Finanzministerin Widmer-Schlumpf zeigt sich mit dem Erreichten zufrieden.
Bern – Die Schweiz und Deutschland haben ihren jahrelang schwelenden Streit um deutsche Steuersünder mit Schweizer Bankkonten beigelegt. Am Mittwoch wurde ein Steuerabkommen paraphiert, wonach auf Kapitalerträgen deutscher Bankkunden eine Abgeltungssteuer von 26,375% erhoben wird.
Finanziell macht es damit für deutsche Steuerzahler keinen Unterschied mehr, ob sie ihr Geld in der Schweiz oder Deutschland anlegen. Denn der Steuersatz der Abgeltungssteuer in der Schweiz entspricht exakt jenem, der auch in Deutschland entrichtet werden muss, wie aus den vom Eidg. Finanzdepartement (EFD) veröffentlichten Unterlagen hervorgeht.
Vermögen müssen nicht offen gelegt werden
Durch die Regelung werde sichergestellt, dass Erträge von deutschen Steuerpflichtigen gleich besteuert werden, egal ob sie ihre Konten und Depots in Deutschland oder in der Schweiz haben, teilte das EFD weiter mit. Gegenüber den deutschen Behörden offen gelegt werden müssen die auf Schweizer Banken gehorteten Vermögen dank der Abgeltungssteuer aber auch in Zukunft nicht.
Nachträgliche Besteuerung von Schwarzgeldern
Einen Teil ihres bisher nicht versteuerten Vermögens müssen die Kunden aber dennoch dem deutschen Fiskus abliefern: Im von Staatssekretär Michael Ambühl und seinem deutschen Verhandlungspartner Hans Bernhard Beus vorunterzeichneten Abkommen ist nämlich eine nachträgliche Besteuerung der Schwarzgelder vorgesehen. Je nachdem, wie lange die Konten bereits bestehen und welche Vermögensveränderungen es in den vergangenen Jahren gegeben hat, müssen zwischen 19 und 34% der bisher unversteuerten Gelder abgetreten werden. Eingezogen wird diese Nachsteuer genauso wie ab 2013 die Abgeltungssteuer von den Banken.
Banken müssen Vorauszahlung von 2 Mrd. Franken leisten
Die Banken müssen vorerst auch dafür bürgen, dass die Steuergelder aus der Vergangenheit zum deutschen Staat fliessen. Konkret müssen sie eine Vorauszahlung von 2 Mrd CHF leisten – was eine deutlich kleinere Summe ist, als sie in den letzten Wochen in der Gerüchteküche herumgereicht wurde. Gemäss der Schweizerischen Bankiervereinigung haben die Banken sich anhand der Höhe der verwalteten deutschen Vermögen untereinander geeinigt, wer welchen Anteil an der Akontozahlung zu tragen hat.
Deutsche Kunden können Bankbeziehung nachträglich offen legen
Für die deutschen Kunden von Schweizer Banken besteht aber auch die Möglichkeit, ihre Bankbeziehungen nachträglich gegenüber den deutschen Behörden offenzulegen. Wer auch dies nicht tun will, muss seine Schweizer Konten oder Depots abgeben. Die Schweiz wird einen Bericht dazu abliefern, wie viele Kunden aufgrund des Steuerabkommens wie viel Geld aus der Schweiz abgezogen haben.
Deutsche Behörden können Auskunftsgesuche stellen
Um zu verhindern, dass neues unversteuertes Geld in der Schweiz angelegt wird, können die deutschen Behörden neu Auskunftsgesuche stellen, um nach Konten von in Deutschland steuerpflichtigen Personen suchen zu lassen. Selbst wenn mit der Abgeltungssteuer und der Nachbesteuerung die Vermögen weiterhin nicht offengelegt werden müssen, wird das Bankgeheimnis durch diesen Auskunftsmechanismus aufgeweicht.
Keine «Fishing Expeditions»
In seinen Unterlagen betont das EFD aber, dass so genannte «Fishing Expeditions», also die Suche nach Konten mit langen Namenslisten ohne konkrete Hinweise auf ein Steuerdelikt, nicht möglich seien. Dies deshalb, weil die Zahl der Gesuche beschränkt ist und die Anfragen plausibel begründet werden müssen.
Kein weiter Kauf gestohlenen Bankdaten
Im Weiteren verpflichtet sich Deutschland mit dem Abkommen, keine CDs mit gestohlenen Bankdaten mehr zu kaufen und auf die strafrechtliche Verfolgung von Bankangestellten zu verzichten, die in der Vergangenheit möglicherweise bei Steuerdelikten geholfen haben.
Leichterer Markteintritt für Schweizer Banken
Bestandteil des Steuerabkommens sind schliesslich Erleichterungen für Schweizer Banken beim Marktzutritt in Deutschland. Für die Schweizer Banken ist dies quasi eine kleine Entschädigung dafür, dass sie gegenüber den Deutschen Banken nun keinen Wettbewerbsvorteil mehr haben.
Widmer-Schlumpf zufrieden
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen im Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland. Das Abkommen sei ein wichtiger Teil der Finanzmarktpolitik des Bundesrates, die konsequent auf die Verwaltung steuerkonformer Vermögen setze.
Es schaffe Rechtssicherheit und werde die Wettbewerbsfähigkeit und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz langfristig stärken, wird Widmer-Schlumpf im Communiqué des EFD zitiert. Das Steuerabkommen muss nach der Unterzeichnung durch die Regierungen beider Länder auch noch von den Parlamenten genehmigt werden. Ausserdem untersteht das Abkommen dem fakultativen Referendum.
Banken begrüssen Abkommen
Wie die Bankiervereinigung haben auch die Banken Credit Suisse, Julius Bär und Vontobel das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland begrüsst. Aus Sicht von Julius Bär ist es eine «pragmatische Lösung». Der deutsche Staat erhalte seine Steuereinnahmen, und gleichzeitig werde die finanzielle Privatsphäre des Einzelnen gewahrt, heisst es in der Julius-Bär-Mitteilung. Die UBS verzichtete auf eine Wertung des Abkommens. Die UBS werde sich auf die Information ihrer Kunden konzentrieren und die Umsetzung des bilateralen Abkommens vorbereiten, heisst es im Communiqué. «Diese Lösung entspricht der Strategie, die wir immer befürwortet haben», sagte der Generalsekretär der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers (VSPB), Michel Dérobert, der Nachrichtenagentur sda.
Auch die Kantonalbanken zeigten sich mit dem Abkommen einverstanden, wie Doris Fellenstein Wirth vom Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) gegenüber der Nachrichtenagentur AWP sagte: Die Kantonalbanken hätten ihre Bedürfnisse bereits während der Verhandlungsphase eingebracht. Wie stark die Belastung für die einzelnen Institute ausfallen könnte, vermochte die VSKB-Sprecherin zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen.
KPMG sieht hohe Kosten auf Banken zukommen
Der mit Deutschland paraphierte Staatsvertrag ist mit hohen Kosten für die Schweizer Banken verbunden. Die Institute müssten ein IT-System aufbauen und Dokumentationen für die Kunden erstellen, sagte Jürg Birri, Verantwortlicher Financial Services UK Market beim Unternehmensberater KPMG, anlässlich einer Telefonkonferenz am Mittwoch. Zudem müsse das Personal entsprechend geschult werden.
Mit welchen Kosten die Banken konkret zu rechnen haben, konnte Jörg Walker, Head of Tax von KPMG Schweiz nicht beziffern. Als Vergleichsgrösse nannte er, dass eine mittelgrosse Banken die Umsetzung der neuen Steuerregeln in den USA FATCA (Foreign Accounts Tax Compliance Act) mit Kosten zwischen 800’000 und 1,5 Mio CHF belasten werde. Der Umfang der Kosten, die durch den Staatsvertrag mit Deutschland anfallen könnten, sei unter anderem abhängig, ob die Banken zusammen oder jede für sich ein IT-Modell erstellen würden. (awp/mc/pg/upd/ps)