Allianz: Globales Wachstum der Versicherungsmärkte beschleunigt sich

Allianz: Globales Wachstum der Versicherungsmärkte beschleunigt sich
(Bild: Photo-K - Fotolia.com)

Zürich – In ihrer jüngsten Studie analysieren die Ökonomen der Allianz SE die Wachstumschancen der globalen Sach- und Lebensversicherungsmärkte. Nach den mageren Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise können die Versicherer wieder mit mehr Zuversicht nach vorne schauen: Wuchsen die Versicherungsprämien seit dem Jahr 2008 weltweit im Durchschnitt nur mit 3,1 Prozent pro Jahr, dürfte sich das Wachstum in der nächsten Dekade auf 5,9 Prozent beschleunigen.

In diesem Aufschwung spiegelt sich in erster Linie die Rückkehr der Weltwirtschaft zu normalen Wachstums- und Inflationsraten wider. Besonders ausgeprägt zeigt sich diese Entwicklung in den Industrieländern, nicht zuletzt in Westeuropa: Während hier seit Lehman die Versicherungsmärkte mehr oder weniger stagnierten, werden in Zukunft die Prämien wieder mit durchschnittlich knapp 3 Prozent pro Jahr zulegen; in der Schweiz dürfte die Entwicklung mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2 Prozent etwas verhaltener verlaufen.

Durststrecke überwunden
«Die lange Durststrecke der Krisenjahre liegt jetzt hinter uns», sagt dazu Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz SE. In den nächsten zehn Jahren wird nicht nur das Wachstum wieder kräftiger ausfallen, sondern auch die Gewichte zwischen den Segmenten Sach und Leben werden sich wieder verschieben. In der Krise zeigten sich vor allem die Sachversicherungsmärkte robuster, sie legten seit 2008 weltweit um durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr zu – im Bereich Leben betrug das Wachstum im selben Zeitraum nur 2,8 Prozent.

Besonders ausgeprägt war diese Diskrepanz wiederum in Westeuropa: Während die Prämien im Lebensversicherungsgeschäft zurückgingen (durchschnittlich um 0,5 Prozent pro Jahr), konnte das Sachgeschäft noch ein Plus von 1,2 Prozent verzeichnen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Neben stagnierenden Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit waren es vor allem die extrem niedrigen Zinsen, die die Nachfrage nach Lebensversicherungen dämpften; klassische Sparprodukte waren in diesem Umfeld nicht mehr attraktiv. In der Schweiz konnte das Segment Leben zwar noch leicht zulegen (+0,7 Prozent pro Jahr), aber das Sachgeschäft wuchs in diesem Zeitraum mit 1,3 Prozent nahezu doppelt so schnell.

Nachfrage nach Lebensversicherungen erholt sich
In Zukunft sollte sich die Nachfrage nach Lebensversicherungsprodukten aber wieder erholen – denn die Notwendigkeit zur eigenverantwortlichen Vorsorge jenseits der staatlichen Rentensysteme besteht unverändert fort. Zudem haben die Anbieter mit neuen Vorsorgekonzepten auf die Niedrigzinsphase reagiert; und auch der Zinsausblick selbst ist wieder etwas freundlicher. Insgesamt dürften daher die Prämieneinnahmen im Bereich Leben in den Jahren bis 2027 weltweit um 6,5 Prozent pro Jahr zulegen, gegenüber durchschnittlich 4,9 Prozent im Sachgeschäft. Trotz der prognostizierten Erholung in den Industrieländern – in Westeuropa sollten die Lebensmärkte wieder um knapp 3 Prozent pro Jahr zulegen, in der Schweiz immerhin um 2,1 Prozent – bleiben aber die Schwellenländer, allen voran China, die Treiber dieser Entwicklung. In den Schwellenländern wachsen die Lebensmärkte wegen dem grossen Nachholbedarf und gezielter staatlicher Förderung mit zum Teil zweistelligen Wachstumsraten über die gesamte Dekade hinweg.

Bedeutung des Versicherungsgeschäfts steigt vor allem in Schwellenländern
Das zukünftige Wachstum wird auch in einem weiteren Punkt die negative Entwicklung der letzten Jahre wieder umkehren: Die relative Bedeutung des Versicherungsgeschäfts sollte wieder zunehmen, ablesbar am Anteil der Versicherungsprämien am BIP, der sogenannten Versicherungsdurchdringung: Von 5,6 Prozent weltweit (2016) sollte sie in den nächsten zehn Jahren auf 5,8 Prozent steigen. Allerdings geht dieser Zuwachs nahezu ausschliesslich auf die Schwellenländer zurück. In den Industrieländern – auch in der Schweiz – dürfte sich dagegen der rückläufige Trend der vergangenen Jahre fortsetzen, wenn auch in einem deutlich langsameren Tempo.

Für diese weiterhin verhaltene Entwicklung sprechen aber nicht mehr wirtschaftliche, sondern vor allem strukturelle Gründe: Zum einen die demographische Entwicklung, die in den nächsten Jahren durch den allmählichen Renteneintritt der Generation der Babyboomer gekennzeichnet ist; und zum anderen durch zunehmende Schwierigkeiten, die Prämieneinnahmen im Brot-und-Butter-Geschäft der Sachversicherung, der Autoversicherung, weiter zu steigern. Verschiedene Veränderungen könnten hier in Zukunft dämpfend wirken: Neben der zunehmenden Wettbewerbsintensität durch digitale Vertriebswege könnten neue Technologien (Stichwort autonomes Fahren) künftig Unfälle und Schäden reduzieren, verhaltensabhängige Tarife (Stichwort Telematik) die durchschnittlichen Preise senken und generelle Verhaltensänderungen die Zahl der Nutzer mit eigenem Auto einschränken (Stichworte Carsharing und Uber).

Globale «Versicherungslücke»
Daher reicht dieser eher bescheidene Bedeutungszuwachs auch nicht aus, die Verluste der Krisenjahre wieder wettzumachen: Im Durchschnitt der Vorkrisenjahre lag die globale Versicherungsdurchdringung noch bei 6,4 Prozent. Umgerechnet in Euro bedeutet dies: Hätten die Menschen weltweit den gleichen Anteil ihres Einkommens für Versicherungsschutz ausgegeben wie vor der Krise, wären 2016 die globalen Prämieneinnahmen um beinahe 350 Mrd. Euro höher ausgefallen. Diese «Versicherungslücke» geht dabei zu über 90 Prozent auf die beiden Regionen Westeuropa und Nordamerika zurück, in denen wiederum zu über 70 Prozent der Bereich Leben für die fehlenden Prämieneinnahmen verantwortlich ist. «Diese Zahlen unterstreichen noch einmal den Kollateralschaden der Nullzinspolitik der grossen Notenbanken», kommentiert Michael Heise. «Denn es ist ja nicht so, dass die Menschen heute weniger Vorsorge und Risikoschutz als vor der Krise bräuchten – angesichts rekordhoher Staatsverschuldung und der unverändert anhaltenden Alterung der Bevölkerung gilt eher das Gegenteil.

Zudem gibt es Altersvorsorge heute auch nicht zu geringeren Kosten als früher – bei den herrschenden Minizinsen gilt auch hier vielmehr das Gegenteil. Es bleibt also nur ein Schluss: Die Niedrigzinsen haben der Idee der eigenverantwortlichen Vorsorge schweren Schaden zugefügt, die Folgen wird die nächste Rentnergeneration spüren.»

Mehr Nachfrage durch neue Technologien
Die Rückkehr zu solidem Wachstum der Versicherungsmärkte hat also durchaus einige Schönheitsfehler, zumindest in den Industrieländern ist ein Ausgleich der Verluste der Krisenjahre nicht der wahrscheinlichste Fall. Zum Schwarzmalen besteht dennoch kein Anlass. Denn die neuen Technologien bieten grosse Chancen. Digitalisierung, Big Data und Künstliche Intelligenz stehen nicht allein dafür, Kosten zu senken, Prozesse effizienter zu machen und den Wettbewerbsdruck zu erhöhen. Mit ihnen kann vor allem auch Versicherungsschutz wieder für mehr Menschen zugänglich und erlebbar gemacht werden, Versicherungsprodukte können attraktiver werden. Mit einem Wort: Neue Technologien schaffen mehr Nachfrage. «Die Versicherungsindustrie wird sich in den nächsten zehn Jahren grundlegend wandeln», sagt Arne Holzhausen, Ökonom der Allianz SE und Ko-Autor der Studie. «Die Herausforderungen sind immens – ebenso wie das Potenzial der neuen Technologien: Gelänge es, die Kunden wieder für Versicherungen zu begeistern, und gäben die Menschen weltweit wieder einen so hohen Anteil ihres Einkommens für Versicherungsschutz aus wie vor der Krise, bedeutete dies allein für 2027 zusätzliche Prämieneinnahmen in Höhe von 750 Mrd. Euro gegenüber unserem Basisszenario.» (Allianz/mc)

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