Allianz Global Wealth Report: Vermögen bleiben immun gegen die Coronakrise
Wallisellen – Das weltweite Brutto-Geldvermögen stieg im Jahr 2019 um auf rund 192 Billionen Euro (rund CHF 206,3 Billionen), das entspricht dem stärksten Wachstum seit 15 Jahren. Und trotz Coronakrise legte das globale Geldvermögen auch im ersten Halbjahr 2020 leicht um 1,5 Prozent zu. Von einer Krise ist derzeit also wenig zu spüren, lautet das Fazit der 11. Ausgabe des «Global Wealth Report» der Allianz, für den in fast 60 Ländern das Geldvermögen und die Verschuldung der privaten Haushalte analysiert wurden. Auch die Schweiz weist eine starke Erholung auf und verteidigte ihren 1. Rang beim Brutto-Geldvermögen.
Angesichts der Tatsache, dass das Jahr 2019 von sozialen Unruhen, eskalierenden Handelskonflikten und einer industriellen Rezession geprägt war, ist diese Entwicklung laut der Allianz-Studie mehr als erstaunlich. Doch als die Zentralbanken einen Kursschwenk hin zu einer breit angelegten geldpolitischen Lockerung vollzogen, führte dies zu einem kräftigen Plus von 25% der Aktienmärkte, losgelöst von den Fundamentaldaten; in der Folge wurde dadurch auch das Geldvermögen kräftig angehoben: Allein die Anlageklasse der Wertpapiere nahm 2019 um satte 13,7% zu – nie war das Wachstum im 21. Jahrhundert stärker. Die Wachstumsraten der beiden anderen Hauptanlageklassen waren niedriger, aber immer noch beeindruckend: Versicherungen und Pensionen erreichten ein Plus von 8,1%, was hauptsächlich auf den Anstieg der zugrundeliegenden Vermögenswerte zurückzuführen ist, und die Bankeinlagen stiegen um 6,4%. Tatsächlich verzeichneten alle Anlageklassen ein Wachstum, das deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt seit der Grossen Finanzkrise (GFC) lag. Eine weitere Besonderheit des Jahres 2019: Über all die Jahre hinweg wurde die regionale Wachstumsrangliste von den Schwellenländern dominiert. Nicht so im Jahr 2019. Die Regionen, die das schnellste Wachstum verzeichneten, waren bei weitem die reichsten: Nordamerika und Ozeanien, wo das Brutto-Geldvermögen der Haushalte um jeweils rekordverdächtige 11,9% zunahm. Infolgedessen konnten die Schwellenländer das dritte Jahr in Folge nicht schneller als die reicheren Länder wachsen. Der Aufholprozess ist ins Stocken geraten.
Krise? Welche Krise?
Dieselbe Geschichte dürfte sich im Jahr 2020 wiederholen – nur ins Extrem gewendet. Als Covid-19 die Weltwirtschaft in die tiefste Rezession seit 100 Jahren stürzte, legten Zentralbanken und Finanzbehörden auf der ganzen Welt beispiellose geld- und fiskalpolitische Hilfspakete auf und schirmten so die Haushalte und ihr Geldvermögen vor den Folgen einer Welt in Unordnung ab. Die Allianz-Experten gehen daher davon aus, dass die privaten Haushalte ihre Verluste aus dem ersten Quartal wettmachen konnten und bis zum Ende des zweiten Quartals 2020 einen leichten Anstieg des globalen Geldvermögens um 1,5% verzeichneten; Hauptreiber der Entwicklung sind die Bankeinlagen, die dank grosszügiger öffentlicher Unterstützungsprogramme und vorsorglicher Ersparnisbildung um kräftige 7,0% zunahmen. Es ist damit sehr wahrscheinlich, dass das Geldvermögen der privaten Haushalte im Jahr 2020, dem Jahr der Pandemie, im Plus enden wird.
«Im Moment hat die Geldpolitik die Lage gerettet», sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz. «Aber wir sollten uns nichts vormachen. Null- und Negativzinsen sind ein süsses Gift. Sie untergraben die Vermögensbildung und verschärfen die soziale Ungleichheit, da Vermögenseigentümer satte Mitnahmegewinne einstreichen können. Das ist nicht nachhaltig. Den Tag zu retten ist nicht dasselbe wie die Zukunft zu gewinnen. Dafür brauchen wir mehr denn je Strukturreformen nach Covid-19, um die Grundlagen für ein inklusives Wachstum zu schaffen».
Schweiz: Stark Erholung
Das Brutto-Geldvermögen der schweizerischen Haushalte stieg im Jahr 2019 um 6,4%, nachdem es im Vorjahr noch um 0,5% gefallen war. Damit wurde der Spitzenwert aus dem Jahr 2017 (6,5%) nahezu wieder erreicht und der langjährige Durchschnitt seit der Finanzkrise von 4,0% deutlich übertroffen. Haupttreiber der Entwicklung waren dabei wenig überraschend die Wertpapiere, die dank der guten Börsenentwicklung kräftig zulegten und ein Rekordwachstum von 17,5% erzielten; noch im Vorjahr stand ein Minus von 7,2% zu Buche. Versicherungen und Pensionen als auch Bankeinlagen blieben dagegen ihrem moderaten Wachstum der Vorjahre treu und legten mit 3,3% bzw. 1,6% zu. Durch das kräftige Wachstum der Wertpapiere hat sich auch die Portfoliozusammensetzung des schweizerischen Geldvermögens leicht verschoben: Wertpapiere kletterten auf 28,4%, dem höchsten Wert seit 2009, während Bankeinlagen auf 32,4% und Versicherungen und Pensionen auf 39,1% jeweils leicht zurückgingen.
Die Verbindlichkeiten stiegen 2019 um 2.8% und damit exakt so schnell bzw. langsam wie im Vorjahr. Dennoch stieg die Schuldenquote leicht auf 132% – die Schweiz bleibt damit weltweit das Land mit der höchsten Verschuldung. Die Verschuldung pro Kopf ist mittlerweile auf über EUR 99.000 (rund CHF 106’000) gestiegen: jeder Schweizer hat damit im Durchschnitt sogar mehr Schulden zu schultern als die Haushalte in den vier Nachbarländern Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich zusammengenommen. Das Nettofinanzvermögen schliesslich stieg um 8,3%. Damit blieb die Schweiz mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 195.388 Euro (rund CHF 209’000) auf Platz 2 im Ranking der 20 reichsten Länder stehen – wie im Vorjahr wird die Liste von den USA angeführt. Im Jahr 2020 wird das Wachstum deutlich geringer ausfallen, aber sehr wahrscheinlich immer noch positiv sein – sofern keine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen und sanitären Lage eintritt. Denn selbst im furchtbaren ersten Halbjahr steht für die schweizerischen Haushalte und ihr Geldvermögen, trotz starkem Wirtschaftseinbruch und Pandemie, zumindest eine rote Null zu Buche.
Trendumkehr: Wohlstandsgefälle vergrössert sich wieder
Insgesamt hat sich laut Allianz Global Wealth Report das Wohlstandsgefälle zwischen reichen und armen Ländern wieder vergrössert. Im Jahr 2000 war das Netto-Geldvermögen pro Kopf in den Industrieländern im Durchschnitt 87-mal höher als in den Schwellenländern; bis 2016 war dieses Verhältnis auf 19 gesunken. Seither ist es wieder auf 22 (2019) angestiegen. Diese Umkehrung des Aufholprozesses lässt sich auch an anderer Stelle beobachten: Erstmals ist die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensmittelklasse deutlich gesunken: von etwas über 1 Milliarde Menschen im Jahr 2018 auf knapp 800 Millionen Menschen im Jahr 2019.
«Es ist ziemlich beunruhigend, dass sich die Kluft zwischen reichen und armen Ländern wieder vergrössert hat, noch vor Covid-19», kommentierte Patricia Pelayo Romero, Mitautorin des Berichts. «Denn die Pandemie wird sehr wahrscheinlich die Ungleichheit weiter vergrössern, da sie nicht nur einen Rückschlag für die Globalisierung darstellt, sondern auch das Bildungs- und Gesundheitswesen, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, erschüttert. Wenn sich immer mehr Volkswirtschaften nach innen wenden, wird die Welt insgesamt ein ärmerer Ort sein». (Allianz Suisse/mc/ps)
Hier finden Sie die Studie und weiterführende Informationen:
https://www.allianz.com/en/economic_research.html