auswirken kann
Die Anleger betrachten die Asset-Allokation in der Regel aus Sicht der Anlageerträge. Entscheidungen hinsichtlich der Kapitalallokation können aber auch auf sozialer und ökologischer Ebene Wirkung zeigen. Bezeichnend dabei ist, dass zur Lösung vieler der weltweit grössten Herausforderungen immer mehr privates Kapital benötigt wird. Der Klimawandel stellt hierbei das Paradebeispiel dar. Um die im Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015 festgelegten Ziele zu erreichen, sind zusätzliche Anlegergelder in Höhe von 1,5 Bio. USD pro Jahr für erneuerbare Energie- und andere emissionsarme Projekte erforderlich.
Höhere Mittelzuflüsse sind auch zur Erreichung anderer Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vonnöten, so z.B. die Förderung der Entwicklung in armen Ländern und den Schutz der zunehmend fragilen Umwelt (z.B. durch Bekämpfung von Luftverschmutzung und Wasserverknappung). Stärkere Kapitalinvestitionen sind ebenfalls wichtig, um dem relativen Niedergang der „zurückgelassenen“ Regionen in den Industrieländern entgegenzuwirken und so die destabilisierenden Folgen der wirtschaftlichen Ungleichheit einzudämmen.
Einfluss der SAA erhöhen
Der Klimawandel bietet die Möglichkeit, den Einfluss der SAA auszuweiten. Anleger können sich an den Aktien- und Anleihenmärkten bei Unternehmen und Projekten beteiligen, die emissionsarme Energie- und Transportlösungen zur Verfügung stellen. Aktien von erneuerbarer Infrastruktur, „grüne Anleihen“ und nachhaltige Immobilien stellen weitere Gelegenheiten dar, um mit Anlagen eine positive Wirkung auf die Umwelt zu erzielen.
Aberdeen Standard Investments hat drei Modellportfolios mit unterschiedlich starken ESG-bezogenen Allokationen zusammengestellt. Diese umfassen ein traditionelles Aktien-Anleihen-Portfolio mit einer geschätzten Allokation bei klimabezogenen Anlagen von 3%, ein diversifizierteres Portfolio mit einer entsprechenden Allokation von 7% und ein stärker klimaorientiertes Portfolio, dessen Vermögen zu rund 20% in Klimalösungen investiert ist. Die Forschung zeigt, dass diese Portfolios sehr ähnliche Ertrags- und Risikoerwartungen aufweisen, jedoch deutlich unterschiedliche Auswirkungen auf die reale Welt haben.
Daraus ergibt sich eine spannende Gelegenheit. Diese Erkenntnis legt nahe, dass der SAA-Prozess angepasst werden kann, um strategische Portfolios zusammenzustellen, die deutlich mehr Kapital zur Finanzierung der Energiewende zur Verfügung stellen, ohne jedoch die erwarteten risikobereinigten Erträge zu schmälern. Durch diesen Ansatz können Investoren möglicherweise dazu beitragen, die Lücke in der Klimafinanzierung zu schliessen, ohne dabei die Anlageerträge zu gefährden oder gegen treuhänderische und regulatorische Beschränkungen zu verstossen.
Um eine maximale Wirkung zu erzielen, muss diese einflussreiche SAA mit einer ambitionierteren Regierungspolitik und den Bestrebungen zur Beschleunigung des technologischen Wandels und zur Förderung der Aufgeschlossenheit der Anleger koordiniert werden. Dabei geht es nicht ohne Umdenken: Die Anleger müssen erkennen, dass sie nicht nur passiv auf Marktkräfte reagieren, sondern auch zur Gestaltung einer gelingenden, nachhaltigeren Zukunft beitragen können.
Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft
Anleger, die ernsthaft eine Integration von ESG-Aspekten anstreben, müssen in Betracht ziehen, wie sich ESG-Faktoren auf die langfristigen Anlagerträge auswirken. Die Research von Aberdeen Standard Investments macht deutlich, dass diese Faktoren zu den wichtigsten Treibern langfristiger Erträge zählen und daher in den SAA-Prozess integriert werden sollten. Eine Asset-Allokation mit effektiver Berücksichtigung von ESG-Faktoren dürfte demnach bessere risikobereinigte Erträge erzielen als eine Strategie, bei der diesen Faktoren keine Beachtung geschenkt wird.
Doch eine SAA, die ESG aktiv einbezieht, bietet Anlegern eine noch reizvollere Gelegenheit. Viele der weltweit grössten Probleme sind darauf zurückzuführen, dass nicht genügend Kapital zur Verfügung steht. Der SAA-Prozess stellt eine Möglichkeit dar, diesem Umstand entgegenzuwirken, und zwar, indem Anleger ihr Kapital kanalisieren, um ihren Einfluss auf die reale Welt zu steigern. Dank der SAA ist dies zudem auf eine disziplinierte Art und Weise möglich, welche die erwarteten Erträge nicht schmälert. (Aberdeen/mc)